Auf dem Holzweg

Lang- und Kurzholztransport im fliegenden Wechsel

Holzwege enden oft in der Sackgasse. Für Rundholzprofis gehört dieses Phänomen zum Alltag. Um die Holzabfuhr wirtschaftlich zu gestalten ist man im deutschen Wald grundsätzlich auf fünf Achsen (40t) unterwegs.

Langholzgespanne sind im Leerzustand verhältnismässig einfach zu handhaben. Kompakte Anhänger, in der Branche Nachläufer genannt, können im Leerzustand auf die Zugmaschine aufgeprotzt werden. In dieser Formation kann das Gespann am Ende des Weges problemlos gewendet werden. Ein Wendehammer, im Durchmesser vier Meter größer als die Länge der Zugmaschine, ist ausreichend.

Ein Rungenpaar auf der Zugmaschine, eines auf dem Nachläufer, mehr ist nicht notwendig um Stämme von 21 Meter Länge sicher aus dem Wald zu bringen. Kurzholz, das ist Rundholz, welches in Einheitslängen bis sechs Meter transportiert wird, ist hier deutlich anspruchsvoller. Eine größere Anzahl Rungenpaare auf Motorwagen und Anhänger sind notwendig, um die Holzabschnitte verkehrssicher zu verstauen. An Huckepack ist nicht zu denken. Deshalb sind Kurzholzzüge viel zu sperrig, um am Ende der Sackgasse zu wenden.

Konstrukteure der Firma Doll in Oppenau haben dieses Problem fokussiert und gelöst. Die Lösung besteht in einer Teleskopbrücke mit zwei Schemel (vier Rungen), welche im Kurzholzeinsatz per Ladekran zwischen Zugmaschine und Nachläufer eingesetzt wird. Nach der Entladung wird die Kurzholzbrücke zusammengeschoben und auf dem Nachläufer verstaut. Der Nachläufer mit Brücke wird aufgeprotzt. Der Vorteil besteht in der bekannten Wendigkeit am Ende des Holzweges.

Tüchtiger Schwabe

»Die Mischung machts« nach diesem Motto hat sich Jan Nagel anno 2017 in der Logistikbranche niedergelassen. Gewiß hat es seine Vorzüge, wenn in einem standardisierten Fuhrpark Fahrzeuge und Fahrer beliebig untereinander austauschbar sind. Doch Spezialisierung macht auch abhängig von konjunkturellen Schwankungen. Der dynamische Jungunternehmer von der schwäbischen Alb machte seine ersten Erfahrungen in der Schüttgutbranche. Als ausgebildeter Straßenbauer brachte er das erforderliche Hintergrundwissen mit. Nachdem das Geschäft rund lief reifte der Wunsch nach einem zweiten Standbein.

Da erreichte den Schwaben die Nachricht einer geplanten Betriebsaufgabe. Mit 67 Jahren wollte ein Langholzlogistiker seinen Einmannbetrieb verkaufen. »Holztransport passt gut in die Landschaft. Zusammen mit dem Schüttgutgeschäft bringt das eine robuste Aufstellung«, dachte sich Jan Nagel und diese Überzeugung hat heute noch Bestand.

Branchenneulinge sind oft geneigt über den Frachtpreis ins Geschäft einzusteigen. Das bringt Unruhe in den Markt. Jan Nagel hatte das nicht nötig. Richard Engeser aus Villingendorf, ein Geschäftsmann von edlem Holz geschnitzt, wollte nicht um jeden Preis seinen Betrieb dem erstbesten Interessenten andrehen. Er legte Wert auf den erfolgreichen Fortbestand seines Fuhrgeschäfts. Verkäufer und Käufer gingen über Wochen gemeinsam auf Tour. Der alte Hase weihte den Neuling in die Besonderheiten des Holzgeschäftes ein und stellte seinen Nachfolger bei der Kundschaft vor. Unter vier Augen wurde auch das Thema »Geld« nicht ausgespart. In der Alltagspraxis erfuhr Jan Nagel was in Sachen Frachterlöse machbar ist. Letztlich hat von dieser umsichtigen Vorgehensweise die gesamte regionale Holztrans­portbranche profitiert. Neben dem Kundenbestand übernahm Jan Nagel einen Mercedes Actros 2655 mit Doll-Aufbau bei einem Kilometerstand von 650.000. Im Dezember 2018 wurde zusätzlich ein MAN-Kurzholzzug beschafft.

