Professorin und Theologin Margot Käßmann sprach vor 340 Gästen bei der Jahresabschlussveranstaltung der Volksbank Lahr.
„Sorge Dich nicht, Seele“ lautete der Titel des Vortrags, den Professorin und Theologin Margot Käßmann vor 340 Gästen bei der traditionellen Jahresabschlussveranstaltung der Volksbank Jahr kurz vor Weih-nachten im Teatro dell`Arte, Europa-Park in Rust hielt.
Der andauernde Krieg in der Ukraine, der neu entflammte Nahostkonflikt nach dem brutalen Terrorangriff der Hamas auf Israel, die drohende Klimakatastrophe – viel Leid in der Welt drückt auf das Gemüt. Auch in Deutschland liest man täglich von negativen Entwicklungen in den Nachrichten: Wohnungsnot, Inflation und politische Unsicherheiten. Der tägliche Leistungsdruck, die Digitalisierung, die „Rushhour des Lebens“ fordert viele Menschen.
Spätestens mit der Corona-Pandemie hätten viele Menschen Vertrauen in Institutionen, Politik und Medien verloren, teilweise werde Obrigkeit vollständig abgelehnt. Auch die Kirche erfahre einen Vertrauensverlust. Käßmann sprach davon, dass das Gewebe der Gesellschaft brüchig sei. Die „sozialen“ Medien würden dazu beitragen, dass sich insbesondere negative und hasserfüllte Beiträge tausendfach teilten und so zu einer Verrohung der Sprache beitragen. Diese Bestandsaufnahme wäre geeignet gewesen, die Teilnehmer bedrückt nach Hause zu entlassen.
Auf die Haltung kommt es an
Doch Margot Käßmann gelang es in der kommenden Stunde herauszuarbeiten, weswegen man sich nicht „von Ängsten zerfressen“ lassen sollte. Sie zitierte dazu Philosophen und einen Liedtext von Roger Cicero, erzählte aus ihrer eigenen Familiengeschichte, trug Gleichnisse und Bibelverse vor und bezog sich auf den Kinderbuchklassiker „Oh wie schön ist Pana-ma“. Unterhaltsam und gleichzeitig lehrreich trug Käßmann ihre Kernbotschaft vor: Entscheidend sei, mit welcher Haltung man durchs Leben gehe. Vor Scheitern, Krankheit und Krisen sei niemand gefeit, aber es liege an einem selbst, wie man damit umgehe. „Resignation hilft nicht. Wir benötigen Mut zu Veränderung“.
Dabei betonte Käßmann, dass es selbstverständlich nicht darum gehe, ernste psychische Leiden wie Depressionen oder Angstzustände zu negieren oder Ungerechtigkeiten kleinzureden – ganz im Gegenteil. „Tauchen die großen Fragen nach dem Sinn des Lebens auf, kann das Menschen belasten und sich im schlimmsten Fall in Depressionen niederschlagen.“ Deswegen sei es wichtig, rechtzeitig auf Überforderungssignale zu hören und entgegenzuwirken. Liebe, Vertrauen und persönliche Beziehungen seien menschliche Grundbedürfnisse. Herauszufinden, was für einen wichtig ist und wo man das finde – ob nun Religion, Familie, Ehrenamt oder Beruf – sei elementar. Es helfe, sich immer wieder die guten Dinge im eigenen Leben bewusst zu machen. „Dankbarkeit ist ein stabilisierendes Lebensgefühl“, so die Theologin. „Die Seele braucht das Wissen, dass es gut sein kann.“ Nur wer mit sich selbst gut umgehe, könne das auch mit anderen. So lautet auch die Botschaft des zweiten Gebots: „Du sollst Deinen nächsten lieben, wie Dich selbst.“ Würden sich daran mehr Menschen halten, sähe es auf der Welt ganz anders aus, meinte Käßmann. Dies im täglichen Leben zu beherzigen, sei allerdings alles andere als einfach, gab die Theologin zu.
Öfters entschleunigen und auf das Wesentliche konzentrieren
In sich hineinhören, das benötigt Ruhe, Muse und Achtsamkeit. „Wenn sie diese Art von Entschleunigung suchen, sind sie jeden Sonntag, um 10.00 Uhr deutschlandweit in eine Kirche eingeladen“, sagte Margot Käßmann mit einem Schmunzeln.
Im Anschluss an den Vortrag konnten die Gäste die Botschaft ein gemeinsames Abendessen genießen und reflektieren. Die eingenommenen Eintrittsgelder fließen an die Bürgerstiftung der Volksbank, über die unter anderem die Arbeit mit Menschen mit und ohne Behinderung der Ökologiestation Lahr gefördert wird.
Zur Person
Prof. Dr. Margot Käßmann (Jg. 1958) studierte Theologie in Tübingen, Edinburgh, Göttingen und Marburg. 1985 wurde sie ordiniert und schloss 1989 ihre Promotion an der Ruhr-Universität Bochum ab. Nach ihrer Tätigkeit als Pfarrerin und später Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages war die vierfache Mutter von 1999 bis 2010 Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers. Von April 2012 bis Juni 2018 war sie als Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 tätig. Seit Juli 2018 ist Margot Käßmann im Ruhestand und widmet sich vor allem dem Schreiben von Büchern.