Bürgermeister Günter Pfundstein weist die geäußerten Vorwürfe zurück.
Am Montag wurde mit den Bauarbeiten für die Neugestaltung der Anlage entlang der Kapellenstraße vor der Wallfahrtskirche begonnen. In einem öffentlichen Brief, den wir in unserer Montagsausgabe veröffentlicht haben, hat Petra Kühnpast, Inhaberin von Rund ums Leben – Kopf, auf dem Maßnahme reagiert und dabei Kritik an der Vorgehensweise der Stadtverwaltung geübt.
Ebenfalls öffentlich nimmt nun Bürgermeister Günter Pfundstein Stellung zu den geäußerten Vorwürfen:
„Die gewählten Vertreter der Stadt müssen sich in dieser Frage nichts vorwerfen lassen. Keinesfalls will ich mit dieser Stellungnahme zum offenen Brief eine Grundsatzdiskussion im Einzelhandel anstoßen, wenngleich wir für Gespräche immer offen sind. Das setzt allerdings voraus, dass man sich bei Gesprächsbedarf auch gerne aktiv melden darf.
Mir ist keine Stadt in unserer Größenordnung bekannt, die beispielsweise keine Sondernutzungsgebühren dafür erhebt, dass der öffentliche Raum für Sitzgelegenheiten oder zum Präsentieren der eigenen Waren in Anspruch genommen werden kann. Wir verlangen für das Parken in der Innenstadt keine Parkgebühren. So könnte ich noch viele Punkte ansprechen, für die die Stadt Zell am Harmersbach jedes Jahr ein großes Budget zur Verfügung stellt. Scheinbar wird vieles wie selbstverständlich vorausgesetzt.
Ich bin nicht nur deshalb überrascht und gleichzeitig enttäuscht über diesen offenen Brief. Gemeinsam (Gemeinderat, Einzelhandel, Stadtverwaltung) haben wir 2016 mit der IHK-Standortampel eine Bestandsaufnahme unseres Einzelhandels in die Wege geleitet und mit einer Vereinbarung gegenseitig Maßnahmen ergriffen, um Zell am Harmersbach als Einkaufsstadt zu stärken und für die Zukunft fit zu machen. Vieles davon wurde umgesetzt, manches lässt sich durchaus noch verbessern.
Der vorliegende offene Brief ist in sich widersprüchlich und wenig überzeugend vorgetragen.
Die Schuld für nicht zufriedenstellende Umsatzzahlen wird im Rathaus verortet. Das ist objektiv betrachtet zu einfach. Seit Jahren ändert sich das Kundenverhalten. Die zunehmenden Online-Bestellungen und die stark rückläufigen Kirchenbesucher sind im konkreten Fall wohl eher die Ursache für mögliche Umsatzrückgänge. Als unsere Wallfahrtskirche vor Jahren und Jahrzehnten regelmäßig großen Zulauf hatte, war das Geschäft in der Kapellenstraße fast ein „Selbstläufer“.
Einerseits wird im offenen Brief kritisiert, dass die Grünanlage schon längst hätte wieder hergestellt werden sollen. Andererseits wird bemängelt, dass bei einer Baumaßnahme Verkehrsbehinderungen entstünden, die dem Umsatz nicht zuträglich sind. „Das hätte man doch in 2019 noch schnell mal miterledigen können“. Solche Äußerungen zeugen von wenig Kenntnis über Abläufe, die im Zusammenhang mit solchen Baumaßnahmen einhergehen. Das Sanierungsgebiet L94 wird im Oktober 2023 vom Land nicht mehr verlängert. Wir haben uns im Gemeinderat Ende 2022 darauf verständigt, dass deshalb die Herstellung der Grünanlage bei der Wallfahrtskirche als abschließende Maßnahme noch durchgeführt werden soll, um diese noch gefördert zu bekommen. Die Grundstücksverhandlungen befinden sich im Bereich der Kirche und des Klosters auf der Zielgeraden. Große Teile der Kapellenstraße und auch der Kirchenvorplatz sind kirchliches Gelände und können von der Stadt nicht einfach „mal schnell“ umgestaltet werden. Darüber wurde bereits mehrfach informiert. Auch die anstehenden Baumaßnahmen haben wir seit Monaten angekündigt und waren Thema in mehreren öffentlichen Sitzungen. Die Presse hat seit Monaten stets darüber berichtet. Es hätte somit die Möglichkeit bestanden, sich entsprechend zu informieren. Ein Anruf im Stadtbauamt hätte genügt, um bei Bedarf weitere Informationen einzuholen.
