Atmosphärisch dicht und mit leuchtender Transparenz

Heike Thoma und Dieter Friede konzertierten bei der 6. „Sommermusik“.

Bei einer nächtlichen Kahnfahrt auf dem Vierwaldstättersee anno 1832 hatte der Dichter und Musikkritiker Ludwig Rellstab eine geniale Eingebung: Den Blick auf den Vollmond gerichtet, denkt der Beethoven-Bewunderer an die „Klaviersonate cis-moll, op. 27,2“ und gibt ihr den Namen „Mondscheinsonate“. Der gilt noch heute. – Beim 6. Konzert der „Sommermusik“ in der evangelischen Kirche stand Beethoven zwar nicht auf dem Programm. Unter dem Titel „Klingende Mondscheingärten für Flöte und Klavier“, sorgten Farben der Romantik und Poesie gleichwohl für einen stimmungsvollen musikalischen Abend.

Obwohl die Opern des französischen Komponisten Georges Hüe von Richard Wagners Musikdramen beeinflusst sind, meidet „Fantaisie“ Wagners monumentalromantischen Stil geflissentlich, beginnt vielmehr mit einem fein gewobenen Klangteppich. Behutsam setzte Dieter Friede die Klavierakkorde und Heike Thomas feinfühlig intonierte, facettenreiche Flötenklänge ließen aufhorchen. Das Zusammenspiel der beiden war besonders dann ein Genuss, wenn die Crescendi deutlich zwischen laut und leise vermitteln.

„Mondnacht“ und die Sehnsucht der Romantiker

Zwischen den einzelnen Stücken rezitierte Andrea Friede Texte und Gedichte mit romantischem Duktus, der mit der emotionalen Musik korrespondierte: „Es war als hätt‘ der Himmel/ Die Erde still geküßt/ Dass sie im Blütenschimmer/ Von ihm nun träumen müßt“ heißt es in Joseph Eichendorffs „Mondnacht“, das wie kein anderes Gedicht die Sehnsucht der Romantiker nach der (irdischen) Heimat und dem (jenseitigen) Paradies ausdrückt.

Mit Kirchenmusik begann der Organist William Lloyd Webber in den 1930er Jahren seine Karriere als Komponist, ohne jedoch die Berühmtheit seines ältesten Sohnes Andrew zu erlangen, der bis dato als erfolgreichster Musicalkomponist der Welt gilt („Phantom der Oper“, „Cats“ u. a.).

Die hübsche Melodie von „The Gardens of Eastwell“ von Webber senior vernahm man als anmutige spätsommerliche Impression, die – ein kurzes Intermezzo – direkt zu George Enescos „Cantabile et Presto“ überleitete. Das vorzügliche Stück des wohl bedeutendsten rumänischen Komponisten spielten Heike Thoma und Dieter Friede mit gewohnter Präzision und großem Einfühlungsvermögen.

Die zarten Klänge des luftigen „Cantabile“ schwebten durch den Kirchensaal, während im furiosen „Presto“ die Klangkaskaden perlten. Die starke Präsenz des Zusammenwirkens von Querflöte und Klavier gab der auch von folkloristischen Elementen geprägten Interpretation eine faszinierende Unmittelbarkeit. Mit üppigem Beifall quittierte das Publikum diese Meisterleistung.

Phrasierungskunst und ein bezauberndes Melos

Selbst im unkonventionellen Künstlerleben der Belle Epoque soll er in Paris eine skurrile Erscheinung gewesen sein: Erik Satie, dessen Klavierkompo­sitionen mit ungewöhnlichen Bezeichnungen auf das antike Griechenland anspielten. „Gnossienne 5“ mit seinem weichen, eingängigen Melodieverlauf ließ Pianist Friede dank feinsinniger Phrasierungskunst geradezu aufblühen. Eine spannende Darbietung zwischen Dramatik und Empfindsamkeit.

