Die Intuition und das Intuitive spielen im Alltag eine wichtige Rolle. Dichter, Maler, Musiker wissen, dass sie sich auf ihre Intuition verlassen müssen und dass Eingebung und Ideen unterstützt werden durch die Erfahrungen, die Künstler bei der Ausübung ihrer Profession gesammelt haben.
Beim Abschlusskonzert der diesjährigen »Sommermusik« in der Evang. Kirche sprach die Sängerin und Gitarristin Cornelia Grau von »inneren Bildern«, die in bestimmten Situationen entstünden und die sie in ihren Kompositionen verarbeite. Um über alle sprachlichen und kulturellen Grenzen hinweg verständlich zu sein, singt die Interpretin in einer »spontan entstehenden Fantasie-Sprache«. Auf diese Technik des Lautmalerischen – weder Gedicht noch Erzählung – muss man sich als Zuhörer einlassen, damit sich Räume öffnen können und Bilder vor dem geistigen Auge entstehen. In jedem Fall war es ein Hörerlebnis, folgt man dem Beifall des Publikums während des Konzerts und dem großen Applaus am Schluss.
In die Atmosphäre eines Songs einzutauchen oder – mit den Worten der Interpretin – » den Klängen mit dem Herzen (zu) lauschen«, ist anspruchsvoll. Was bei manchem ihrer Zunft im besten Fall harmlos und im schlechtesten Fall banal herüberkommt, ist vor dem Erlebnis- und Gefühlshorizont einer Cornelia Grau subtil und tiefschürfend. Da sind etwa die Eindrücke von einem Aufenthalt in den französischen Alpen, deren Majestät und Erhabenheit die Musikerin mit Stimme und Saitenspiel wiedergibt. »Griechenland« – schon zur Zeit der Weimarer Klassik ein Ort der Sehnsucht schlechthin – wird von der Interpretin mit volkstümlichem Kolorit musikalisch subtil gestaltet.
Wie etliche Musikerinnen und Musiker vor ihr lobte Cornelia Grau die Akustik in der Evang. Kirche. Darüber hinaus sei der sakrale Ort für sie wichtig, um »Zwiesprache« zu halten, denn sie verstehe ihre Musik durchaus als »Gebet«.
Nuanciert und mit flexibler Stimme
Ihrem besonderen musikalischen Stil und der Performance ist die Solistin treu geblieben, wobei sie im Vergleich mit ihrem ersten Gastspiel in Zell drei Jahre zuvor nuancierter singt und spielt. Meist sind es Mid-Tempo-Stücke mit harmonischen Arpeggien auf der Akustikgitarre, hin und wieder rhythmisch akzentuiert durch Anschlagen der tiefen Saiten.
Damit der Wohlklang nicht in profaner Entspannungsmusik verharrt, verleiht Graus flexible und timbrereiche Stimme den Melodien einen ganz eigenen Ausdruck. Verstärkt wird dieser Sound durch die beachtliche Phrasierungskunst der Sängerin und die spürbare Freude am Musizieren vor Publikum überträgt sich auf die Hörer im Kirchensaal. Es entstehen immer wieder spontane Momente von Intensität und Poesie.
Kurze Anmerkungen zu den Stücken tragen zum besseren Verständnis bei, wie etwa der aktuelle Bezug zur Hitze im Land (»36 Grad«) oder der Wunsch nach Frieden und Verständigung in einer von Krieg und Krisen geprägten Welt (»Eintracht«). Bei »Full Monday«, instrumental kontrastreich dargeboten, erlebt man unversehens das Auf und Ab eines hektischen Arbeitstages mit vollem Terminkalender.
Fazit und Ausblick
Mit einer Weise im Walzertakt hatte Cornelia Grau die 8. »Sommermusik« eröffnet und mit einem kurzen melodiösen Walzer verabschiedete sie die Hörer auf einen »guten Nachhauseweg«. Eine Zugabe für alle und für die Künstlerin eine weiße Rose, die Solveigh Petersen überreichte.
Mit acht gut bis sehr gut besuchten Konzerten können die Veranstalter auf eine erfolgreiche »Sommermusik« 2022 zurückblicken: Chorgesang, Orgel, Klavier und Flöte, Barocklaute, Harfe und klassische Gitarre sorgten für instrumentale Vielfalt. Musik aus verschiedenen Epochen bot für Konzertfreunde – neben den regelmäßigen Besuchern immer auch Feriengäste – ein abwechslungsreiches Programm.
Ursprünglich von der Stadt und der Evangelischen Kirche ins Leben gerufen, gehören die »Sommermusiken« seit Jahrzehnten zum kulturellen Leben in Zell am Harmersbach. – Man darf gespannt sein auf das Konzertangebot anno 2023.