Mit Herzblut und Leidenschaft führt Angelika Welle-Männle seit 1989 in der elften Familiengeneration die weit bekannte Bäckerei Ochsenmühle als Chefin. Die früheren Kundenmühle musste 1978 wegen der Vergrößerung der Backstube und des Verkaufraumes weichen. Chefin Angelika ist stolz auf die lange Familientradition der ältesten Bäckerei im Tal und die Verantwortung, das Geschäft in die nächste Generation weiterzuführen, gibt ihr viel Kraft. Übrigens: Die Frauenquote erfüllt sie zu 100 Prozent, denn alle Mitarbeiterinnen in der Bäckerei, der Konditorei, im Laden und im Café sind Frauen. Gemeinsam packen sie an und bewältigen mühelos das Tagesgeschäft.





So muss es sein: An vorderster Stelle steht Chefin Angelika Welle-Männle. Für sie beginnt der Tag normal nachts um 24 Uhr, wenn alles um sie herum schläft. Und am Freitagabend steht sie abends um 20 Uhr oft bis Samstagmittag in der Backstube. Wirklich, Bäckerin zu sein ist kein leichter Job – und wenn dann auch noch die Aufgaben als Meisterin und Chefin hinzukommen, erst recht nicht. Diesen Beruf muss man lieben aus ganzem Herzen.
Und los geht’s. In der Backstube setzt Angelika um Mitternacht, wie alle zehn Generationen vor ihr, den Vorteig mit Sauerteig an. Sie hat sich inzwischen spezialisiert auf Brote aus Urkorn- Mehrkorn-, Weizen und Roggen, Buchweizen und Bier – alle Zutaten stammen aus der Region. Wie gut das duftet – wenn die Brote aus dem Backofen kommen.
300 Jahre alte Hausrezepte
Ein kurzes Päuschen, schnell eine Tasse ihres phantastisch guten Kaffees als Muntermacher und dann geht es mit der Arbeit weiter. Jetzt werden nach den über 300 Jahren alten Hausrezepten die Brezeln, die verschiedenen Weckenspezialitäten vom Batzen über den Spitz wecken, Elsäßer Weckle bis zu den Körnerwecken geformt und gebacken. Ganz zum Schluss entstehen aus ihren flinken Händen Hörnchen Croissant und Gipfel. Und dann ab mit den Teiglingen in den Ofen.
Neben ihr in der Backstube steht die Konditorin Jackie. Gemeinsam fertigen die beiden Frauen mit Geschmack und Gespür Feingebäck, leckere Teilchen mit Plunder, gefüllt mit Obst, Persipan oder Quark, die beliebten Schweinsöhrchen, Apfelecken aus Blätterteig, Mohnschnecken und Streuseltaler aus lockerem Hefeteig. Täglich wechselt sie das Angebot, damit es für die Kunden nicht langweilig wird. Zum Schluss fertigt Jackie das Dauergebäck. Ihre Dauergebäcksorten runden das Sortiment ab.
Feine Gebäcke wie Hilda brötchen, Nougatringe, Ochsenaugen, Mandelhörnchen oder die beliebten Nussecken gibt es in der Ochsenmühle immer noch so noch so, wie die Kunden sie von früher kennen. Hergestellt aus den feinsten Zutaten, mit Liebe und in Handarbeit. Neu im Sortiment ist die Fürstenberg – Praline nach alten Hausrezepten aus Nougat, Pistazzien, Marachino-Marzipan, umhüllt in Vollmilch Kuvertüre, die Jackie kreiert hat. Die Kunden sind begeistert.
Und weiter geht’s. Eine der Verkäuferinnen steht in der Küche und richtet fleißig belegte Brötchen für eilige Kunden zum Mitnehmen für den kleinen Hunger unterwegs, während die Chefin ein neues Blech voll knuspriger, fein duftenden Brezeln in den Laden trägt. Pünktlich wird jeden Morgen um 5.15 Uhr der Laden geöffnet. Mitarbeiter der nahen Firma AAM kommen auf dem Weg zur Arbeit noch schnell vorbei und nehmen sich ein Vesper, mit Wurst – Lachs- oder Käsewecken oder einfach eine Butterbrezel mit. Autofahrer halten mit ihren Geschäftswagen, trinken schnell eine Tasse Kaffee, in die sie genüsslich ein Croissant tunken.
In der Backstube herrscht immer noch Hochbetrieb. Apfel-, Birnen, Zwetschgen- und Streuselkuchen so wie früher zuhause von der Mutter gebacken sind die Spezialitäten der Chefin. Feine Torten, bei denen das Wasser im Munde zusammenläuft, fertigt kunstvoll Jackie, sie sind eine Augenweide für die Kunden.
