Das »Ochsenmühle-Krippele« ist in der mit einzigartigen Kostbarkeiten überreich gefüllten Krippenausstellung im Fürstenberger Hof ein Besuchermagnet. Mit leuchtenden Augen stehen Gäste von überall her staunend vor der beweglichen Krippe, bei der die Engel durch den Himmel fliegen und Hirten und Könige ohne die kleinste Pause zum Jesuskind laufen, dort stehen bleiben und sich verneigen.
Bäcker- und Müllermeister Bernhard Welle von der bereits 1696 in den Grundbüchern erwähnten »Ochsenmühle« gegenüber dem Fürstenberger Hof hat diese ganz besondere Krippe 1888 erbaut. Für die Menschen der damaligen Zeit galt sie als Wunderwerk und viele nahmen weite Wege auf sich, um die Krippe, bei der sich Engel, Hirten, Schäfchen und Könige bewegen, zu bestaunen.
Auch ich bin als kleines Kind mit meinen Eltern und mit meinem Bruder von Zell nach Unterharmersbach zur Ochsenmühle gelaufen und konnte mich an dieser Krippe gar nicht satt sehen. Als kleines Geschenk erhielt ich sogar ein Lebkuchen-Nikoläuschen mit einem farbigen Bildchen vorne drauf. Trotz mancher Gelüste aß ich den Nikolaus aber nicht auf, sondern stellte ihn unter den eigenen Christbaum zuhause.
Schon lange hatte Bernhard Welle geplant, eine Krippe zu bauen, wie es sonst nirgends im Tal eine gab. Doch bis es soweit war, hatte Bernhard Welle manche schlaflose Nacht verbracht. Vermutlich besuchte und studierte er zunächst die astronomische Uhr im Straßburger Münster. Dort sah er, wie sich die Apostel im Kreis drehten und sich vor Jesus verneigten, ebenso wie die Könige vor der Gottesmutter Maria. Daher plante er für seine Krippe nun ebenso einen Kreis, auf dem die Hirten und die Könige standen und unermüdlich wie auf einem Karussell Tag und Nacht an der Krippe mit Maria, Josef und dem Jesuskind vorbeizogen, ehe sie wieder im Wald verschwanden.
Den Antrieb lieferte das Mühlrad im nahen Mühlkanal am Harmersbach über verschiedene Transmissionen bis hin zur Welle, die die Figuren unermüdlich im Kreis drehte. Weihnachten 1888 durfte seine Familie erstmals seine Krippe sehen. Alle waren begeistert und es gab sogar Tränen der Rührung. Schnell sprach sich herum, welch besondere Krippe der Ochsenmüller gebaut hatte. Alle kamen und staunten. Der Bäckerladen hatte bis zum Ende der Weihnachtszeit am 2. Februar (Mariä Lichtmeß) seinen Umsatz verdoppelt.
Dennoch war Bernhard Welle immer noch nicht zufrieden. Er wollte, dass wie im Straßburger Münster sich die Figuren vor dem Jesuskind verneigten. Kurz vor Weihnachten 1890 fiel ihm die Lösung ein. Er sprang mitten in der Nacht aus dem Bett, rief »Jetzt hab ich’s« und eilte zur Krippe und begann auszuprobieren, was ihm nach langen Nächten eingefallen war. Durch zwei Holznägel gesteuert drückte eine Feder die Platte hinunter, auf der die Figur vor dem Jesuskind stand und sich so verneigte. Der Ruf dieser einmaligen Krippe drang immer weiter im ganzen badischen Land. Bereits seit 1889 kreisten drei Engel oben in entgegengesetzter Richtung durch Himmel und Erde.
Mit dem Umbau des Bäckereiladens 1965 bekam die Krippe in der Stube daneben einen neuen Platz. Bäckermeister Albert Welle, Urenkel des Erbauers, entwickelte einen Elektroantrieb mit passender Übersetzung, mit der die Figuren weiterhin ihre Runden drehen konnten. Unter Bäckermeisterin Angelika Welle-Männle kehrte die Krippe wieder zur Freude ihrer Kunden in den Laden zurück, wo sie von allen wie vor 100 Jahren bestaunt wurde. Dann war einige Jahre Pause, weil sich ein König nicht mehr verneigen konnte. Elektromeister Robert Oberföll konnte aber den König reparieren und zum Dank dürfen jetzt in diesem Jahr die Engel, Könige, Hirten und Schafe bei der Krippenausstellung im Fürstenberger Hof ihre Runden drehen. Genauso wie Bäckermeister Albert Welle noch im hohen Alter zu sagen pflegte: »Weihnachten, ohne dass unser Krippele läuft, ist für mich kein Weihnachten.«