Zeller Kippenjäger sammeln weggeschnippte Zigarettenstummel und bitten Raucher mit der Unterstützung des Bürgermeisters: „Entsorgt Eure Kippen im Restmüll.“



„Zum Kippenjagen gekommen bin ich zusammen mit Nachbarinnen“, erzählt Roswitha Kramer, „weil in der Grabenstraße, in der ich wohne, früher immer so viele Zigarettenstummel rumlagen und wir uns aufgeregt haben, dass keiner was gegen das hochgiftige und außerdem unschöne Zeug macht und die Stadt auch nicht hinterherkommt. Da haben wir gesagt, dann müssen wir selber mal was tun.“
„Wir“ – das waren neben Roswitha Kramer Kornelia Brosamer und Elisabeth Atz, die sich zusammentaten und sich den Namen „Kippenjägerinnen“ gaben. Seither haben sie in drei zweistündigen Sammelaktionen zu dritt oder zu zweit insgesamt rund 20 Liter Kippen gezielt an „Hotspots“ eingesammelt. Zunächst im April im Kernstadtbereich – also insbesondere Kanzleiplatz, Grabenstraße, Hirschturm, Hauptstraße und auf dem Platz um den ehemaligen Mammutbaum.
„Wir haben dabei auch anderen Müll mitgenommen“, doch das Gros bestand aus Kippenresten, in einem separaten Eimer gesammelt, „damit wir sehen, wie viel wir zusammenkriegen.“ In diesem Fall rund neun Liter.
Im Juni nahm sich das Trio dann das Bahnhofsgelände vor, „dabei sind wir auch ins Gleisbett gestiegen“, sowie die Spitalstraße bis zum alten Krankenhaus. Fünf Liter Zigarettenstummel kamen dabei zusammen. Bei einer Wiederholung dieser Aktion waren es circa sechs Liter – nur einen Monat später!
Und auch sonst wird fleißig gesammelt, auf Wanderungen, beim Walken, wann und wo auch immer, „jede von uns hat grundsätzlich eine Tüte dabei.“ Immerhin benötigt ein achtlos weggeschnippter Zigarettenstummel zehn bis 15 oder gar 20 Jahre, bis er verrottet. Denn er besteht aus watteartigem, reißfestem Celluloseacetat – einem schwer abbaubaren Kunststoff.
Aber nicht nur durch dieses Plastikproblem wird die Umwelt enorm belastet, enthält so ein Zigarettenrest doch bis zu 7000 Giftstoffe. Unter anderem Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Formaldehyd und Benzol können daher mit dem Regen in die Kanalisation oder den Boden gelangen. Eine einzige auf den Boden geworfene Kippe kann auf diese Weise 1000 Liter Trinkwasser beziehungsweise 40 bis 200 Liter Grundwasser verunreinigen. Zu den hochgefährlichen Schadstoffen gehört natürlich auch der Grund, warum Zigaretten geraucht werden: das Nikotin selbst – ein Nervengift. „Früher wurde es im Pflanzenschutz gegen Ungeziefer eingesetzt“, erklärt Roswitha Kramer und betont, „das ist aber seit vielen Jahren verboten, weil Nikotin krebserregend ist.“
Bürgermeister ins Boot geholt
Vor diesem Hintergrund sagten sich die 63 jährige gebürtige Zellerin und Industriekauffrau sowie ihre Mitstreiterinnen, zu denen inzwischen auch Brigitte Albrecht und Iris Bruder gehören: „Wenn wir Kippen sammeln, ist das ja schön und gut – dann haben wir der Umwelt was Gutes getan und unser Gewissen beruhigt.“ Damit allerdings erreiche man nicht diejenigen, die ihre Zigarettenreste fallen lassen, statt sie im Müll zu entsorgen.
