Der Solinger Solist Tom Daun gestaltete die „Sommermusik“.
Ein wahrer Meister seines Instruments, der alten irischen Harfe, öffnete Tom Daun beim Konzert in der evangelischen Kirche die Schatztruhe mit keltischen Preziosen des legendären Harfenvirtuosen Turlough O’Carolan. Zahlreiche Musikfreunde waren am Mittwochabend gekommen, um die musikalische Spurensuche zu erleben.
Ob deutsche Minnesänger, französische Troubadoure oder anglo-keltische Barden – sie zogen von Hof zu Hof, musizierten und sangen für Fürsten und Könige. Die musikalischen Traditionen lebten fort und werden bis heute gepflegt. Tom Daun spielt die schottisch-irische Harfe (gälisch ‚clarsach‘), wie sie bereits im 15. Jahrhundert gebaut wurde.
Vielleicht ist die Beziehung zu diesem kostbaren Instrument der Grund dafür, dass es Tom Daun gelingt, mit seiner historisch-informierten und feinsinnig virtuosen Spielweise die Zuhörer zu faszinieren. „Keltische Melodien“ aus dem 14. Jahrhundert lieferten ein beredtes Beispiel, zumal der Solist dazu Passagen aus einem Gedicht des irischen Dichters Gofraidh Fionn O‘ Dalaigh rezitierte: „O Harfe von Cnoc I Chosgair …/ Süß und zärtlich ist dein Ton,/ Wohlklingend, frisch, tiefgründig …“.
Es sind die betörend schönen Melodien, die den Reiz dieser Harfenmusik bewirken, über Jahrhunderte tradiert und von genialen Komponisten immer wieder ergänzt und variiert, sodass heute niemand mehr weiß, wer der originäre Schöpfer von „Blind Mary/Banish Misfortune“ ist, denn dessen Mittelteil weist dieselben Harmonien auf wie der Refrain von „Greensleeves“, einem Folk-Song, von dem es weltweit unzählige Versionen gibt.
Perlende Tongirlanden
Das Konzertprogramm „O’ Carolan’s Dream“ bezieht sich auf den irischen Nationalkomponisten Turlough O’Carolan, der von 1670 bis 1713 lebte und im Alter von 18 Jahren erblindete. Eine Gönnerin finanzierte ihm eine Ausbildung zum Harfenspieler, sodass er sich seinen Lebensunterhalt als Musiker in Adelshäusern und Bürgersalons verdienen konnte. O’Carolan gilt als Erfinder der „Planxtys“, Dankeslieder, die er seinen Gönnern widmete – oft mit deren Namen versehen, wo- mit er sie verewigte: „Captain Kane/Planxty Kelly“ oder „Eleonor Plunkett“.
Gerne kombiniert Tom Daun zwei oder drei Titel im fließenden Durchgang und erzeugt damit einen Spannungsbogen, indem er melancholische Melodien und rhythmisch betonte Tanzweisen kontrastiert.
Ein ähnlich medley-artig gestaltetes Glanzstück erklang mit „Shebeg Shemor/Dunkeld Bridge/Peat Fire“, das von perlenden Tongirlanden geradezu oszilliert. Lebhafter Applaus und eine traumhaft-meditative Stimmung in der Kirche, die sich einstellte, beseelt von den Mythen und Legenden, die sich um die keltische Musik und ihre Schöpfer ranken. So heißt es etwa, Elfen und Feen, die auf den Bergen Shebeg und Shemor wohnen, hätten O’Carolan die Melodie im Schlaf eingeflößt.
Aufblühende Arpeggien
„Niel Gow’s Lament“ verdankt seine Entstehung weder einem Traum noch einem Märchen, sondern den Folgen eines Schicksalschlags. Niel Gow war im 18. Jahrhundert der populärste Fiddler Schottlands und Oberhaupt einer musikalischen Familie, aus der – vergleichbar mit Bach – etliche Musiker und Komponisten hervorgingen. Der plötzliche Tod seiner Ehefrau stürzte Niel Gow in eine lange Schaffenskrise, aus der er sich erst mit seinem „Klagelied“ befreien konnte. Tom Daun spielte „Niel Gow’s Lament“ mit großem Einfühlungsvermögen.
Feingliedrig aufblühende Arpeggien und wisperndes Tremolieren ließen dann „O’Carolan’s Concerto“ aufleuchten. Spielfreudige Manier entstand hier auch durch den besonderen Eigenklang der Carsach. So ergeben sich wunderbar gestaltete Einblicke in den magischen Kosmos keltischer Musik und ihrer meisterhaften Komponisten. Die Hörer honorierten Tom Dauns Vortrag mit reichem Beifall.