Kleindenkmale aufgewertet

Willi Hug hilft mit seiner Arbeit den steinernen Zeugen, ihre Botschaft weiterzugeben. 

 

Rund einhundert Bildstöcke, Wegkreuze und Gedenksteine finden sich entlang der Straßen und Wege auf Oberharmersbacher Gemarkung. Jedes dieser zum Teil jahrhundertealten Zeichen ausgeprägter Volksfrömmigkeit wüsste eine Geschichte zu erzählen. Deren Botschaft zu erhalten und weiter leben zu lassen, hat sich Willi Hug zur Aufgabe gemacht.

Sorgfalt steht an oberster Stelle

Über ein Dutzend dieser Kleindenkmale erfuhren durch seine geschickte Hand bereits eine ansprechende Aufwertung. Dabei ist das Entfernen von Moos oder Flechten eher Routine seiner ehrenamtlichen Arbeit, wobei Sorgfalt immer an oberster Stelle steht, denn allzu oft hat der Zahn der Zeit schon einen uneinholbaren Vorsprung.

„Die Inschriften sind mitunter nur noch schwer oder gar nicht mehr zu entziffern“, zeigt der ehemalige Forstbeamte seine Enttäuschung. Da gelte es zu retten, was noch zu retten sei. Wind und Wetter haben vor allem an exponierten Stellen Buchstaben und formvollendete Ornamente der Sandsteinsäulen mitunter bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.

Nur manchmal hilft ihm sein „Spickzettel“ aus der Klemme, der 1985 erschienene Bildband über „Bildstöcke, Wegkreuze und Gedenksteine“. In den 1970er Jahren hatte der damalige Forstamtmann Eugen Lehmann (1925-1984) diese Kleindenkmale aufgenommen, um soweit möglich, die Gründe für die Errichtung aufzuhellen. Seither sind vier Jahrzehnte vergangen und nicht jeder Grundstückseigentümer kümmert sich um „sein“ Bildstöckchen.

Unglücksfälle und Versprechen

Dabei haben diese steinernen Zeugen interessante Bezüge zur Umgebung. Sie stehen an Stellen, wo sich Unfälle ereignet hatten: Vom Blitz erschlagen, im Bach ertrunken, beim Flößen vom Rundholz zerquetscht, bei der Brennholzaufbereitung verblutet. Oder sie erinnern an Versprechen der Vorfahren, weil sie vom Unglück im Stall weitgehend verschont blieben oder Angehörige unversehrt aus dem Krieg heimgekehrt waren.
Willi Hug hat die Reinigung abgeschlossen. Er greift zum Pinsel, legt die passende Farbe auf und zieht mit ruhiger Hand akribisch die Linien der Buchstaben oder Ornamente nach. „Gut lesbar sollte jetzt die Schrift sein, aber die Farbgebung darf nicht zu grell sein“ begründet der 77 Jahre alte Pensionär seine Auswahl.

Bei gut lesbarer Schrift ist das alles kein Problem, aber wenn die Verwitterung deutliche Auswirkungen zeigt, kann er schon mal ins Grübeln kommen. „Die Rechtschreibung war wohl auch Nebensache, der Steinmetz schrieb nach Gehör“ weiß er aus Erfahrung.  Und manchmal muss der Pinsel sonderbare Wege suchen, wenn beispielsweise das „N“ spiegelverkehrt den Schriftzug ziert.

Abteilungssteine ausgebessert

Seine Freizeitbeschäftigung hat Willi Hug schon vor Jahren aufgenommen. Im Gemeindewald verhalf er den Abteilungssteinen mit Nummern und Namen zu neuer Lesbarkeit, im Kriegerdenkmal hat er die 61 Namen der auf zwei Stelen festgehaltenen Vermissten des Zweiten Weltkrieges nachgezogen und die Inschrift auf dem Sockel des großen Missionskreuzes auf dem Oberharmersbacher Friedhof ist wieder gut lesen.

„Das passt ja gut“, meint Willi Hug verschmitzt, als er der Inschrift des Bildstocks beim Dammesefli-Hof im Jedensbachtal zu neuem Glanz verholfen hat. „iacob hug“ ist da zu lesen und „johana spitzmiler“. „Nicht verwandt und nicht verschwägert“, meint er nur trocken, als er seine Utensilien für die nächste Station zusammen packt.

Wie in seinem „Spickzettel“ zu lesen ist, hat im Jahre 1840 Hofbauer Hug den Bildstock auf der Anhöhe mit herrlichem Blick über das Dorf wegen einer glimpflich verlaufenen Viehseuche errichten lassen.

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