»Der ägyptische Pharao Tutanchamun lebte vor über 3.000 Jahren. Ich finde es bedauerlich, dass wir sogar die Form seiner Essgefäße kennen und von seinen Essgewohnheiten mehr wissen als vom Zeller Keramikgeschirr der letzten 150 Jahre.« Das wolle man mit der einmonatigen Sonderausstellung »Keramik aus Zell – in aller Welt Zuhause« ändern, betonte der Ausstellungs-Kurator Professor Fritz Riehle am vergangenen Freitagabend, anlässlich der feierlichen Eröffnung im Zeller Rundofen.
Über die technische Entwicklung der Zeller Keramik können sich Besucher in der Dauerausstellung im Kellergeschoss informieren. Die derzeitige Sonderausstellung hingegen soll die Vielfalt der über die Jahre hinweg produzierten Formen und Dekore zeigen.
Eine Vielfalt, die enorm ist. Und von der die über 270 ausgestellten Exponate einen Ausschnitt zeigen. »Wir möchten etwas zu den kunstgeschichtlichen Epochen und ihrer Umsetzung in der Zeller Keramik darstellen«, erläuterte Fritz Riehle. »Und ein bisschen wollen wir auch Denkanstöße geben«, wandte er sich an die über 40 Anwesenden, »aber wir wollen auch unterhalten, die Ausstellung soll Ihnen Spaß machen.«
Als Beispiel warf der Kurator in seinem Eröffnungsvortrag das Foto eines Wandtellers aus den frühen Dekaden des 19. Jahrhunderts an die Wand des Rundofen-Foyers, mit einer ebenso eindrucksvollen wie aufwändig hergestellten Abbildung des einstigen Zeller Untertors. Man könne nun philosophieren, meinte der Redner zum Vergnügen aller: »Was wäre, wenn dieses Untertor dereinst nicht abgerissen worden wäre und es nun eine Umgehungsstraße gäbe – das hätte viele Probleme des heutigen Zeller Bürgermeisters gelöst.«
Verteilt auf die drei Ebenen des Rundofens werden zwölf Einzelthemen in zwölf Ausstellungsvitrinen gezeigt: Vom Steingut aus den frühen Jahren (ab circa 1800), »Die Welt in Bildern« (1820-1840), Jugendstil (Art Nouveau, ab circa 1895), Art Déco, Spritzdekor und Kriegskeramik (ab circa 1910) und Steingut ab circa 1950 über das sogenannte »gute« Porzellan sowie Gebrauchsporzellan hin zu Uhren als »Gesichter der Zeit«, Vasen aus zwei Jahrhunderten, religiöse Kunst am einstmals berühmten Wallfahrtsort Zell sowie Wandteller, die ihren Besitzern »als Erinnerungen für jeden Tag« dienten.
Zeller Keramik in 65 Ländern
Das zwölfte der Themen lautet »Keramik aus Zell in aller Welt zuhause«. Keinesfalls habe man bei diesem Motto den Mund zu voll genommen, betonte Fritz Riehle, »im Jahr 1960 exportierte man in 65 Länder.« Er zeigte ein Foto eines mit Kiwis bemalten Tellers für Neuseeland und schmunzelte: »Weiter weg kann man fast nicht von Zell.« Und zu einem betagten Teller mit dem Motiv der Niagarafälle präsentierte er eine von dem Zeller Keramikfabrikant Günter Haiss im Jahr 1999 verfasste Niederschrift, in der es heißt: »Zu Tausenden belieferte die Firma die beiden Läden an den Niagarafällen, hüben wie drüben.«
Sogar eine »Gebrauchsanleitung« für den Besuch der Ausstellung hielt Fritz Riehle in seinem Vortrag parat. Da besagte Sonderausstellung und die Dauerausstellung im Keller einander ergänzen, möge man vielleicht eben dort – im Keller, und somit an der Wissensbasis – beginnen. Wem die angebotene Information möglicherweise zu umfangreich ist, für den gibt es einen hilfreichen Trick: »Kommen Sie doch noch einmal«, wedelte der aus Zell stammende Professor schelmisch mit dem Zeigefinger.
»Nicht alles wird Sie ansprechen«, räumte er ein, da weit entfernt vom heutigen Geschmack, doch man habe fair sein und sämtliche Stilrichtungen zeigen wollen.
Fritz Riehle wies auf erklärende Beschriftungen in den Vitrinen hin und darauf, dass er selbst sowie Albert Braun von Zells Historischem Ortsverein für Fragen und Diskussionen bereitstehe. »Das Begleitheft hilft auch«, unterstrich er zudem. Das habe man aufgelegt, weil die Ausstellung einmalig sei, in dieser Form wahrscheinlich nie wieder zu sehen sein werde.
Sehr zu empfehlen: Das Begleitheft
Das Heft ist für einen Unkostenbeitrag von fünf Euro erhältlich. Es informiert nicht nur über die Ausstellung, sondern auch über den Rundofen sowie die Geschichte der Zeller Keramikfirmen. Überdies behandelt es alle zwölf Einzelthemen der Ausstellung, inklusive Fotos von Exponaten. »Dieses Heft vermittelt einen Überblick und erweitert das Detailwissen«, fasste Zells Bürgermeister Günter Pfundstein zusammen, der das Grußwort im Heft ebenso verfasst hat, wie er die anfängliche Begrüßung zur Ausstellungseröffnung übernommen hatte.
»Zeller Produkte wurden einst an den königlichen Hof in England und Frankreich geliefert und das berühmte Dekor »Hahn und Henne« kennt man in der ganzen Welt«, resümierte er und dankte allen ehrenamtlichen Helfer:innen des Historischen Vereins sowie des Fördervereins Rundofen »für ihr Engagement vor, während und nach dieser Ausstellung.«
Stellvertretend für alle galt sein Dank insbesondere Dieter Petri, Fritz Riehle und Albert Braun.
Private Spenden und Leihgaben
Dieter Petri wiederum dankte im Namen des Trios sowohl dem Stadtoberhaupt für dessen Unterstützung als auch allen, die private Spenden an die Keramiksammlung der Stadt Zell getätigt haben – allen voran der inzwischen verstorbene Wolfgang Kühn mit seiner Frau Christa, sowie die Familie Helmut Schaaff (Enkel des einstigen Keramikfabrikanten Carl Schaaff). Nicht minder bedankenswerte private Leihgaben von Ute Wöhrle und erneut Helmut Schaaff stellen überdies je etwa zehn Prozent der Exponate der Sonderausstellung.
Diese kann von Donnerstag bis Sonntag besichtigt werden, jeweils von 14 bis 18 Uhr. Am 12. November erhalten Besucher die einmalige Gelegenheit, ihre Familienschätze aus Porzellan oder Steingut von Fachleuten begutachten und bewerten zu lassen. Die Ausstellung schließt am 13. November um 16 Uhr mit einem Vortrag von Fritz Riehle: »Von der Zeller Porzellanuhr bis hin zur Atomuhr.«