Ihren größten Wunsch hat Angelika Welle sich 2017 mit einem kleinen, aber feinen Café mit 30 Sitzplätzen im ehemaligen Laden erfüllt, der leer stand, weil alle ihre Lebensmittel heutzutage in den großen Märkten und nicht mehr wie früher in den Bäckereien einkaufen. Doch Kaffee muss man trinken, sonst wird der Tag nix, nur schwarz und grau.
Bernhard Welle ist der Urvater
Der Nordracher Bauernsohn Bernhard Welle ist der Urvater der Familie Welle, der die Tochter Karolina des damaligen Mühlen- und Bäckereibesitzers Kranz heiratete. Sie starb bei der Geburt ihres ersten Kindes. 1775 heiratete er die Schwester Viktoria und wurde Vater von Sohn und Tochter. Die Welle’s waren handwerklich sehr begabt. Einer baute zur Getreidemühle als weiteres Standbein eine Ölmühle, mit der Raps und Walnüsse mit dicken schweren Stempeln ausgepresst wurden. Das Öl wurde im Bäckereiladen verkauft. Berühmt wurde ein weiterer Bernhard Welle. Er baute 1888 in monatelanger Arbeit eine Krippe, bei der die Hirten im Kreis liefen und sich vor dem Jesuskind verneigten.
Über der Krippe flogen die Engel im Kreis. Beide Kreise wurden über das Mühlrad über Transmissionen durch eine Welle angetrieben. Die Kunde von der Krippe, bei der sich die Figuren bewegten, Engel durch die Luft flogen, verbreitete sich im ganzen badischen Land. Die Krippe galt als Wunderwerk. Von überall kamen die Besucher, die die Krippe bestaunten und natürlich auch reichlich die feinen Backwaren kauften.
Gerne denkt Angelika Welle an jene schöne Zeit zurück, als sie noch ein Kind war. Der Urgroßvater und Uroma hatten neun Kinder bekommen, Sie alle halfen im Geschäft mit. Der taubstumme Wilhelm und seine Schwestern Cäcilia und Amalie trieben zusammen mit der damaligen Chefin Cäcilia geb. Schwarz die große Landwirtschaft um, später nach dem Umbau führte sie den Laden. Ihr Mann Albert Welle war Chef und treibende Kraft in der Backstube und in der Mühle. Mit Albert und Cäcilia Welle hat die Ochsenmühle durch richtungsweisende Entscheidungen eine Glanzzeit erlebt.
Täglich immer mit dabei dabei war die Großmutter Anna, die täglich zehn Stunden Backstube stand und nebenher noch den Laden machte. Ihre Geschwister Karl, Johanna und Paula arbeiteten in der Mühle und da, wo gerade Arbeit war. Angelika: „Das hat mir so gefallen, die ganze Familie half mit, wo gerade Mithelfer gebraucht wurden. Das war eine sehr schöne, glückliche Zeit. Meine Schwester Claudia und ich mussten auch mithelfen: Backwaren glasieren mit dem Pinsel, Zuckerringle mit Zucker bestreuen und mit dem Fahrrad das bestellte Brot zu den Kunden fahren. Wenn Claudia abends von der Arbeit heimkam, räumte sie noch die frischen Waren im Laden ein. Auch die Verwandtschaft half mit an hohen Festtagen. Angelika erzählt: In der Weihnachtszeit füllten meine beiden Onkel Sepp (Josef Schwarz und Josef Lehmann) ihre Ruckkörbe bis oben hin mit den Weih nachtsgebilden „Dub und Schneck“. Dann wanderten sie in die Seitentäler zu den Höfen und verkauften sie dort den Bauern.“
Angelika erfüllte sich ihren Berufswunsch und absolvierte in der Bäckerei Selbach in Haslach ihre Lehre. 1975 bestand sie als einzige Frau unter 89 Männern im westfälischen Olpe die Meisterprüfung. Danach arbeitete sie zuhause und war jetzt als Meisterin Kollegin vom Papa. 1989 hat sie dann die Bäckerei übernommen. Angelikas beide Kinder leben auswärts. Jessica ist Konditormeisterin und arbeitet in anderen Betrieben, um Erfahrungen zu sammeln. Johannes hat Biotechnologie studiert und arbeitet in einem renommierten Planungsbüro.
Die „Ochsenmühle“ hat eine lange Geschichte. 1696 wurde sie gegenüber dem 1660 erbauten Fürstenberger Hof erbaut. Obwohl schon lange nicht mehr gemahlen wird, hat sie den Name Ochsenmühle bis heute behalten. In diesem Jahr darf gefeiert werden. Die Ochsenmühle ist 325 Jahre alt. Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Wo und wann? Die Chefin und ihre Mitarbeiterinnen werden sich etwas einfallen lassen.