Auf der Jubiläumsfeier zum 50-jährigen Wirken der Landfrauen im Bezirk Haslach und damit im Kinzigtal gab es viel Lob, Respekt und auch Heiterkeit.
Mehr als 90 stolze Lenze zählt sie: Zielgerichtet betritt Martha Müller die Bühne und nimmt Platz. Zu ihren Füßen hochkant quergelegt eine ellenlange Holzleiter, vor wer weiß wie langer Bauernzeit von Hand gefertigt. Dazu farbenprächtige Blumen aus dem Bauerngarten – zu Sträußen gefasst, zu bunten Kränzen gebunden.
Und, beispielsweise, eine per Handkurbel zu bewegende Vorrichtung, zwischen deren beiden Walzen dereinst das Wasser aus nicht weniger mühsam von Hand gewaschener Wäsche gepresst wurde. Was für eine Arbeitserleichterung gegenüber dem Auswringen per Hand! Daneben ein Bügeleisen, wie es anno dazumal ebenfalls Gang und gäbe war, vor seinem Einsatz musste das metallschwere Monstrum auf dem Küchenherd erhitzt werden. Der wurde befeuert, von Hand natürlich, mit Holz.
LandFrau Martha Müller nimmt das Mikrofon in die Hand, als sei sie das von jeher gewohnt. Und legt auch gleich los. Vom Landleben von vor 50 und mehr Jahren berichtet sie. Von einer Zeit unter anderem, als es noch keinen Fernseher gab. Mit fester Stimme erzählt die Oberwolfacherin, in humoriger Reimform. Auswendig. Ohne zu Stocken. Fast fünf Minuten und viele vergnügliche Strophen lang – ein bestens gelungener Auftakt der Jubiläumsfeier.
„50 Jahre Landfrauen Bezirk Haslach bedeuten ein halbes Jahrhundert Frauenpower, Gemeinschaft, Engagement für das Leben auf dem Land und eine Bildungsoffensive für den ländlichen Raum“, fasste Karla Wöhrle – Vorstandssprecherin des Landfrauenbezirks Haslach sowie Präsidiumsmitglied des LandFrauenverbandes Südbaden – zusammen, in ihrer Begrüßung von rund 160 Anwesenden.
Diese hatten sich am vergangenen Freitagabend im Unterentersbacher Dorfgemeinschaftshaus eingefunden, um die Gründung des ersten Landfrauenvereins im Kinzigtal zu feiern, dereinst am 28. Februar 1974 in Haslach. Unter den Ehrengästen, darunter zahlreiche Bürgermeister, befanden sich Rosa Karcher, Ehrenpräsidentin der LandFrauen Südbaden, sowie Monika Schnaiter und Hildegard Schwendemann als Ehrenvorsitzende respektive langjährige Vorsitzende des Bezirks Haslach. Auch Vorstände der benachbarten LandFrauenbezirke Achern, Kehl, Lahr und Oberkirch hatten sich eingefunden.
„In der Gründungsurkunde steht als erstes Ziel die fachliche Weiterbildung der Mitglieder“, betonte Karla Wöhrle in ihrer Begrüßungsansprache, „es war also nicht das Ziel, in erster Linie Kuchenbacken oder Bewirtung von Festen zu organisieren, auf das wir in der Öffentlichkeit leider allzu oft reduziert werden.“
Eigenes Standbein aufbauen
„Pädagogische Voraussetzungen für spätere Berufserfolge in der industrialisierten Welt zu schaffen“ und (Land)Frauen mit gezielter Weiterbildung selbstständig und selbstbewusst zu machen – darum ging es den Gründerinnen. „Anfänglich hatten die meisten Frauen noch einen bäuerlichen Betrieb im Hintergrund“, führte Karla Wöhrle aus, „dabei hatte man sich den Problemen der Zeit zu stellen und war durch gezielte Angebote oft der Zeit voraus.“ Schwerpunkte bildeten Exkursionen und Vorträge. Den Landfrauen sei gezeigt worden, wo und wie sie sich ein eigenes Standbein aufbauen konnten, so die Vortragende.
„Auch das Thema Gesundheit war und ist noch immer eine wichtige Aufgabe“, fuhr die Gutacherin fort. Entsprechend vielfältig und attraktiv seien die jeweils individuellen Angebote in den heutzutage elf Ortsvereinen des LandFrauen-Bezirks Haslach (mit insgesamt 840 Mitgliedern), von beispielsweise Nordic Walking und Gymnastik über Kochabende hin zu Vorträgen und Weiterbildungsangeboten zudem in Bereichen wie Agrarpolitik, Hauswirtschaft, Ernährung und vielem mehr.
Fördergelder und – maßnahmen
Als zweites Ziel hatten die damaligen Gründungsfrauen des Haslacher Ortsvereins die Information über Förderungsmaßnahmen festgelegt: Gab und gibt es doch viele Möglichkeiten, durch Fördergelder Neues zu realisieren oder Bestehendes zu optimieren. Doch auch um Fördermaßnahmen für die Bildung im ländlichen Raum ging es. Karla Wöhrle unterstrich: „Nur, wenn man darüber Bescheid weiß, wird man in den Genuss dieser Unterstützungen kommen können.“
Umso wichtiger die Suche nach Fördermöglichkeiten, durch die Betriebe Chancen erhalten, auch neue Betriebszweige einzuführen. „Oft waren es die Frauen, die diese Betriebszweige vorantrieben, wie zum Beispiel Urlaub auf dem Bauernhof oder die Direktvermarktung in Hofläden“, hob die Vorstandssprecherin hervor.
