Die Stadt räumt im Keramik-Lager auf und verkauft Stücke, die sie doppelt hat, am Zeller Maifest am 21. Mai im Rundofen. Vom Erlös soll Keramik gekauft werden, die die Sammlung besser ergänzt.
Die Zeller Keramischen Fabriken haben über mehr als zwei Jahrhunderte die Stadt und ihr Umfeld geprägt. Auch heute noch werden in der Zeller Keramik GmbH und Co KG die alten Formen und Dekore wie »Hahn und Henne«, »Favorite« und viele andere produziert.
Im Keller des im letzten Jahr neugestalteten Rundofens erhält der Besucher in zehn Vitrinen und Schautafeln einen Überblick über die Produktion von den frühen Anfängen der Hafnerei, über das mehr als zwei Jahrhunderte produzierte Steingut und die hundertjährige Geschichte des Zeller Porzellans. Weitere Kostbarkeiten sind im Heimatmuseum im Storchenturm zu sehen. Die ausgestellten Stücke stellen allerdings nur einen Teil der Keramiksammlung der Stadt Zell dar.
Zehntausende kleine Schätze
Die Stadt Zell besitzt gegenwärtig über zehntausend Inventarstücke unterschiedlichster Qualität, die in den 1980er Jahren aus der Insolvenzmasse der Firma erworben und durch zahlreiche Schenkungen erweitert wurden. Damit hat die Stadt Zell hier einen Schatz, der aber nach den langen Jahren in einer provisorischen Lagerung in Keller- und Dachgeschossräumen etwas angestaubt ist.
Spiegel der Zeit
Aus den Zeller keramischen Fabriken sind über 6.000 Formnummern und über 2.500 Dekore allein für Steingut sowie mehrere Tausend Porzellandekore bekannt. Eine solche Sammlung zeigt unter anderem die Vielfalt der Produktion, die Entwicklung der Technik, die Moden der jeweiligen Zeit, die Eigenheiten der Künstler und Künstlerinnen oder den sich wandelnden Geschmack der Kunden; kurzum sie sind ein Spiegel der Gesellschaft über die letzten zwei Jahrhunderte.
Vielfalt erleben
Die Freunde des Rundofens und die Freunde des Heimatmuseums im Storchenturm haben sich der Aufgabe angenommen, diesen Grundstock aufzuarbeiten, zu ordnen, zu ergänzen und in geeigneter Weise immer wieder zu präsentieren. Bisher wurden bereits die Fotos der Sammlung digitalisiert und elektronisch verfügbar gemacht, was nicht zuletzt für eine geeignete Auswahl für jede Präsentation notwendig ist. Die erfolgreiche Sonderausstellung im letzten Herbst im Rundofen mit dem dazugehörigen Begleitheft hat der Zeller Bevölkerung und ihren Gästen tiefere Einblicke in zwölf Themen gegeben. Nachdem diese Ausstellung zu Ende war, wurden im Foyer des Heimatmuseums im Storchenturm jetzt in drei neuen Vitrinen besondere Stücke, der Dekor »Hahn und Henne« und eigenwillige Kreationen aus den 1950er Jahren der langjährigen Designerin Anneliese Beckh ausgestellt. Ein Besuch des Heimatmuseums im Storchenturm, nicht nur wegen der Keramik, lohnt allemal. Mit der vollständigen Digitalisierung werden auch Ausleihungen an Museen und für Ausstellungen außerhalb von Zell leichter möglich, was wiederum eine Werbung für die Zeller Keramik darstellt.
Bücher voller Dekore
Im Archiv der Stadt Zell lagern 14 Bücher mit Porzellandekoren aus der Zeit von Carl Schaaf bis zu Georg Schmider, die jetzt aufwendig digitalisiert wurden.
Unter diesen Bänden befindet sich auch einer mit Dekoren für das gröbere und nahezu unzerstörbare Wirtshausporzellan. In ihm finden wir Dekore für Speisegeschirr, die zeigen, dass dieses Geschirr auch in die benachbarten Länder bis weit in den Balkan geliefert wurde.
Untersetzer für das Bier
In der Sammlung befinden sich auch sogenannte »Kügeleschälchen«, die als Bierglasuntersetzer Verwendung fanden. Sie warben für heute noch vorhandene oder längst vom Markt verschwundene Biere und besitzen sechs tropfenförmige Vertiefungen.
Die Bedienung legte dem Gast für jedes bestellte Bier ein neues Kügelchen in diese Einbuchtungen. Offensichtlich waren für die Vereinigten Zeller keramischen Fabriken diese Bierglasuntersetzer so bedeutend, dass sie als Deutsches Reichsgebrauchsmuster mit der Nummer 966 469 angemeldet worden waren.
Stadt räumt durch
Um die Qualität der Sammlung zu verbessern, ist es erforderlich die übergroße Anzahl der Geschirrstücke zu reduzieren. Das geschieht dadurch, dass zum einen stark beschädigte Stücke ausgesondert werden, wenn sie nicht als bedeutende Unikate restauriert werden sollen. Zum anderen gibt es viele Dubletten, von denen die Stadt sich trennen kann. Auch die nicht aus Zell stammenden Stücke sollen der Sammlung entnommen werden.
Tauschen und Verkaufen
Tausch und Verkauf stellen Möglichkeiten zur Reduzierung dar. Dazu werden zum Zeller Maifest am 21. Mai im Rundofen erstmals die ausgesonderten Stücke Interessenten angeboten werden, was bei positiver Resonanz auch zukünftig in regelmäßigen Abständen geschehen soll. Die aus dem Verkauf eingenommenen Gelder werden dann für die Ergänzung der Sammlung mit besonders interessanten Stücken verwendet.
Historischer Zahlteller gestiftet
Zur Ergänzung ihrer Sammlung wurde der Stadt Zell vor kurzem ein historischer Zahlteller gestiftet, der einen tiefen Einblick in die gesellschaftliche Verfassung der damaligen Zeit gibt.
Die ganze Physiognomie des dargestellten Mannes, seine besitzergreifende Umarmung der Münzen, sowie die Bildunterschrift »Stilles Glück« transportieren Vorurteile des unbekannten Entwerfers oder der Entwerferin zu dieser Zeit. Die Formnummer 2082 deutet auf ein Design um 1910 hin. In einem Formenbuch, das wenige Jahre später die Produkte der Fabrik (oft mit Fotos) darstellt, wird die Plastik handschriftlich als »Jude« bezeichnet, was in späteren Jahren durchgestrichen und durch »Schale« ersetzt wurde. An dieser Keramik wird deutlich, dass die von den Nationalsozialisten propagierte Ideologie schon Jahrzehnte vorher so verbreitet war, dass man in der Zeller Fabrik offensichtlich glaubte, ein solches Machwerk auch in hinreichender Zahl verkaufen zu können.
Für die weitere Aufarbeitung der Sammlung werden noch helfende Hände und weiter Vorschläge gebraucht, um sie in wenigen Jahren in vollem Glanz erstrahlen zu lassen