Jetzt von „Wochen der Isolation“ zu sprechen ist schlichtweg falsch. Die bauausführende Firma hat nach der Auftragserteilung der Stadt die Inhaberin des Geschäftes über den detaillierten Bauablauf informiert. Die Baustelleneinrichtung wurde ganz bewusst nicht vor dem Kirchenfeiertag am 15. August eingeplant. Das Geschäft bleibt während der Baumaßnahme jederzeit erreichbar. Der Verkehr wird halbseitig ohne Ampel geregelt.
Von „erneuter“ Isolation kann deshalb keine Rede sein. Im Zuge der Sanierung der L94 wurde der gesamte Verkehr temporär über die Kapellenstraße und damit direkt neben dem Geschäft „Rund ums Leben – Kopf“ auf einer Umleitungsstrecke vorbei geführt. Das Geschäft hatte damit sogar die Chance, von diesem erhöhten Durchgangsverkehr zu profitieren.
Während der Herstellung der Umleitungsstrecke hatten wir übrigens in der ehemaligen Metzgerei Meier in der Hauptstraße dem Geschäft „Rund ums Leben – Kopf“ mietfrei ein Pop-Up-Store ermöglicht. Das inhabergeführte Geschäft wurde durch die Stadt (und damit von uns allen) erheblich unterstützt. Mitbewerber in der Kernstadt, die das hätten in Frage stellen können, haben sich damals solidarisiert. Das scheint man in der Kapellenstraße 8 schon wieder vergessen zu haben.
Das Marketing für ein in der 1b-Lage gelegenes Geschäft kann nicht Aufgabe einer Stadtverwaltung sein. Dafür ist der Einzelhandel stets selbst verantwortlich. Die Stadt hat mit vielen Entscheidungen in den letzten Jahren erhebliche Mittel in die Infrastruktur investiert. Diese Rahmenbedingungen sind beispielgebend, was uns viele Auswärtige auch tagtäglich bescheinigen. Der überall festzustellende Umsatzrückgang und das geänderte Kaufverhalten ist sicherlich nicht auf irgendwelche Baumaßnahmen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität zurückzuführen.
Wir – damit meine ich auch alle Entscheidungsträger im Gemeinderat – dürfen gespannt sein, ob weitere Verbesserungen (Straße, Gehweg) im Bereich der Wallfahrtskirche überhaupt noch erwünscht sind und deshalb durchgeführt werden sollten. Wir werden darüber in den anstehenden Haushaltsberatungen sprechen müssen. Jahrzehntelang hat die Verkehrssituation im Bereich der Wallfahrtskirche übrigens niemanden gestört. Auch nicht die gefährliche Stelle im Kurvenbereich direkt neben dem Geschäft „Rund ums Leben – Kopf“. Der Mensch gewöhnt sich eben schnell an Verbesserungen und betrachtet vieles als selbstverständlich.
Nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte. Das geht aber nur gemeinsam und schon gar nicht mit einem offenen Brief, ohne wirkliche Lösungsansätze vorzuschlagen. Der Einzelhandel hat sich im Handels- und Gewerbeverein organisiert. Dort besteht jederzeit die Möglichkeit, die Kräfte weiter zu bündeln und für einen noch besseren Auftritt – auch überregional – zu begeistern. Vieles wurde auch mit der Unterstützung der Stadt schon auf den Weg gebracht.
Ein sehr aktuelles Beispiel erfolgreicher Arbeit des HGV ist die Einführung des „Jobkärtle“. Viele andere Beispiele könnten an dieser Stelle aufgezählt werden. Der HGV freut sich bestimmt auf engagierte und ideenreiche Einzelhändler, die sich in Zukunft verstärkt einbringen wollen.
Wer sich konstruktive Gespräche wünscht, sollte regelmäßig an den gemeinsamen Sitzungen mit dem HGV teilnehmen. Dort ist unser Stadtmarketing stets mit dabei.“