Die Freude, dass nach zwei Jahren »Pandemie-Blues« das traditionelle Cäcilien-Konzert in der Ritter von Buß-Halle stattfinden konnte, war den Musikerinnen und Musikern der Stadtkapelle und ihrem Leiter Stefan Polap bereits beim instrumentalen Willkommensgruß deutlich anzumerken. Und mit der Ankündigung eines ebenso unterhaltsamen wie hochanspruchsvollen Programms hatte auch Vorstand Sebastian Grillich nicht zu viel versprochen. Nach zweieinhalb Stunden funkelnder Bläserkunst entlud sich die Begeisterung in stehenden Ovationen und der Forderung nach drei Zugaben.
Die Auswahl der Musikstücke trägt klar die Handschrift des Dirigenten. Als Kenner der Blasmusikliteratur weiß Stefan Polap, dass er nicht nur auf Althergebrachtes setzen kann, sondern mit einem modernen Orchester musikalisch neue Wege gehen muss, ohne das Publikum mit dissonanten Avantgarde-Klängen zu irritieren.
»Fiskinatura« hat der junge deutsche Komponist Thiemo Kraas dem Ort Fischen im Allgäu gewidmet. Diese Hommage an die Schönheit der Natur beginnt mit einem hellen Fanfarenton, den die Blechinstrumente aufnehmen und mit den Holzbläsern weitertragen, bevor das gesamte Orchester mit vollem Einsatz aufspielt. Ein gelungener Wechsel von spannungsgeladenen und besinnlichen Momenten, von Pauken und Schlagwerk akzentuiert, bestimmt das musikalische Geschehen. Der Spaß am (Zusammen)spielen kam bei aller Konzentration nicht zu kurz und der zündende Funke war alsbald auf das Publikum übergesprungen.
Präzises und ausdrucksstarkes Musizieren
Das lag auch am sympathischen Moderatoren-Duo Amelie Ette und Aron Roth, die im humorvollen Dialog die Zuhörer bestens unterhielten und Interessantes über die Werke und ihre Schöpfer erzählten.
So erfuhr man, dass Alfred Reeds »Curtain up« im Stil einer Theaterouvertüre komponiert wurde. Diese bietet gleich einem Vexierbild verschiedene Stilrichtungen, ein schillernd farbiger Mix aus Latino-Rhythmen, Tanzmusik und Rock-Jazz. In bester Big Band-Tradition meisterte die Stadtkapelle Stimmungs- und Tempiwechsel. Der Dirigent weiß, was er von seinem Orchester nach neunwöchiger intensiver Probenarbeit erwarten darf: ein präzises, in allen Registern ausgewogenes und ausdrucksstarkes Musizieren.
Für Saxofonisten ist Stephen Bullas »Caprice for Saxophone« sicherlich ein Paradestück und eine Herausforderung zugleich. Für Birgit Maiers leichtfüßiges und schlankes Spiel auf dem Alt-Saxofon geriet es fraglos zum Kabinettsstückchen: subtil im Dialog mit der Tuba, kraft-voll harmonisierend im Zusammenwirken mit dem Orchester. Für die Solistin und das Ensemble gab es zurecht reichen Beifall.
Mit einem Hauch von Romantik
Pauken und Trompeten und eine beachtlichen Dynamik erweckten dann Mark Twains Abenteuerwelt am Mississippi zum Leben. In den vier Sätzen der »Tom Sawyer Suite« hat der Komponist Franco Cesarini den Helden seiner Kindheit ein Denkmal gesetzt.
Temperamentvoll und spritzig kommen »Tom Sawyer« und »Huckleberry Finn« daher, sodass man vor dem inneren Auge die beiden Freunde bei ihren Streichen zu sehen glaubt. Mit einem Hauch von Romantik erklingt der Satz »Becky Thatcher«, der mit anmutig melodiösen Tönen der Oboe bezaubert, flankiert von Klarinetten und Querflöten.
Forscher Bläserklang und treibendes Schlagwerk sowie stellenweise dunkel raunender Gesang dominieren den Satz »Indianer Joe«, der die Bedrohung der Freunde durch den gefährlichen Widersacher darstellt. Schließlich der fulminante Finalsatz »Happy Ending« mit kompaktem Orchesterklang.
Melancholische Passagen im Wechsel mit kraftvollem Tutti zauberten ein betörendes Klangbild herbei, ergänzt von einem mehrfach wiederholten Rezitativ »Silva Nigra« – Impressionen aus dem »Schwarzwald«. Komponiert hat diesen »musikalischen Bilderbogen« Markus Götz, ein junger Musikpädagoge und Komponist aus Schopfheim im Wiesental: Ein Lob unserer »atemberaubenden Naturlandschaft«, wie Amelie Ette das Stück anmoderiert hatte.
Aparte und reizvolle Details
Nach der Pause begab sich die Stadtkapelle auf eine musikalische Weltreise. »Malaguena« von Ernesto Lecuona, den man auch den »kubanischen Gershwin« nennt, ist zum Evergreen geworden, begeistert er doch mit herrlichen Latino- und Flamenco-Rhythmen, gerade im Format eines Bläserarrangements. Vorausgesetzt, man vermittelt es den Instrumentalisten, wie es Stefan Polap offenkundig gelingt: Effekthascherei ist seine Sache nicht; stattdessen setzt der Dirigent auf Differenzierung und das richtige Maßhalten.