Der Betriebssitz ist in Schömberg (BL = Zollernalbkreis). Schömberg liegt in der Grenzregion von Schwäbischer Alb und Schwarzwald. Das Einsatzgebiet deckt den Raum Rottweil bis nach Offenburg und die Rheinschiene bis Basel ab. Im Dreiecksgeschäft kommt der Schwabe ins Höllen-, Dreisam- und Wiesental. Es gibt viel zu tun. Käfer- und Trockenholz waren die Themen der Jahre 2018 und 2019. 2020 begann mit Sturmholz. Seit dem Einstieg in den Holztransport arbeitet Jan Nagel daran die Betriebsabläufe zu optimieren. Auch die kürzlich vollzogene Fahrzeugbeschaffung ist von dieser Prämisse berührt. Bei der Auswahl des neuen Zuges lag der Fokus auf einem raschen Wechsel zwischen Lang- und Kurzholztrans­port. Mittelfristig sollen die Leerstrecken auf ein Minimum reduziert werden. Zwei Jahre Planungsphase zogen ins Land.

Die Alb ruft

Was dabei herauskam liest sich spannend. Die MAN-Zugmaschine mit der Bezeichnung TGX 33.640 wird von einem Reihensechszylinder-Diesel der Baureihe D38 angetrieben. Bei einem Hub­raum von 15,4 Liter verhilft die Biturbo-Aufladung der Maschine zu einer Leistung von 640 PS bei einem gewaltigen Drehmoment von 3.000 Nm. Zugmaschinenaufbau und Nachläufer mit Ratioplus-Lenkung sind aus dem Hause Doll. Krönung des Gespannes ist die Doll-Multi-Ladebrücke A 800. Das besondere an der Kurzholzbrücke ist ihre Flexibilität. Um ein paar Eindrücke mitzunehmen und mit dem Anwender ins Gespräch zu kommen sind wir auf die Schwäbische Alb gefahren.

Zweckorientiert

Der optische Auftritt des TGX 33.640 wird von Sachlichkeit bestimmt. Dagegen ist die technische Ausstattung mehr als anspruchsvoll. 640 PS sind eine Menge Holz. Es war alleine das bullige Drehmoment von 3.000 Nm, welches Jan Nagel von der D38-Maschine überzeugte. Die Antriebsformel lautet 6 x 4. Von der ersten Achse abgesehen, sind durchgehend Luftfederungen verbaut. Bemesssungsgrundlage für die Bordwaage sind die Luftdruckwerte, die über Sensoren an den Federbälgen abgegriffen werden. Drei Kameras sind mit einem integrierten Monitor verbunden. Eine davon ist am Nachläufer befestigt und nach hinten gerichtet. Die zweite sitzt am vorderen Schemel und erfasst Schlauchpaket und Nachläufer. Kamera drei sitzt an der B-Säule und übersieht den rechten Verkehrsraum im Zugmaschinenbereich. Sie wird beim Rechtsabbiegen über den Fahrtrichtungsanzeiger aktiviert.

Brückentag

Seit Wochen haben wir auf einen Tag ohne Niederschläge und Sturmwarnung gewartet. Jan Nagel hat ein spannendes Programm 200 Kilometer rund um den Kirchturm zusammengestellt. Stets die Brücke im Gepäck sind Lang- und Kurzholztransporte im fliegenden Wechsel geplant. Aus einem Privatwald ist Weißtanne, entrindet, mit einer Stammlänge von 21 Meter ins Sägewerk zu bringen. Das Automatikgetriebe mit 12 Vorwärtsgängen schaltet zügig. Nach dem Absetzen des Nachläufers mit Brücke ist die Transportsicherung zu lösen, damit sich der Drehkranz ungehindert bewegen kann. Der Ladekran greift sich die Rangierhaken der Brücke und schiebt den Zweiachser in Position. Bei der Beladung treten Palfinger-Kran und Hultdins-Greifer als harmonisches Paar auf. Die filigran konstruierte Zange gleitet spielerisch in die Zwischenräume der Stämme, führt diese kraftvoll an den Kamm und legt sie zwischen den Rungen ab.

Eigentlich ist die Tour keine besondere Herausforderung, wäre da nicht der schlechte Wegezustand. Für Langholztransporte ist dieser Wald schlecht erschlossen. Wochenlange Regenfälle haben den Unterbau destabilisiert. Eine dickflüssige Pampe wird von den Reifen verdrängt. Die Rechnung 6 x 4 plus Baustellenprofil scheint aufzugehen. Keinen Augenblick, an dem die Traktion an ihre Grenzen stösst. Wer mit beladenem Nachläufer dem Grünstreifen zu nahe kommt hat verloren. Gerät die abfallende Böschung in Bewegung, reisst der Nachläufer den gesamten Zug in die Tiefe. Über längere Distanzen ist Schrittgeschwindigkeit angesagt. Als wir den Wald verlassen ist von der Kosmetik des Vorabends nichts mehr zu sehen.

