Mit der Verkehrsfreigabe der L 94 kann am kommenden Dienstag nach zweijähriger Bauzeit der offizielle Abschluss der Sanierung der Ortsdurchfahrt gefeiert werden. Unterharmersbach hat aber weit mehr als eine neue Hauptstraße erhalten. Die Versorgungsleitungen wurden erneuert, zwei Brücken neu gebaut, neun private Wohnhäuser abgebrochen und über 30 Gebäude saniert: Unterharmersbach hat insgesamt ein neues Gesicht erhalten.






Der Beginn der Sanierungsmaßnahmen geht weit über das Datum des ersten Spatenstichs für die L 94 am 7. Juli 2017 zurück. »Begonnen hat die Erneuerung unseres Ortsteils bereits im Jahr 2008 mit der Ausweisung des Sanierungsgebietes Unterharmersbach, das sich ursprünglich vom Ortseingang bis zur Ochsenmühle erstreckt hat«, erinnert sich Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner. Zuvor hatte er sich gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Hans-Martin Moll und Stadtbaumeister Willibald Heizmann ein Bild von der Lage im Ort gemacht. »Am Ortseingang hat es schlimm ausgesehen« war man sich einig. Private Hausbesitzer konnten 25 Prozent Landeszuschuss für die Sanierung ihrer Häuser bekommen. Damit war der Startschuss für große private und öffentliche Investitionen im Ort gefallen.
Aufnahme in den Generalverkehrsplan des Landes
Dank der guten Kontakte zum Regierungspräsidium Freiburg und in den Landtag von Baden-Württemberg konnten die Maßnahmen ausgeweitet werden. Entscheidend war im Jahr 2010 die Aufnahme der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach in den Generalverkehrsplan des Landes Baden-Württemberg. Zehn Gemeinden hatten es damals in den Verkehrswegeplan geschafft, weitere 48 konnten nicht berücksichtigt werden. 1,4 Kilometer Straße sollten saniert werden. Bald wurde der Bereich bis zur Grundschule Unterharmersbach ausgedehnt und schließlich auf die gesamte Strecke von Ortsschild zu Ortsschild. Insgesamt waren es nun 2,2 Kilometer plus weitere 300 Meter als nahtloser Übergang und Anschluss zur Kernstadt Zell am Harmersbach, die in den vergangenen zwei Jahren erneuert wurde.
Mit dem ersten Spatenstich am 7. Juli 2017 fiel der Startschuss für die größte innerörtliche Baumaßnahme im Bereich Landstraßen, die im Jahr 2017 in Baden-Württemberg begonnen wurde. Die Straßendecke wurde erneuert und beidseitig wurden die Gehwege ausgebaut und gepflastert. Zwei weitere große Teilmaßnahmen waren die Erneuerung der »Kaffeebrugg« und der Rössle-Brücke durch das Land Baden-Württemberg.
Durch den gezielten Abbruch von neun Häusern konnten Engstellen beseitigt und die Straßenführung optimiert werden.
Versorgungsleitungen wurden erneuert
Die gesamte Baumaßnahme beinhaltete nicht nur die Erneuerung der Straßendecke, sondern die komplette Erneuerung der über 100 Jahre alten Wasserleitung sowie der örtlichen und überörtlichen Abwasserbeseitigung. Außerdem erfolgte die Verlegung der Stromständer von den Dächern in die Keller der Anwesen, die Ausstattung der gesamten Strecke mit Leerrohren für die Breitbandverkabelung, sowie die Ver-legung neuer Gas- und Telefonleitungen. Teilweise musste mehrere Meter tief ge-graben werden, um alle Versorgungsleitungen erneuern zu können.
»Die vorgesehenen Gesamtkosten von ca. 13 bis 14 Millionen Euro werden nach dem derzeitigen Kenntnisstand eingehalten«, zieht Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner eine positive Bilanz. Die Kosten werden sich die Stadt Zell und das Land Baden-Württemberg teilen. Auch der Abwasserzweckverband Hamersbachtal hat sich an der Erneuerung der Infrastruktur beteiligt. In der Gesamtinvestition sind die Kosten für den Rückbau der Umleitungsstrecken mit eingerechnet. Diese Arbeiten sind noch im Gang und auch noch nicht abgerechnet.
