»Auf jedem Hof hier im Schwarzwald haben sich die Bauern früher ihren Besen aus Birkenreisig selbst gebunden«, weiß Ludwig Schwarz. »Da gab’s ja keinen Supermarkt und keine Genossenschaft, wo man sich so was hätte kaufen können«, feixt der »Herreholzbur«, »da war auf jedem Hof das Wissen, wie man so was macht.«
Sein gesamtes Leben hat der heutige Altbauer hier am Ende des idyllisch abgelegenen Unterharmersbacher Seiten tals verbracht. »Knopfbur, Schreilebur, Eckbur, Oberbur«– manchmal müsse er selbst überlegen, wie seine weitläufigen Nachbarn »eigentlich richtig heißen«, lacht der heute 82-Jährige sein vergnügtes Lachen, »früher hat man die Bauern nur nach den Hofnamen genannt.« Er selbst, der »Herreholzbur« heißt Schwarz, »weil wir hier oben auf dem Herrenholzhof sind«.
Aus einem Gewirr von Birkenreisig schneidet er sich ein Bündel zurecht und legt es sich aufs Knie. »Das Reisig wird normalerweise im November/ Dezember geschlagen«, erklärt der Mann mit den großen, arbeitsgewohnten Händen. Verarbeiten kann man es dann ab Mai, »wenn es ein bisschen abgetrocknet ist.« So zumindest handhabe man es, wenn man viele Besen herstelle, »aber das mache ich ja nicht, für den Hausgebrach will heut zutage kein Mensch mehr solche Besen«.
Bei Narrenzünften hingegen ist des Herreholzbur Kunst noch immer gefragt, in klein und in groß, naturgemäß vor allem bei närrischen Hexen. Und auch er selbst verwendet seine gebundenen Besen noch auf dem Hof, »das ist ja logisch,« in der Scheune und hinter dem Hof beispielsweise, »aber man braucht nicht mehr so viele wie früher.«
Von der Stube bis zum Stall
Wurde dereinst zum Beispiel in der Scheune das Getreide gedroschen, »dann musste man alleine da schon dreimal am Tag fegen, da brauchte man übers Jahr mehrere dieser Besen.« Allgemein sei mit ihnen alles gefegt worden, erzählt Schwarz, der Holzdielenboden in der Stube genauso wie die Stufen am Hauseingang.
Und wenn ein Besen abgenutzt war, auf gut über die Hälfte seines ursprünglich etwa einen Meter Länge, »dann war er ziemlich stumpf und für die Wohnung zu grob, dann ist er in den Stall gekommen, als Stallbesen, und in die Scheune – bis er dann reif für den Ofen war.«
Das Bündel Birkenreisig auf seinen Knien bindet Schwarz mit Weidenruten, allerdings nur auf den inzwischen stark zurückgegangenen Schauvorführungen wie beispielsweise auf dem Fürstenberger Hof. Da hörte er von Zuschauern dann häufig, dass sie dieses Tun von ihrem Großvater oder Vater kannten.
Außerhalb der Vorführungen bindet der Altbauer die Ruten mit Draht, »weil das schneller geht.« Was er damit meint, wird rasch klar. Denn zunächst muss er die Weidenruten schneiden, und zwar im frühen Frühling, wenn die Bäume im Saft stehen, „dann geht das Schälen wunderbar“.
Schneiden, schälen, entrinden
Dieses Entfernen der Rinde – mit einem selbstgefertigten Rindenschäler – ist der nächste Arbeitsschritt, allerdings nicht um der Optik willen, vielmehr stellt die Rinde ein gefundenes Fressen für Ungeziefer dar. Zwei Tage und eine Nacht dann müssen die geschälten Ruten gewässert und auch während der Verarbeitung feucht gehalten werden, »wenn sie trocken sind, kann man damit nichts anfangen.«
Schwarz holt die geschälten und gewässerten Ruten aus dem Brunnentrog, Kraftarbeit steht jetzt an. Er schlingt sich eine Rute um den Arm und dreht sie so lange, bis sie birst und damit biegsam wird. Nun erst ist eine Rute fürs Binden des Reisigbündels geeignet. Der Herreholzbur stößt ein spitz zulaufendes Werkzeug – eine Ahle – hindurch, fädelt die Weidenrute durch die entstandene Lücke im Reisig, legt sie um das etwa zehn Zentimeter starke Bündel und zieht die Schlaufe mit viel Muskeleinsatz fest.