Wunderbare Frauen, einzigartige Vertreterinnen der Region
Irmgard Lehmann (Oberharmersbach), Vizepräsidentin des LandFrauenverbandes Südbaden im Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband BLHV e.V., berichtete von ihrer Teilnahme am großen Landfrauentag in Kiel, gemeinsam mit 5000 LandFrauen aus ganz Deutschland: „Eine schöne Überraschung war die Auszeichnung zur Unternehmerin des Jahres für Melanie Göppert aus unserem Bezirk.“
Da die Präsidentin des LandFrauenverbandes Südbaden, Christiane Wangler, verhindert war, überbrachte die Vizepräsidentin deren Dank für 50 Jahre Engagement und Einsatz für Frauen und Familien im ländlichen Raum sowie ein Grußwort. „Jede Einzelne von Euch ist wichtig“, hieß es darin, an die Vorstandsfrauen der Ortsvereine ebenso adressiert wie an alle anderen Mitglieder: „Jede von Euch ist der LandFrauen-Bezirk Haslach. Ihr stärkt unseren LandFrauenverband Südbaden als einen der insgesamt 22 Landesverbände des Deutschen Landfrauenverbandes.“
Christiane Wangler dankte Irmgard Lehmann und Karla Wöhrle für deren Einsatz auf Verbands- und Bezirksebene, „da ist viel Herzblut für die LandFrauen.“ Stellvertretend für alle, die sich bei den LandFrauen engagieren und einbringen und als Mitglied LandFrauenleben genießen, würdigte die Präsidentin insbesondere drei Persönlichkeiten.
Zum ersten die Ehrenbezirksvorsitzende Monika Schnaiter (Oberharmersbach), unter anderem ausgezeichnet mit der Staatsmedaille in Gold, „dein Zitat ´LandFrauen geben Heimat´ bewahrheitet sich bis heute.“ Zum Zweiten deren Vorgängerin und Ehrenvorsitzende Kriemhild Schmieder, die auch auf Verbandsebene wirkte und der Motor für die Landfrauenmärkte in Haslach war. Zum Dritten „Fernsehstar“ Rita Vitt: Die Prinzbacherin hatte in der ersten Folge der Reihe „Lecker aufs Land“ mitgewirkt – einer Serie, die die LandFrauen-Präsidentin als „inzwischen ein mediales Erfolgskonzept“ bezeichnet.
Vielfältig, kreativ, herzlich
Herzliche Glückwünsche im Namen der Stadt Zell am Harmersbach als Austragungsort der Jubiläumsfeier, mit welcher der Landfrauenverband sein 50-jähriges Bestehen im Kinzigtal feiert, überbrachte Bürgermeister Günter Pfundstein. Zugleich sprach er im Namen der Talgemeinden Biberach, Nordrach und Oberharmersbach.
Den Auftrag des Deutschen LandFrauenverbands (dlv), der mit seinen heutzutage rund 450.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung für Frauen in ländlichen Regionen ist, umschrieb er wie folgt: „Ihr Engagement gilt den berufsständischen Interessen der Bäuerinnen. Es dient der Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Situation von Frauen sowie für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Dass diese Grundsätze aktueller denn je seien, hob das Ortsoberhaupt hervor, wenngleich sich in unserer Gesellschaft schon „eine ganze Menge“ im Vergleich zu vor 50 Jahren geändert habe.
Man nehme nur den Fußball, angesichts der derzeit ausgetragenen Europameisterschaften. 1955 – und damit immerhin sechs Jahre nach der Gründung des dlv – verbot der Deutsche Fußballbund das Fußballspielen mit Damenmannschaften. Da „diese Kampfsportart der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd“ sei, zitierte Günter Pfundstein aus der vom Saal mit amüsiertem Kopfschütteln zur Kenntnis genommenen Begründung, und weil im Kampf um den Ball die weibliche Anmut schwinde und Körper und Seele unweigerlich Schaden erleide und weil das Zurschaustellen des Körpers Schicklichkeit und Anstand verletze. Erst 1970 wurde das Verbot aufgehoben.
LandFrauen-Engagement verbessert Lebensqualität
Wie Günter Pfundstein, lobte auch Unterentersbachs Ortsvorsteher Christian Dumin die LandFrauen im Kinzigtal als „unverzichtbare Stütze unserer Gesellschaft“ – als engagierte Gemeinschaft, „die das Herz und die Seele vieler Dörfer, Städte und Gemeinden aktiv mitgestalten.“ So wie auch die Landfrauen Entersbach, Gastgeber der Jubiläumsfeier, „unermüdlich daran arbeiten, das Leben vor Ort zu bereichern und zu verbessern: Von der Organisation kultureller Veranstaltungen über die Unterstützung lokaler Projekte bis hin zu Bildungsangeboten und gemeinnützigen Aktivitäten – immer seien die Landfrauen zur Stelle, wenn Hilfe gebraucht werde. Dass sie den Gemeinschaftssinn stärken und generationsübergreifende Verbindungen knüpfen, und dies alles mit Kreativität und Herzlichkeit, unterstrich der Ortsvorsteher.
Ulrich Müller wiederum, scheidender Kreisvorsitzender des BLHV-Kreisverbands Wolfach, bekundete seinen tiefen Respekt mit einem eigens verfassten und für viele Lacher sorgenden Gedicht. Unter anderem mit der Zeile: „Wie wichtig sind mir all die Frauen/ verzicht` sogar aufs Fußballschauen“ – ob des während der Feier laufenden EM-Achtelfinalspiels der Deutschen Mannschaft.