Der „Frohsinn“ und ein Gastchor haben das Publikum unter dem Motto „Neue musikalische Wege gehen“ begeistert. Das Programm war ein abwechslungsreiches Abbild des Chor-Repertoires.
Den Gesangverein „Frohsinn“ Zell a. H. gibt es seit 1838. Wie oft sind in dieser langen Zeitspanne wohl „neue Wege“ beschritten worden? Betrachtet man allein das Repertoire an Liedern, fällt auf, dass Pop-Melodien, Schlager und Evergreens gegenüber dem traditionellen Liedgut bevorzugt werden. Dafür hat man im Publikum einen hohen Wiedererkennungswert und kann mancher schlichten Melodie mit einem anspruchsvollen Chorsatz oder einem gewitzten Arrangement ein neues musikalisches Gewand verpassen.
Gelungene Premiere an neuer Stelle
Das gelang dem „Frohsinn“ und seinem Gastchor aus Rammersweier unter der Gesamtleitung von Alexandra Lauer am Samstagabend auf das Beste. Zum ersten Mal fand das Konzert im historischen Rundofen statt und nicht mehr im Kulturzentrum. Akustisch durchaus von Vorteil, denn das hohe Gewölbe hebt den Klang empor und lässt ihn sich entfalten. Das Publikum im Foyer und auf den Stockwerken erlebte einen satten Rundum-Sound, wobei das Mitsingen ausdrücklich erwünscht war.
Eine gediegene Ensembleleistung
Zur zeitgemäßen Performance gehört ein bisschen „Schau“ und so strömten die Sängerinnen und Sänger des „Frohsinn“ singend vom Mittelgang des Foyers und von den Seiten auf den Treppenabsatz, wo sie sich vor der Dirigentin und dem Publikum gruppierten. Der Auftakt war gelungen.
Chorleiterin Alexandra Lauer wies mit souveränem Dirigat den Weg durch den stimmungsvollen Liederreigen. „Musik liegt in der Luft“, „Eine kleine Melodie“ und „Musik kennt keine Grenzen“ sind im Laufe der Jahre zu Evergreens geworden, die viele Hörer mitsummen oder – wenn textsicher genug – mitsingen können. Sängerin Hilde Ruff, die charmant und mit einem Mix aus Information und Unterhaltung durch das Programm führte, beflügelte die Interaktion mit dem Publikum.
Die elf Sängerinnen und sieben Sänger des „Frohsinn“ zeigten ihr Können mit viel Energie und Konzentration, am Klavier kongenial begleitet von Inessa Schwidder. Eine gediegene Ensembleleistung, die reichen Beifall erhielt.
Harmonisch erweiterte Hits
Staunen durfte man auch beim Vortrag des Gesangvereins Rammersweier, der mit harmonisch erweiterten Hit-Klassikern für vokalen Wohlklang sorgte – passend zur Botschaft „Liebe ist alles“. Der Stimmeinsatz präzise, die vom Klavier unterstützte dynamische Gestaltung beim Song „Kann es wirklich Liebe sein“ aus dem Musical „König der Löwen“ war beachtlich. Einer der schönsten Songs von Phil Collins (mit deutschem Text „Dir gehört mein Herz“) gefiel durch die von der Dirigentin herausgearbeiteten langen Melodiebögen und die hohen Frauenstimmen beim Refrain.
Der „Frohsinn“ forcierte die Stimmung mit rhythmisch-instrumental gefärbtem Stimmklang bei „Ein Lied zieht hinaus in die Welt“ und seiner feinen Version von „Singe mein Herz“. Mit einem ruhigen, melancholisch angehauchten „Wenn der Sommer kommt“ entließen die Choristen das Publikum in die Pause.
Temperamentvoll und swingend
„Musik ist Trumpf“ – zugleich der Titel der TV-Kultserie mit Peter Frankenfeld aus den 1960er Jahren – eröffnete temperamentvoll den zweiten Teil des Konzertabends. Der „Frohsinn“ agierte in Hochform und zeigte sein Gespür für anspruchsvolles Vokalarrangement und die entsprechende Darbietung beim Spanisch gesungenen „Un poquito cantas“. Mit Abbas grandiosem „Thank you for the music“ breitete der Zeller Gesangverein geradewegs einen Harmonieteppich im Rundofen-Foyer aus. Veredelt von perlenden Pianoläufen.
Die Sängerinnen und Sänger aus Rammersweier hielten das hohe Niveau mit einem interessanten Chorsatz von „Que sera“ (Deutsch gesungen „Was kann schöner sein“) und dem swingenden „Butterfly“ der George Baker Selection. Vom Zeller Publikum verabschiedeten sich die Choristen mit dem gefühlvoll intonierten „Dieses Lied sing ich für Dich“.
Gänsehautmomente
Die Überraschung des Abends und zugleich der Höhepunkt war, als Dirigentin Lauer beide Chöre gemeinsam zum Auftritt bat: „Halleluja, sing ein Lied“, einer der schönsten Siegertitel des „Eurovision Song Contest“, erklang in einer fulminanten Darbietung, geradezu hymnisch aufgeladen. Viele Konzertbesucher stimmten begeistert mit ein oder klatschten im Rhythmus mit. Das wehmütige „Bye-bye, es war so schön“ sorgte noch einmal für Gänsehaut momente.
Nach zwei Zugaben verließen die Sängerinnen und Sänger winkend die Bühne, während sie stimmgewaltig verkündeten: „Singen macht Spaß“. Der Riesenapplaus der Zuhörer im Rundofen sprach für sich.
Marianne Lehmann mit goldener Ehrennadel ausgezeichnet
Im 187. Jahr seines Bestehens wolle der Gesangverein „Frohsinn“ neue Wege gehen, hatte Vorsitzender Falk Polap in seiner Begrüßungsansprache ausgeführt.
Dennoch werde auch die Tradition gewahrt, vor allem wenn es um die Chormitglieder gehe, betonte Polap. Dazu gehört die Ehrung von Jubilaren.
Anno 2024 ist Marianne Lehmann seit 50 Jahren als Sängerin im „Frohsinn“ aktiv. Sie sei ein Paradebeispiel dafür, dass Singen Spaß bereite und da rüber hinaus augenscheinlich jung erhalte, erklärte Thomas Schenk, seit 2019 Präsident des Sängerbundes Kinzigtal.
Schenk würdigte das Engagement von Marianne Lehmann und überreichte eine Urkunde und die goldene Ehrennadel des Deutschen Chorverbands. Zudem erhielt die Jubilarin einen Ausweis, der kostenfreie Konzertbesuche ermöglicht.
Auch „Frohsinn“-Vorstand Polap fand lobende Worte für Marianne Lehmanns jahrzehntelanges Wirken im Gesangsverein. Davon lebe die Chorgemeinschaft, sagte Polap unter dem Beifall der Konzertbesucher.