Also versuchte das Trio, Zells Bürgermeister Günter Pfundstein mit ins Boot zu holen. Was mit der Idee zur städtischen Anschaffung von Taschen-aschenbechern denn auch gelang. Um eine kleine Dose mit Schraubverschluss und Städtle-Logo handelt es sich, und mit der will man Raucher keinesfalls verärgern, sondern sie sensibilisieren. „Zuhause oder auch schon unterwegs können dann die nicht mehr glühenden Zigarettenstummel im Restmüll entsorgt werden“, wirbt das Ortsoberhaupt gemeinsam mit den Kippenjägerinnen für die Nutzung des ebenso hilfreich-praktischen wie „schmucken“ Utensils. Umso mehr, als auf diese Weise verhindert wird, dass Müll oder Wald und Feld in Brand geraten.
„Noch glühende Zigarettenkippen sind die Waldbrandgefahr Nummer eins“, mahnen Zells Kippenjägerinnen. Und ein weiterer Grund spricht für den Taschenaschenbecher: die Gefahr, die von Zigarettenstummeln für Kleinkinder ausgeht, „wenn die zum Beispiel beim Buddeln im Sandkasten oder auch am Strand so ein Ding finden und es sich in den Mund stecken …“
Rege Resonanz
Rund 80 der besagten kleinen Dosen haben die Kippenjägerinnen am vergangenen Samstag kostenlos an Interessenten abgegeben – an Besucher ihres Standes, mit dem sie am vergangenen Samstag auf dem Städtlemarkt über die extreme Schädlichkeit nicht ordnungsgemäß entsorgter Zigarettenstummel (weltweit sind es jährlich Billionen) informierten. Und zwar auf den Vorschlag der Stadt hin, im Rahmen der 11. Nachhaltigkeitstage Baden-Württembergs.
„Wir waren gut umlagert“, resümieren die engagierten Frauen, „viele waren völlig erstaunt, was so ´ne Zigarettenkippe anrichten kann, manchen sind sogar fast die Gesichtszüge entgleist.“ Und sie unterstreichen, dass sie die Taschenaschenbecher – die Raucher im Übrigen kostenlos im Bürgerbüro des Rathauses erhalten können – auch innerhalb der eigenen Familie verteilen, ebenso wie an Freunde und Bekannte.
Und sie verteilen noch etwas, die Kippenjägerinnen: Steine. Und zwar an Passanten an „Hotspots“ im Zeller Städtle. Die Steine dienen als Alternative zum Plakatieren, denn „das dürfen wir nicht, schon gar nicht im Altstadtbereich.“ Selbst bemalt und mit Kippenbotschaften versehen sind diese Steine in der Hoffnung, der Problematik verstärkt Gehör zu verschaffen.
Recycling-Möglichkeit
Bewirkt hat das Tun der Gruppe auch, dass die Stadt am Bahnhof zwei Aschenbecher hat montieren lassen, „da passen nur Kippen rein, kein sonstiger Müll.“ Denn die Truppe um Roswitha Kramer liebäugelt mit dem Recyceln von Zigarettenstummeln.
Eine solche Möglichkeit böte ein Kölner Verein. Bei dem können Vereine oder Kommunen eine Mitgliedschaft erwerben, mit der sie Zugang zu einem Sammel- und Abholsystem haben – für Kippen allerdings, die nicht schmutzig und nicht nass geworden sein dürfen, „direkt nach dem Rauchen also in einem Aschenbecher oder Kippensammler landen.“ Das Plastik, aus dem die Kippen bestehen, wird von Partnern des Vereins beispielsweise zu Taschenaschenbechern verarbeitet, zu Latten für Sitzbänke oder zu Dielenplanken.
Zu guter Letzt weisen die Kippenjägerinnen darauf hin, dass es der Bußgeldkatalog in Baden-Württemberg hergäbe, „Bußgelder fürs Kippenwegschmeißen zu verlangen.“ Dafür allerdings haben sie Bürgermeister Pfundstein nicht gewinnen können.