Schwielen an den Händen bleiben dabei nicht aus, »wenn man einen Hof hat, ist man das gewohnt«. Noch immer hilft der rüstige Senior, der den Hof mit seinen 38 Hektar Wald und Grünfläche bis 2003 im Haupterwerb geführt und dann seinem Sohn übergeben hatte, in dem nun landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb täglich aus.
Nach dem ersten Festziehen der Weiderute führt der Altbauer sie einige weitere Male durch die Schlaufe und schneidet sie ab, fertig ist das Weidenband. Schwarz: »Man kann da jetzt noch zwei zusätzliche Bänder dranmachen.« Während des Trocknungsprozesses ziehen sich die Weidenbänder zusammen, halten daher das Reisigbündel und damit die »Kehrseite« des künftigen Besens bombenfest.
»das mach’ ich nicht«
Damit dieser auch tatsächlich ein solcher wird, schneidet Schwarz das gebundene Reisig am unteren Ende zunächst sauber ab, auf 90 bis 100 Zentimeter Länge. Weiter geht’s mit dem Besenstiel. Schwarz lässt einen Stamm – Esche, Kastanie oder Haselnuss – aus eigenem Wald besitz im Sägewerk in Latten schneiden. Einer solchen Latte verleiht er in seiner hofeigenen Werkstatt dann mit einer Handfräse die erforderliche runde Form.
Vor 32 Jahren brachte sich der »Herreholzbur« die uralte Technik des Besenbindens selbst bei. Obwohl ihm das ursprünglich völlig fern lag, wie er mit herzhaftem Lachen gesteht: »Die Bürgerwehr hat Schuld«. Das war, weil zu Anfang der 1990er Jahre das Unterharmersbacher Freilichtmuseum »Fürstenberger Hof« dem Raub der Flammen zum Opfer fiel.
Mit einem Fest wollte man Geld für den Wiederaufbau erwirtschaften. Jeder Verein war zu einem Beitrag angehalten, und Schwarz gehörte – wie noch immer – der örtlichen Bürgerwehr an. »Unser Hauptmann hat damals gesagt: Du musst Besenbinden«, erinnert er sich, »und ich hab’ gesagt: Das kann ich nicht, das mach’ ich nicht.«
Allein: Sein Veto fruchtete nicht. Wie nun allerdings das weitgehend verschwundene Handwerk lernen? Mithilfe eines Großvaters, der dem heute selbst sechsfachen Opa als Lehrmeister hätte dienen können? Fehlanzeige: »Ich habe keinen meiner Groß väter gekannt.« Und erst recht nicht jenen Uropa, der – aus dem Unterharmersbacher Ortsteil Kirnbach stammend – den rund 500 Jahre alten Herreholzhof anno 1893 kaufte.
Aber auf einem Hof in Entersbach gab es noch einen alten, handgebundenen Besen. »Da hab’ ich geguckt, wie das gemacht wird, zeigen hat mir das keiner können«. Von da an hieß es für den handwerklich Begabten des Abends: Üben, üben, üben. »Man kann alles lernen, wenn man will«, versichert der alte Herreholzbur.
Handwerk
Aufgrund industrieller Serienfertigung aus Kunststoff entwickelte sich das Besenbinden aus Naturmaterialien, das einst zum jahreszeiten-abhängigen Alltag der Bauern gehörte, zunächst zum Haus- und Reisegewerbe. In den Industrieländern ist das traditionelle Handwerk heutzutage fast verschwunden. Vor allem in Asien aber haben sich manche Dorfgemeinschaften auf die manuelle Herstellung von Naturbesen unterschiedlichster Art spezialisiert