Planungen werden am 10. September vorgestellt
In der Planung ist bereits die Neugestaltung des Rathausplatzes, der wieder ein schöner Mittelpunkt von Unterharmersbach werden soll. Die Entwürfe dafür werden der Bevölkerung in der Ortschaftsratssitzung am 10. September 2019 vorgestellt. Die Sitzung findet in der Schwarzwald-Halle statt. In ihrem Rahmen wird gleichzeitig der neue Ortsvorsteher gewählt.
Als weitere Aufgabe steht darüber hinaus die Gestaltung der kleineren Plätze bevor, die während der Baumaßnahme entstanden sind. Weitere alte Gebäude sollen abgebrochen werden und es sollen neue Wohngebäude entstehen, informiert Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner. Zunächst aber stellt er erleichtert fest: »Jetzt sind wir froh, dass nun alles soweit ist und dass dieses Jahrhundertprojekt so erfolgreich und ohne Unfälle abgewickelt werden konnte.«
Eine schnelle Baustelle: Viele Erfolgsfaktoren haben die Verkürzung der Bauzeit um rund eineinhalb Jahre ermöglicht
Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Nicht anders ist es bei der Sanierung der Ortsdurchfahrt von Unterharmersbach. Die veranschlagte Bauzeit konnte von ursprünglich geplanten dreieinhalb Jahren auf zwei Jahre verkürzt werden. Im Gespräch mit Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner begaben wir uns auf die Suche nach guten Gründen, die diese »schnelle Baustelle« erst ermöglicht haben:
Das Planungsbüro
Schon früh hat sich die Stadt Zell am Hamersbach für das nordbadische Planungsbüro »Wald + Corbe« entschieden. Das Büro war schon in anderen Bauangelegenheiten für die Stadt Zell tätig und verfügte über gute Ortskenntnisse. »Die Planung und die Bauleitung war hervorragend«, wertet der Ortsvorsteher.
Die Baufirmen
Hauptakteur beim Bau der Ortsdurchfahrt war die Baufirma Reif aus Raststatt. Teilweise war das Unternehmen mit bis zu 50 Arbeitern vor Ort, um die »Wanderbaustelle« durch Unterharmersbach voranzutreiben. Gute Arbeit wurde auch von den beiden Brückenbaufirmen Meurer und Rendler bei der Erneuerung der Kaffee-Brücke und Rössle-Brücke geleistet.
Kurze Wege
Durch die Auffüllung eines landwirtschaftlichen Geländes im Bereich Hinterer Hambach war es möglich, dort rund 9.000 Kubikmeter Baugruben-Aushub zu deponieren. Damit konnten rund 1000 LKW-Transporte auf weiter entfernte Erdaushub-Deponien entfallen. Das reduzierte den LKW-Verkehr und vor allem die Arbeitszeit für die Baufirma erheblich. Gleichzeitig wurde mit der Auffüllung der Hochwasserschutz vor Ort verbessert.
Die Umfahrungsstrecken
Obwohl Unterharmersbach ein typisches Straßendorf ist, ein bäuerlich geprägter Ort mit Bauernhöfen links und rechts in den Tälern und einer Durchgangsstraße, konnte durch geschickt eingeplante Umfahrungsstrecken die gesamte Baustrecke bis auf einen kleinen Abschnitt am Ortsende unter Vollsperrung gebaut werden.
Private Grundstücksbesitzer haben ihre Vorgärten zur Verfügung gestellt. Nebengebäude sind verschwunden. So konnte der gesamte Verkehr durch die Wiesenfeldstraße und durch die Sportstättenstraße fließen. Besonders bemerkenswert war sicherlich der Bau einer zweispurigen Fahrstraße durch den Kurgarten.
Die Suche nach Umfahrungsstrecken sei teilweise erst im Zuge der Baumaßnahme erfolgreich gewesen, stellt Ortsvorsteher Wagner fest. Letztlich seien alle Fahrzeuge durch die Baustelle Unterhamersbach gekommen.
Das Technische Hilfswerk
Besonders schwierig – und spektakulär – war der Bau zweier Behelfsbrücken durch das Technische Hilfswerk bei der Wallfahrtskirche und später beim Füstenberger Hof gewesen. Beide Behelfsbrücken mussten quer über den Harmersbach verlegt werden und hatten eine Länge von 29 Meter bzw. 32 Meter. Es waren die längsten Behelfsbrückenbauwerke, die seit dem Elbehochwasser im Jahr 2002 vom THW verlegt wurden.
