Holger Mantey gestaltete die 3. „Sommermusik“.
Äußerlich eher unscheinbar und bescheiden ist Holger Mantey am Klavier ein Tausendsassa, seine Leidenschaft für das Instrument elektrisierend. Das Programm, das Klassik, Jazz und Pop mit Eigenkompositionen verbindet und das der Künstler während des Abends mit wortgewandten Reimen im Comedy-Zungenschlag kommentierte, fand in der evangelischen Kirche großen Anklang.
Nachdem Kirchenältester Michael Horst die zahlreich erschienenen Konzertgäste begrüßt hatte, überraschte der Star des Abends mit einer feurigen Tirade über Gott und die Welt und nicht zuletzt über die Kunst an den „weißen und schwarzen Tasten“. Das demonstrierte der Pianist sogleich mit dem Vortrag einiger Kabinettstücke, deren dynamische Akkordfolgen und rasante Läufe, perlende Triller und rasch wechselnde Tempi die Hörer unvermittelt in den Bann schlugen.
Ein souveräner Entertainer
Holger Mantey pflegt einen hemmungslosen Umgang mit seinem Instrument, lotet dessen Klang bis ins Kleinste aus. Im Spiel beugt er sich dicht über die Tastatur des Klaviers oder lehnt sich zurück, als müsse er den Tasten „ihren Sound abringen“. Am Mittwochabend verwendete er dazu ein breites „Akkordbrett“, traktierte damit die Tastatur, sodass man glaubte, Paganinis „Caprice“ erklinge für Klavier zu vier oder gar sechs Händen. Damit könne er auch den „Musikantenstadl rocken“, sagte der Solist trocken und hatte im Nu die Lacher auf seiner Seite.
Als souveräner Entertainer weiß Mantey sein Publikum zu nehmen, geißelt in seinen Wortkaskaden Besserwisserei und Doppelmoral und die allgegenwärtige Beschwörung des Weltuntergangs. Und doch bricht er das Ganze durch subtile Ironie humorvoll auf oder verliert sich gezielt im Absurden: „Ich denke gar nicht -, habe ich mir gedacht“. Damit spielte der Musiker auf sein zwiespältiges Verhältnis zur Meditation als Modeerscheinung an.
Die meditativen Klavierstücke gestaltete Mantey gefühlvoll und klangtechnisch makellos. „Sehnsuchtsvolles Verlangen“ und „Golden Dream“ waren instrumentale Preziosen, vielschichtige Eigenkompositionen, wie auch das während der Corona-Pause entstandene melancholische „März-Musik“.
Klangmagier mit Percussion
Als Klangmagier entpuppt sich der Musiker, wenn er während des Klavierspiels virtuos mit diversem Schlagwerk hantiert: Becken, Gong oder Klangschalen aus Stahlblech – mit einer Hand getrommelt, während die andere in die Tasten greift (oder beidhändig als „Percussion-Intermezzo“). Sogar eine Melodica spielt Mantey gleichzeitig zur Klavierbegleitung, indem er in einen Schlauch bläst, der mit dem Instrument verbunden ist. Wunderschön erklang an diesem Abend die Melodie von „What a wonderful world“, vor genau 55 Jahren ein Riesenhit für Louis Armstrong. Reicher Beifall im Kirchensaal.
Aufhorchen und zustimmendes Nicken im Publikum, als das markante Intro von Dave Brubecks „Take Five“ erklang, ein Klassiker des Cool Jazz. Das Klavier sanft klingend, dann wild, beim rhythmischen Bearbeiten der Ränder der Tastatur links dunkel grollend oder rechts glockenhell flirrend. Für Jazz-Fans ein faszinierendes Hörerlebnis.
Mit enormer Gestaltungskraft
Bachs „Präludium C-Dur“ aus dem „Wohltemperierten Klavier“ sei eigentlich ganz einfach, scherzte Mantey, während er behutsam, fast zögerlich in die Tasten griff, dann die Melodie variierte, stilistisch ergänzte, mit den Farben spielte und nach und nach Spannung aufbaute, dynamisch, expressiv.
„Prélude cis-moll, op.25“ von Fréderic Chopin intonierte der Pianist mit federndem Anschlag, zerpflückte und verwandelte die Melodie, galoppierte förmlich die Skalen rauf und runter, mischte Boogie-Elemente oder einen pulsierenden Walking Bass dazu und kreierte einen unwiderstehlichen Klangzauber. Das Publikum applaudierte begeistert.
Besonders überzeugte Manteys Gestaltungskraft und sein Gespür dafür, den Kern der jeweiligen Klangwelt auszuleuchten beim barocken Pachelbel-Kanon (im Pop-Radio als „Bittersweet Symphony“ ein Dauerbrenner) und Eric Claptons berührender Ballade „Tears in heaven“, ursprünglich ein Song mit Gitarren. Holger Mantey formte aus den Harmonien ein eigenes Stück und hob vor allem das Ruhige, Zarte, Feine und Empfindsame hervor: Von all dem ging eine wunderbare Wirkung aus.
Die Tonart Fis-Moll zeigte ihre Schönheit bei „Hokusai“, das der Pianist einmal mehr durch den gleichzeitigen Einsatz der Klangschale bereicherte. Welch ein Talent, welch eine Fähigkeit, die Menschen durch Musik mitzureißen. Reicher Beifall und „Bravo“-Rufe erfüllten den Kirchensaal. Der Künstler verabschiedete sich mit einer Zugabe.