Wer im vorderen Harmersbachtal unterwegs ist, erkennt an erhöhter, exponierter Stelle auf halbem Weg zwischen Unterentersbach und Stöcken, oberhalb des »Ladhofes« eine Kapelle. Ihre Entstehung und ihren Namen verdankt die »Friedenskapelle« dem nahenden Ende des Zweiten Weltkrieges.
Bis zum Dezember des Jahres 1944 waren Zell und Unterentersbach von direkten Kriegsereignissen weitgehend verschont geblieben. Dann wurden besonders der »Rüstungsbetrieb« Prototyp und auch die im Herbst von der Wehrmacht angelegten Treibstofflager im »Alten Wald« doch noch Ziele alliierter Bomberverbände.
Am Heiligen Abend 1944 wurde sogar die Entersbacher Papierfabrik angegriffen und bei einem weiteren Luftangriff auf die Schwarzwaldbahn wurde das Ökonomiegebäude des Rebstocks in Stöcken zerstört.
Sprengbomben traf die Entersbacher Gemarkung
Am 2. Februar 1945 erfolgten mehrere Angriffe auf die Treibstofflager und ein Bombenteppich mit 2.500 Brand- und 150 schweren Sprengbomben traf die Entersbacher Gemarkung vom Hammergarten (ehem. Papierfabrik) bis zum Vogelsbühl (hoch im Alten Wald, an der Grenze zu Oberentersbach). Das getroffene Brennstofflager brannte tagelang.
Der Krieg war nun auch hier im Tal angekommen und die Bevölkerung entsprechend verängstigt und auf der Suche nach Schutz, auch vor den immer häufiger werdenden Tieffliegern, welche sogar einzelne Menschen nicht verschonten.
Auch auf dem Land näherte sich der Krieg in ausgreifenden Bewegungen. Die französischen Truppen überschritten am 2. April den Rhein bei Germersheim, besetzten am 4. April Karlsruhe und begannen sich nach Süden wendend, Ort für Ort erobernd, der Ortenau zu nähern. Nach Rastatt (13.4.), Offenburg und Lahr (15.4.) erreichten die Franzosen am 16. April Gengenbach.
Über das Moosgebiet näherten sich die Truppen
Die Front war da – Gengenbach schon besetzt und über das Moosgebiet näherten sich die Truppen Nordrach und dem Harmersbachtal. Vereinzelte Wehrmachts- und Volkssturmverbände versuchten mit sinnlosen Sprengungen von Brücken und verzweifelten Abwehrkämpfen den Vormarsch der französischen Truppen aufzuhalten, brachten dadurch aber nur die einheimische Bevölkerung in größte Gefahr.
Bereits am Vortag, und besonders seit dem Morgen des 19. April beschoss die feindliche Artillerie von Gengenbach her das Zeller und Unterentersbacher Gebiet, wobei etliche Gebäude und auch Menschen zu Schaden kamen, darunter sieben französische Kriegsgefangene, deren Zwangsarbeiterbaracken getroffen wurden.
Vielleicht, weil sich die Zeller Ortskommandatur und auch kleinere Wehrmachts- und Volkssturmtrupps über Unterentersbach, Stöcken und durch den Häslichwald Richtung Haslach/Mühlenbach absetzten, geriet auch der »Ladhof« in Stöcken unter Beschuss. Die Familie Bilharz suchte im Keller Schutz, während der benachbarte »Bergburehof« von Familie Heizmann getroffen und eingeäschert wurde – dabei fanden auch flüchtende Wehrmachtssoldaten den Tod.
Den ganzen Tag verharrte man im Keller, indessen draußen die letzten Kriegshandlungen Tod und Verderben brachten.
Während des stundenlangen Beschusses beteten die verängstigten Bewohner und versprachen, der angerufenen Muttergottes zum Dank eine Kapelle zu bauen, falls man das Unheil überleben sollte.
Gegen 17.30 Uhr übrigens, rückten dann marokkanische Truppen mit Mauleseln von Nordrach, vom Musikpavillon, vom Eckwald kommend in Zell ein und belagerten die Nordracher Straße, die Kirchstraße und den Bereich des ehemaligen Untertores. Die Besatzung war da, der Krieg bei uns im Tal war vorbei – doch dauerte es noch bis zum 7./8. Mai 1945, eben genau heute vor 75 Jahren, bis mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes der 2. Weltkrieg offiziell beendet war.
»Ladebure« erfüllten ihr Gelübde
Dann, 1948, die schlimmsten Nachkriegsjahre waren gerade überstanden, machten sich die »Ladebure« ans Werk, ihr Gelübde zu erfüllen – sicher kein einfaches Unterfangen beim damaligen Mangel an Baumaterialien.
Am 23. September 1949 wurde die Kapelle feierlich eingeweiht. Der ganze Berghang war voller Menschen, welche dem besonderen Ereignis beiwohnten.
An herrlichem Platz, aussichtsreich und weithin sichtbar gibt die »Friedenskapelle« – direkt oberhalb des »Ladhofes« – Zeugnis von Menschen in schwerer Zeit, steht für ihren Wunsch nach Frieden und für ihre Dankbarkeit und ihren Glauben.
Der Name ist Programm und erinnert an die Einlösung eines Gelübdes, ebenso wie auch das viele Jahre lang eingehaltene Versprechen der Ladhofbauern, an jedem Sonntagnachmittag einen Rosenkranz vor der »Friedenskönigin« – einer Marienstatue – in ihrer Kapelle zu beten.
So geben ausgerechnet die Ereignisse des letzten Kriegstages in Unterentersbach am 19. April 1945 Anlass und Grund für dieses »Denkmal« des Friedens und es wäre doch gut und wünschenswert, und ganz sicher auch im Sinne seiner Stifter, wenn dieser noch lange andauern würde.