Beschwingt, leichtgängig und mit klanglich bezauberndem Melos geriet „Mangetsu“ (japanisch für „Vollmond“). Heike Thomas Eigenkomposition fügte sich dramaturgisch perfekt ins Programm, bildete gewissermaßen ein emotionales Zentrum.
Schwebend ruhig bis spielerisch jubilierend zog sich der an romantischer Klangtechnik geschulte Flötenton durch das komplexe Stück. In allen Phasen intonationssicher und differenziert; vom anmutig lyrischen Auftakt bis zum abrupt gesetzten Schlusston, der wie ein Signal wirkte, das den Träumenden in die Alltagsrealität zurückholen will.

Virtuose Presto-Passagen und beglückende Kontraste

George Gershwins All-Time-Klassiker „Summertime“ gibt es in unzähligen Versionen. Der türkischstämmige Klaviervirtuose Fazil Say hat darüber einen großartigen Variationsreigen geschaffen, den Dieter Friede meisterlich ausleuchtete.
Beeindruckend, wie der Pianist zu Beginn behutsam und cantabile zu Werke ging, sein Tastenspiel gelassen-losgelöst, fast meditativ ausbalancierte. Klanglich, rhythmisch steigerte sich das bis zu den virtuosen Presto-Passagen, die Friede transparent und präzise gestaltete. Zum Schluss vernahm man das „Summertime“-Motiv wieder mit ökonomisch sparsam eingesetzten Noten.

Bei Carl Reineckes „Ballade“ entwarf Heike Thoma ein Spiel von Licht und Schatten – mit untrüglichem Instinkt für beglückende und geheimnisvolle Kontraste. Das Finale des Stücks dann fast übermütig inszeniert, wobei die dramatischen Akzente spieltechnisch souverän gesetzt wurden. Triller, rasante Läufe und ein sanfter Ausklang – atmosphärisch dicht und mit leuchtender Transparenz. Das Publikum war begeistert.

Charmante Melodieführung – volksliedhafte Töne

Dezent, in sich ruhend wie die Musik für einen inneren Film entwickelte sich die elegante Melodie von Edward Elgars „Salut d’amour“ (ursprünglich mit deutschem Titel „Liebesgruß“ benannt). Charmante Melodieführung, subtile Harmonie sind ein Spezifikum des englischen Komponisten, dessen Musik heute leider kaum noch gespielt wird.

Die Hörer jedenfalls waren angetan von Dieter Friedes Fähigkeit, bruchlos von einem samtigen Klavierklang zu herberen Schattierungen wechseln zu können. Bei Heike Thomas Flötenspiel gefiel erneut die breitgefächerte Klangcharakteristik. Wohlproportioniert abgetönt war der Gesamtklang. Reicher Beifall erfüllte den Kirchensaal.

Wenig weiß die Musikwelt vom Mailänder Pietro Morlacchi. Er soll die Alpen geliebt haben und das einfache Leben der Schweizer Bergbauern und Hirten. Denen hat der Komponist mit dem imposanten Genrestück „Il pastore svizzere“ ein Denkmal gesetzt.
Dieter Friede begann mit einem melancholischen Klaviermotiv, das Heike Thomas Flöte mit fließenden Arpeggi variierte und in einem fein ausgestalteten Spannungsbogen in eine rührende Moll-Weise überführte. Man konnte sich unmittelbar einen einsamen Hirten auf der Alm vorstellen. Volksliedhafte Klaviermelodien und strahlende Flötentöne bis in höchste Lagen zogen die Hörer in den Bann. Jubel und tosender Applaus, kaum dass der letzte Ton verklungen war.

Die Zugabe „Rosenwalzer“ gehört zum Standardrepertoire des Duos und erklingt immer wieder frisch und beschwingt. Kirchengemeinderat Michael Horst dankte den Akteuren des Abends mit weißen Rosen und verwies abschließend auf das letzte Konzert der diesjährigen „Sommermusik“ am 28. August in Zells evangelischer Kirche.

 

Heike Thoma und Dieter Friede begeisterten die Zuhörer bei der Sommermusik einmal mehr mit großer Virtuosität.