Die Spannung steigt. Nach zügiger Entladung sind Fünfmeterabschnitte Fichte und Tanne in D-Qualität abzuholen. Dabei kommt die auf dem Nachläufer mitgeführte Ladebrücke zum Einsatz. Am Beladeort wird der Nachläufer mit befestigter Kurzholzbrücke per Ladekran positioniert. Bei eingelegter Feststellbremse greift die Ladezange nach den zwischen den vorderen Teleskopelementen befindlichen Rangierhaken. So werden die Vierkantprofile in die am Zugmaschinenschemel befindlichen Aufnahmen eingeführt. Wie lange die Bereitstellung der mitgeführten Ladebrücke dauert, ist von der Beschaffenheit des Untergrunds abhängig. Auf ebenem Asphalt kann die Beladung nach acht Minuten beginnen. Sind Unebenheiten im Spiel, dauert es bis zu einer Viertelstunde. Die Teleskopkonstruktion ist pflegebedürftig.

Die dritte Fuhre mit Viermeterabschnitten brachte keine neuen Erkenntnisse. Zum Finale begeben wir uns in die Waldungen des Fürsten von Fürstenberg. Mit 18.000 ha zählt Erbprinz Christian zu Fürstenberg zu den größten deutschen Privatwaldbesitzern. Vom »Randen«, einem Holzmacherparadies, bringen wir Buche als Brennholz lang zu einem Brennholzbetrieb in die Heimat. Mit Anerkennung spricht man in der Szene von der Forstpolitik des Fürsten und seines Geschäftsführers. Trotz wochenlangem Regen sind die Wege in ordentlichem Zustand. »Ratioplus erlaubt auf den Holzabfuhrwegen eine zügige Kurvenfahrt bei einem Mindestmaß an Rückspiegelgebrauch. Im Ergebnis heißt das entspannteres Fahren.« so der Profi am Steuer. Nächste Woche wird Langholz zum Nasslager gebracht. Die Brücke bleibt zu Hause. Das bringt einen Nutzlastgewinn von 2000 kg. Zurück auf dem Betriebshof wird das Teleskop in Richtung Nachläufer zusammengeschoben. Nach Entriegelung des hinteren Mantelteils kann es bequem aus der Führung nach vorn entnommen werden. Hilfreich sind dabei spezielle Montagehaken. Diese sind so angeordnet, dass die demontierte Brücke im Gleichgewicht am Greifer schwebt.

Gute Wahl

Jan Nagel konstatiert, dass das Gespann ohne Abstriche seinen Erwartungen entspricht. Der gemischte Verbrauch des Zuges liegt bei 60 Liter auf 100 Kilometer. Man macht sich berechtigte Hoffnungen auf eine Verbrauchsreduzierung nach der Einfahrzeit. Die Mischung aus Schüttgut- und Rundholzlogistik bewährt sich nachhaltig. Die Bauwirtschaft verfügt noch über einen dicken Autragsüberhang und hat das Zeug zur Konjunkturlokomotive in der Coronakrise. Die Nachfrage beim Rundholztransport ist lebhaft.

Info

Buschtrommeln werden gehört

Die Firma Doll pflegt enge Kontakte zur Kundschaft. Regelmässig lädt man an den Standorten Oppenau und Mildenau zum »Holzstammtisch« ein. Das Fachpublikum nutzt die Gelegenheit sich über die aktuelle Technik im Holztransport zu informieren und dabei auf gleicher Augenhöhe mit den Konstrukteuren ins Gespräch zu kommen. Auf dieser Ebene wurden schon einige bewährte Neuerungen auf den Weg gebracht. Zu den populärsten Ideenlieferanten gehört Rudolf Maier aus dem Lierbachtal bei Oppenau. »Maier Lierbach« ist im Schwarzwald ein Markenname für Holztrans­port. Aus dem Lierbach kam vor mehr als 10 Jahren der entscheidende Impuls für eine Lenkung, welche den Chauffeur auf kurvenreichen Holzabfuhrwegen von manueller Zusatzlenkung und Rückspiegelgebrauch weitgehend entlastet. Maiers Vision war ein System, bei dem sich die Zusatzlenkung auf kurvigen Holzabfuhrwegen automatisch zuschaltet und den Nachläufer weitgehend in der Spur der Zugmaschine hält. Die Technik heißt Ratioplus. Ein Winkelgeber im Zugmaschinenschemel liefert zusammen mit einem Wegemesssystem an den Lenk­zylindern des Nachläufers die erforderlichen Parameter an die Steuerung der Nachläuferlenkung. Ein Drehgeber an der Nachläuferseilwinde stellt zusätzliche Informationen über den Abstand des Nachläufers zur Zugmaschine bereit. Aus diesen Daten wird der Lenkwinkel der Nachläuferachse errechnet. Im Spur in Spur – Modus (SIS) folgt der Nachläufer nahezu deckungsgleich der Zugmaschinenspur. Sobald der Langholzzug schneller als 35 km/h bewegt wird, gelangt der SIS-Assistent automatisch zur Abschaltung. Auf öffentlichen Straßen ist das sinnvoll, da es durch den stärkeren SIS-Lenkeinschlag zu einer vermeid­baren Gefährdung durch die überstehende Ladung kommt.