Am vergangenen Freitag konnte nach über zweijähriger Pandemie-einschränkung endlich wieder die Nacht der Museen gefeiert werden. Kulturell unterhaltsam, begleitet von Partylust und samtweicher Luft.





»Sind Sie zum ersten Mal in Zell?« Amüsierfreudig und keineswegs schablonenhaft wurde diese Frage gerne beantwortet. Die meisten Freizeitaktivisten*innen kamen aus Zell und Umgebung und ließen von den vielseitigen Angeboten der Museumsnacht nichts aus. Erster Schauplatz, auf dem Bürgermeister Günter Pfundstein die Eröffnungsrede hielt, war der großzügig angelegte Bereich vor dem Rundofen. Vor dieser historischen Kulisse sprach Pfundstein u. a. über die einzigartige Symbiose, die der neue Zeller Kunstweg mit der geschichtsträchtigen Mauer der einstigen Keramik-Brennöfen bildet.
Bei Bildhauer Bruno Feger aus Bremgarten gruppierten sich Zuschauer, die sich über die Kirschen und Hagebutten informieren wollten. Bruno Feger, mit seinen Arbeiten europaweit geschätzt, sprach über seine Denkprozesse und Herstellungsverfahren.
An anderer Stelle gaben die Bildhauer Reinhard Klessinger aus Freiburg (»Dem Himmel den Boden bereiten«, »Dem Himmel den Hof bereiten«) und Reinhard Sigle aus Deißlingen bei Rottweil (»Was wäre wenn«) gerne Auskünfte über ihre Skulpturen und deren Hintersinn. Michael Danner aus Ulm (»Zeller Krug«) war leider nicht vor Ort. Jörg Bach aus Mühlheim/Donau war mit der Arbeit »Zünglein an der Waage« vom Volumen her die größte Position auf dem idyllischen Kunstweg, der die Interessierten nur einen Steinwurf entfernt zur Villa Haiss führte.
Frischzellenkur
Die einstige Fabrikantenvilla ist nun, nachdem Neuinitiator Johannes Bischoff sie einer Frischzellenkur unterzogen hat, umbenannt in »Museum und Galerie für zeitgenössische Kunst«. Einladend beleuchtet strahlte die historische Architektur in die Nacht. Einladend die weit geöffnete Tür zu den Sonderausstellungen und der neu konzipierten Dauerausstellung.
Barbara Wagner, Museumsmitarbeitende, freute sich in ihrer kurzen Ansprache über die Wiedereröffnung des Museums nach zweijähriger Neuorientierungsphase und pandemiebedingter Schließung. Sie richtete Grüße des Inhabers Walter Bischoff aus, der sich gerade in einer Reha aufhält. Wichtig sei, so Wagner, der Hinweis auf die neu aufgestellte Dauerausstellung – geordnet nach Bereichen des Informel, der Ostblock-Künstler*innen und der Skulpturen.
In der Beletage (erstes OG), wo dieser offizielle Teil des Abends stattfand, sind die zwei größten Räume vorgesehen zur Vermietung für Seminare und Firmenveranstaltungen bis maximal 20 Personen. Das sei schon mit Erfolg erprobt worden, wusste Barbara Wagner und schlug einen Bogen zur Sonderausstellung »Erprobung neuer Freiheiten« mit beachtenswerten Radierungen des maßgeblich an der Entwicklung des Informel beteiligten Künstlers Emil Schumacher.
Spontan und herzlich fand der aus Berlin angereiste Künstler Tobias Molitor, dessen Ausstellung im Kabinett zu sehen ist, Dankesworte an Johannes Bischoff. In der ihm eigenen Bescheidenheit nahm der Angesagte den stürmischen Applaus freudestrahlend entgegen – nicht ohne den Beifall auch an sein Team weiterzugeben. Ohne dessen qualifizierte Unterstützung wäre die Wiedereröffnung der Villa Haiss nicht möglich gewesen.
Inmitten des anhaltenden Besucherstroms waren Fragen an den 34-jährigen Künstler Tobias Molitor über Inspirationen und technische Hintergründe seiner Kunstschau »Thank you for Shopping« immer noch möglich. Anschaulich schilderte der studierte Grafikdesigner seine Ideen, seinen Arbeitsalltag und die Leidenschaft zum Siebdruckverfahren, einer Technik, die vielen Interessierten nicht geläufig war.
Aus Freiburg angereist war auch Thomas Schiessel, Sohn des verstorbenen Verlegers Dr. Albert Schiessel, dessen Abstracta-Verlag die Radierungen Emil Schumachers vervielfältigt und publiziert hatte. »Ich bin bis heute bestrebt, die Arbeiten Schumachers zu vermarkten, obwohl ich beruflich etwas ganz anderes mache«, so Thomas Schiessel. Er hat die 25 Radierungen für die Sonderausstellung »Erprobung neuer
Freiheiten« zur Verfügung gestellt. Sie ist als Benefiz-Ausstellung zu verstehen. Reinerlöse werden an die Christoffel Blindenmission e.V. gespendet.
Trubel und Diskussionen bis Mitternacht
Zahlreiche Besucher*innen standen diskutierend vor den Siebdrucken von Tobias Molitor, der sich deutschlandweit schon einen Namen gemacht hat. Sie versuchten die Gedankengänge des Künstlers zu analysieren, die zu den raumhohen Vergrößerungen von Kassenbons oder den einstigen Einkaufstüten aus Plastik führten. Eine laut gedachte Antwort fand jemand aus der papierverarbeitenden Industrie: »Ich sehe nicht die Kunst, sondern die Erinnerung an Plastiktüten, die jetzt durch Papiertüten ersetzt werden.«
Alle Altersgruppen flanierten herein, durchtrubelten die Etagen nach dem Motto: »Wir waren noch nie hier, möchten aber alles sehen.« Schlafende Kinder wurden auf Armen getragen, junge Erwachsene betonten, dass das hier alles für die Psycho-Hygiene gut ist und man auf jeden Fall wieder nach Zell kommen werde. Anderen wiederum gefiel der betagte, aus verschiedenen Hölzern zusammengesetzte Fußboden.
Und plötzlich stand jemand im Raum mit der alles umfassenden Feststellung: »Ist so schön, dass solche Veranstaltungen wieder möglich sind«. Das möchte man gerne mit mehreren Ausrufezeichen bejahen!!!