Das Wetter
Selbst das Wetter machte mit. Im Winter 2018/2019 konnte bis auf eineinhalb Wochen ohne Unterbrechung an der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach gearbeitet werden.
Die Einwohnerschaft
Hervorragende Mitarbeit und teilweise große Zugeständnisse gab es durch die vielen Anwohner und Grundstückseigentümer. »Alle haben die Baustelle mitgetragen und mitgekämpft«, zeigt sich Ortsvorsteher Wagner dankbar.
Hinzu kam, dass eine freundschaftliche Beziehung zwischen Einwohnern und Mitarbeitern der Baufirma entstanden ist, die beide Seite beflügelt haben. Die Mitarbeitern halfen älteren Mitbürgern durch die Baustelle, kümmerten sich auch um kleine und große durch die Bauarbeiten entstandenen Probleme, ermöglichten jederzeit für die Bewohner den Zugang zu Haus und Wohnung. Außerdem trugen die Mitarbeiter der Baufirma den älteren Bewohnern auch oft die Einkaufskörbe usw. über die sich in der Sanierung befindende Straße. Im Gegenzug wurden die Mitarbeiter von den Anwohnern mit Kaffee, Kuchen und anderem verwöhnt. Vor einem Haus stand sogar ein Kühlschrank, der bei größter Hitze von den Anwohnern ständig befüllt wurde und eigens für die Bauarbeiter zur Verfügung stand.
Die Aktion Baustelle Hombe
Mit der Verlosungsaktion »Baustelle Hombe« haben die Geschäfte entlang der Baustelle ihren Kunden den beschwerlichen Weg erleichtert. Insgesamt wurden mehr als 10.000 Stempelkarten ausgefüllt und Preise im Wert von über 6000 Euro an die treuen Kundinnen und Kunden ausgeschüttet. Ortsvorsteher Wagner ist froh, dass alle Geschäfte die für sie schwere Zeit überstanden haben. Nach Fertigstellung der Straße kann sich nun auch das Geschäftsleben in Unterharmersbach wieder normalisieren.
Bauherrschaft durch die Stadt Zell
Die Bauherrschaft lag in Absprache mit dem zuständigen Regierungspräsidium Freiburg bei der Stadt Zell am Harmersbach. Dies machte sich sehr positiv bemerkbar. Durch die guten Ortskenntnisse, das uneingeschränkte Vertrauen der Bürger zum Rathaus und den beteiligten Ämtern und Abteilungen, zu Bürgermeister, Ortsvorsteher, Bauamt und Betriebshof konnten auch außergewöhnliche Schritte und Maßnahmen im Bauablauf schnell auf kurzem Wege und damit unbürokratisch verwirklicht werden. Nicht zuletzt hat die gute Vorbereitung und Koordination der Baustelle vor und während der Baumaßnahme durch die Stadt als Bauherr der Straße die verkürzte Bauzeit ermöglicht. Bürgermeister Günter Pfundstein und Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner haben unzählige Gespräche und Grundstücksverhandlungen mit den Anwohnern geführt. Letztlich wurden mehr als 100 Notarverträge abgeschlossen, um die neu zu vermessenden Grundstücksgrenzen richtig zu erfassen.
»Durch den Bau der L 94 sind die Stadt Zell und der Ortsteil Unterharmerbach noch ein Stück mehr zusammengewachsen«, ist sich Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner sicher.
Ein Freudentag
Zur Verkehrsfreigabe am kommenden Dienstag laden das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg und die Stadt Zell am Harmersbach ein.
Gefeiert wird ab 14.30 Uhr auf dem freien Platz bei der Ochsenmühle. Begrüßt werden die Gäste von Abteilungspräsident Claus Walther vom Regierungspräsidium Freiburg. Ansprachen halten Verkehrsminister Winfried Hermann sowie Bürgermeister Günter Pfundstein. Die Bürgerwehren von Unterharmersbach und Zell werden die Feierstunde umrahmen.
Anschließend lädt die Stadt Zell die gesamte Bevölkerung zum „Verkehrsfreigabe-Vesper“ beim Fürstenberger Hof ein.