Beide Veranstaltungen auf dem Mühlstein waren ausverkauft. Die Nordracher Stubenmusik sorgte an beiden Abenden für eine adventliche Stimmung.
„Z’Licht geh’n“, das war für unsere Vorfahren ein schöner Brauch in der Adventszeit. Diesen Brauch erlebten auch jetzt wieder die Besucher der beiden Veranstaltungen am Donnerstag- und Freitagabend in der Traditionsgaststätte Mühlstein, zu der das Bildungswerk Nordrach eingeladen hatte.
Als Oma noch lebte
Elmar Langenbacher schilderte am Donnerstag lebhaft und authentisch die Zeit, „als Oma noch lebte“. Seinen Part übernahm am Freitag Anita Wiegele aus Oberkirch, um den be kannten Heimatdichter August Ganther vorzustellen und einige seiner zahlreichen wunderbaren Mundartgedichte und Texte vortragen. Die Nordracher Stubenmusik ließ an beiden Abenden ihre berührende Musik erklingen.
Rolf und Sandra Lehmann hatten mit ihrem Team die Gaststube und das Nebenzimmer adventlich geschmückt, auch die Bereiche vor dem Haus, die Eingangstreppe und die überdachte Terrasse, überall verströmten Lichterketten ihr sanftes Licht.
Ein alter Brauch an Winterabenden
Esther Echtle vom Leitungsteam des Bildungswerks Nordrach konnte jeweils rund 60 Besucher in der vollbesetzten Gaststätte zum Mühlstein begrüßen. Sie wies darauf hin, dass „Z’Licht geh’n“ ein alter Brauch gewesen sei, an den langen Winterabenden zu Nachbarn zu gehen, um gemeinsam zu singen und zu musizieren. „Es gibt für eine solche Veranstaltung keinen schöneren und geeigneteren Ort wie hier auf dem Mühlstein“, betonte Esther Echtle.
Elmar Langenbacher ist gebürtiger Hornberger und wohnt jetzt in Offenburg. In Kurz- geschichten schilderte er in Mundart und freier Rede seine Kindheit in den 70er Jahren, eine Kindheit mit der Oma. „Wie funktioniert Strom? On de Weidezaun lange!“ „Nix wegwerfe, uffpasse“ und „s´Loch zu, s´zieht“ waren einige Ratschläge der Oma.
Der Duft von Bohnerwachs, Omas Küche und Pumphosen, die Ausflüge zu zwölft im Opel Rekord, Omas Badetag im Schulhaus, das Kofferradio mit Antenne, der Dual Plattenspieler, die Kuckucksuhr, der Kaugummiautomat, Dosen-Ravioli, die Offenburger Herbstmesse, Blumenklau bei Schäubles sind nur einige der Themen, aus denen Langenbacher spannende und erlebbare Geschichten machte und das Publikum immer wieder zum Lachen brachte.
Erzählkunst in die Wiege gelegt
Dazu hatte er allerlei Gegenstände mitgebracht, um seine Themen zu veranschaulichen. Es stimmt, was schon andere geschrieben haben, „ihm wurde die Erzählkunst in die Wiege gelegt“. Am Ende verteilte er an durstige Gäste noch einige Gläschen von Omas Kirschlikör und erhielt für seine humorvollen, unterhaltsamen und pointierten Geschichten einen langanhaltenden Applaus.
Gedichte von August Ganther
Am Freitagabend übernahm Anita Wiegele die Dichterlesung. Sie ist in Bad Griesbach geboren, wohnt in Oberkirch und ist im dortigen Heimat- und Grimmelshausen Museum tätig. Sie erwies sich als eine profunde Kennerin von August Ganther, dessen Gedichte sie vortrug.
August Ganther erblickte im Jahre 1862 in Oberkirch das Licht der Welt, verlor bereits im Alter von 13 Jahren seine Eltern und wuchs zunächst bei Verwandten, dann im Oberkircher Waisenhaus auf. Bekannte sorgten dafür, dass er eine gediegene Schulausbildung erhielt und schließlich in Gengenbach und Karlsruhe als Lehrer ausgebildet wurde. Nach Immendingen und Möhringen wurde August Ganther im Jahre 1886 nach Freiburg an die Lessingschule versetzt, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte. Im Jahre 1937 verlieh ihm die Stadt Oberkirch die Ehrenbürgerwürde. August Ganther verstarb 1938 in Vöhrenbach, wo sein Sohn Rudolf als Arzt tätig war.
August Ganthers Gedichte haben vorwiegend die kleine Welt des von Alltagssorgen geplagten Menschen zum Inhalt. Zugute kam ihm, dass er eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe hatte und ein guter Menschenkenner war. Er hat seine über 1.000 Gedichte vor allem in der alemannischen Mundart geschrieben, wobei er immer die Dialekte seines jeweiligen Wohnorts verwendete.
Anita Wiegele hatte für den ersten Teil der Lesung eine Auswahl an heiteren Gedichten von August Ganther getroffen, Geschichten von lustigen Begebenheiten aus dem Alltag. Sie handelten vom Abändle und Hirade, vom Schäfers Hexli und vom Laternli, von de zwei Epfel für de Herr Pfarrer, vom klei Lieseli, des sich kei Ohreringli steche losse will und vom Sängerbund, der in alle Tonlage singt, alles gereimte Gedichte mit überraschenden Pointen, die den großen Humor des Autors widerspiegeln und das Publikum immer wieder zum Lachen brachten. Im zweiten besinnlicheren Teil trug Anita Wiegele Gedichte vor, die davon berichteten, wie die Menschen früher armselig gelebt und wie bescheiden sie Advent und Heiligabend gefeiert hatten. Auch riet Ganther, dass, wenn man sich nicht entscheiden kann, mer Kalender glich für sieben Johr auf Vorrat kaufe soll, damit e Rueh isch. Anita Wiegele beendete ihren Vortrag: „Es isch gonz e besunderi Zitt, jo, Wihnachde isch nimmi wit“.
Volkstümliche und adventliche Weisen
Die Nordracher Stubenmusik – Luitgard Bieser (Hackbrett und Gesang), Antonia Haas (Zither, Akkordeon, Kontrabass und Gesang), Susanne Hansmann (Zither, Akkordeon und Gesang), Martina Pfundstein (Gitarre und Gesang) und Georg Wimmer (Gitarre) – spielte im Wechsel mit den Autoren volkstümliche und adventliche Weisen. Etliche neue Melodien waren in ihrem Programm zu hören und den meisten Beifall erhielten sie für ihre sehr berührenden Liedvorträge. Die Nordracher Stubenmusik ist ein Garant für eine adventliche Stimmung, die es nur „Auf dem Mühlstein“ gibt.
Als Zugabe spielte die Nordracher Stubenmusik bekannte Weihnachtslieder und aus sechzig Kehlen klang es laut: „Leise rieselt der Schnee“ und „Alle Jahre wieder“.