Letzteres ein Credo, das für einen weiteren Höhepunkt des Abends sorgte: »Around the world in 80 days«. Man kennt die abenteuerliche Reise von Phileas Fogg und seinem Diener Passepartout aus Jules Vernes Roman oder von diversen Filmen. Der Österreicher Otto M. Schwarz hat aus dem Stoff einen Soundtrack geschaffen, der mit Melodienreichtum und magischen Rhythmen glänzt. Die Musikerinnen und Musiker der Stadtkapelle ließen diese Programmmusik funkeln, beleuchteten gezielt die aparten und reizvollen Details und spielten bei den Tempiwechseln und den dynamischen Raffinessen wie aus einem Guss.
Mit virtuosem Zugriff und passioniertem Spiel
Das gilt auch für »Romantic charm of pentatonism«, das ungeachtet des englischen Titels auf einer Auswahl chinesischer Volksweisen beruht, die der Komponist Wang Hesheng variationsreich bearbeitet hat. Man musste schon die Ohren spitzen, um die Fülle an Klängen und Stimmungen, angereichert mit Händeklatschen und filigraner Percussion, mitzubekommen. Dazwischen eine sanft funkelnde Oboe oder eine schillernde Melodie der Piccoloflöte.
Noch immer entfalten die emotionsgeladenen Songmelodien aus »West Side Story« ihre überwältigende Wirkung; auch ohne Tanz, Schauspiel und Gesang. Bezeichnend für das »größte Musical des 20. Jahrhunderts« (Wortlaut der Moderatoren) und den Komponisten Leonard Bernstein. Auch am Samstagabend stieg mit dem Sound aus New York die Stimmung in der Ritter von Buß-Halle auf den Höhepunkt. Mit virtuosem Zugriff und leidenschaftlicher Präsentation intonierte die Stadtkapelle das pulsierende »America«. Lateinamerikanische Rhythmen faszinierten ebenso wie das Balladenmelos von »Tonight« oder »Somewhere«. Der orchestrale Jubelton mündete direkt in die Begeisterungsrufe und den Applaus des Publikums. Dieser legte sich erst nach der dritten Zugabe, dem feierlich dargebotenen »O du fröhliche«, in das viele Gäste einstimmten.
70 Jahre Blasmusik: Günter Lehmann ist ein Urgestein der Stadtkapelle
Große Gratulationscours für verdiente Musiker der Stadtkapelle – Petra Kühnpast ist seit 40 Jahren aktiv
»Was wäre ein Verein ohne seine langjährigen Mitglieder?« Vorsitzender Sebastian Grillich würdigte am Konzertabend die Verdienste etlicher Musikerinnen und Musiker.
Dabei konnte ein sehr seltenes Jubiläum gefeiert werden: Für sage und schreibe 70 Jahre Mitgliedschaft in der Zeller Stadtkapelle erhielt Günter Lehmann die Ehrennadel in Gold mit Kranz und Diamant. Seit dem Debut anno 1951 sei der Jubilar »seinem« Instrument, dem Waldhorn, treu geblieben, sagte Grillich.
17 Jahre war der »Gutzele-Günter« zudem als Beisitzer im Vorstand tätig und sechs Jahre als Dirigent. Den Spitznamen habe Günter Lehmann erhalten, weil er stets Bonbons für die jungen Musiker bereithielt, erklärte Grillich. Unter viel Beifall des Publikums in der Ritter von Buß-Halle wurde dem Liebhaber von Süßspeisen eine »persönliche Torte« überreicht.
Voll des Lobes war der Primus inter pares auch für das 40-jährige Engagement von Petra Kühnpast. Als Musikerin spielte sie zunächst die Klarinette und wechselte 2005 zum Tenorsaxofon. Knapp 20 Jahre gehörte sie dem Vorstand an, von 1998 bis 2009 als 1. Vorsitzende.
Auf ein Vierteljahrhundert Mitgliedschaft in der Stadtkapelle kann Lucia Isenmann zurückblicken. Grillich würdigte ihren Einsatz im Verwaltungsrat und die erfolgreiche Pressearbeit.
15 Jahre als aktive Instrumentalisten im Orchester sind dabei: Sonja Armbruster, Jan Breig, Lucia Isenmann, Jens Marius John und Felix Schmieder.
Gastmusiker und Debutanten
Damit die Stadtkapelle für das Cäcilienkonzert in allen Registern optimal besetzt war, leisteten einige Instrumentalisten ihren Beitrag: Steffen Bach (Trompete), Sven Bitterer (Tuba), Patrick Friedmann (Tenorsax), Sonja Müller (Oboe) und Raphael Schafheutle (Trompete).
Die »Feuertaufe« am Konzertabend bestanden Hornistin Margit Roth, Posaunist Roland Schopp, Saxofonist Jakob Schwendenmann und Querflötist Elias Wiedemer.
Der Vorstand bedankte sich besonders bei den vielen Unterstützern des Vereins im Vorfeld des Konzerts und den Helfern bei der Bewirtung. Unter großem Applaus erhielten Dirigent Stefan Polap und die Moderatoren Amelie Ette und Aron Roth jeweils ein Präsent. Glückwünsche erhielt Aron Roth darüber hinaus für das goldene Leistungsabzeichen. Man habe nun einen »Goldjungen« in den Orchesterreihen, schmunzelte Sebastian Grillich.