Mit „Stabat Mater“ von Antonín Dvořák auf Passionszeit eingestimmt.
Der Kammerchor Kinzigtal hatte sich unter seinem Dirigenten Michael Har-tenberg ein großes Werk des tschechischen Komponisten Antonín Dvořák (1841-1904) vorgenommen. Dieser hat sich neben seinen Auftragskompositionen aus eigenem Antrieb 1876 die Vertonung eines mittelalterlichen Gedichtes über die Schmerzen Marias beim Tod ihres Sohnes am Kreuz vorgenommen. Anlass war der Tod der Tochter des Komponisten schon wenige Tage nach ihrer Geburt.
Nach einem ersten Entwurf hat Dvořák das Vorhaben erst mal liegen lassen. Als aber danach er und seine Frau erleben mussten, dass auch den beiden danach geborenen Kindern kein längeres Leben gegönnt war, griff der Musiker das Thema wieder auf. Das elf Monate alte Mädchen hatte irrtümlich eine Flasche mit giftiger Flüssigkeit erwischt, der dreijährige Junge wurde wenige Tage danach von Pocken hingerafft. So blieb das Ehepaar kinderlos.
Das Gedicht „Stabat Mater dolorosa“ – ‚Die Mutter stand mit Schmerzen‘ stammt vermutlich von dem Franziskanerpater und Kirchenlehrer Bonaventura (1218-1274). Dvořák war nicht der einzige Komponist, der die fromme Lyrik aufgegriffen hat. Es hat auch seinen Niederschlag im Liedgut der Gemeinde gefunden. Zumindest älteren Katholiken ist das Kirchen-Lied „Christi Mutter stand mit Schmerzen bei dem Kreuz und weint von Herzen, als ihr lieber Sohn da hing“ vertraut.
Melancholie der Romantik
Dvořák ist indessen beim Latein des ursprünglichen Textes geblieben. Allerdings hat er die 20 Strophen des Urtextes in 10 Strophen zusammengefasst und sie in 10 musikalische Sätze für Gesangs-Solisten, Chor und Orchester gekleidet. Uraufgeführt wurde das Werk zuerst im heimischen Prag. Die Vorstellung hat ihn jedoch gleich so bekannt gemacht, dass es schon wenig später auch in London gefragt war. Grund dürfte nicht so sehr der religiöse Inhalt als vielmehr die Musiksprache der Romantik gewesen sein.
Die Romantik ist dafür bekannt, dass der Tod für sie kein Tabu ist. Diese Ehrlichkeit führt normalerweise zu einer traurigen Stimmung, die eher mit zarten und leisen Tönen einhergeht. Diese kommen im Werk „Stabat Mater“ immer wieder zur Geltung, sowohl beim Chor wie auch bei den Instrumenten z.B. mit Querflöten und Violinen. Das Unerhörte der Komposition liegt jedoch in der Ganzheitlichkeit, die den Schmerz nicht nur verinnerlicht, sondern ihn auch „herausschreien“ möchte. Immer wieder steigert sich der Gesang und die Instrumentalmusik etwa mit Hörnern und Pauke zu einer erschütternden Wucht und Heftigkeit.
Traurigkeit und Jubel
Der Romantiker Dvořák ist jedoch nicht nur ein Kind von Traurigkeit. Dies zeigt sich im zehnten und letzten Satz seines Werkes. Die Klage über das Sterben schlägt um in die Hoffnung auf eine paradiesische Herrlichkeit. Das wiederholende „Amen“ am Schluss scheint unverdrossen die Himmelstüre öffnen zu wollen, und dies nicht nur für den sterbenden Sohn Gottes, sondern für jeden, der mit ihm leidet und sich von ihm erlösen lässt.
Der KammerChor Kinzigtal hat sich über Monate auf die Herausforderung mit dem Konzert „Stabat Mater“ vorbereitet. Dirigent Michael Hartenberg, der vor knapp zwei Jahren den Chor übernahm, hat den Sängerinnen und Sängerinnen mit dem variantenreichen Werk eine Menge abverlangt. Die Anforderungen wurden nicht nur gemeistert, die Darbietung hat eine berührende Botschaft des Mitgefühls spüren lassen.
Das Verdienst des Dirigenten liegt nicht nur in der nachhaltigen Arbeit mit dem Chor, sondern ebenso in der Aufbietung exzellenter Gesangs-Solisten und eines versierten Sinfonieorchesters. Die rd. 200 Besucherinnen und Besucher haben sich nach einem eineinhalbstündigen Konzert mit begeistertem Applaus bedankt. Man darf gespannt sein, was auf diesen Höhenflug folgt.