Meteorologisch betrachtet war es ein Hochsommerabend – inclusive einem kurzen Gewitter –, musikalisch ein Hochgenuss an bezaubernder Gitarren-Rhetorik des Heidelberger Virtuosen Maximilian Mangold. So lässt sich in Kurzform die 4. »Sommermusik« in der Evangelischen Kirche beschreiben.
Groß sind die Erwartungshaltungen des Publikums, wenn ein Musiker konzertiert, der seit Jahrzehnten zu den besten klassischen Gitarristen der Republik zählt, über 20 CDs eingespielt hat und Preisträger der renommiertesten Wettbewerbe ist. Maximilian Mangold verfügt über ein Repertoire aus allen Epochen. Den Schwerpunkt beim Konzert am Mittwochabend legte er auf die Meisterwerke der spanischen Gitarrenmusik des 19. Jahrhunderts.
Mit drei Sätzen aus der »Suite Espana op. 135« von Isaac Albeniz nahm der Solist seine Zuhörer musikalisch mit auf die Reise über die Iberische Halbinsel, denn jeder Satz des Werks repräsentiert eine Landschaft: »Granada«, »Cadiz«, »Cuba« (gehörte bis 1898 zum span. Herrschaftsbereich). Albeniz’ Kompositionen kennzeichnen feine folkloristische Elemente, die gerade auf der »klassischen« spanischen Gitarre ihre volle Wirkung entfalten.
Mit Gefühl und Spaß an der Musik
Und wenn Maximilian Mangold in die Saiten greift, dann sind Klangfarben in allen Schattierungen zu hören. Der Hörer erlebt einen Musiker, der jede Note bewusst setzt und mit ungemein differenziert dynamischem Spiel einen souveränen interpretatorischen Bezug herstellt. Überraschende Ritardandi und ungestüme Accelerandi geraten dabei nie zum Selbstzweck, sondern sind gänzlich dem Werk verpflichtet. Dennoch klingt Mangolds Spiel nicht akademisch oder gekünstelt, vielmehr spürt man als Hörer, dass der Gitarrist mit Gefühl und Spaß an der Musik agiert.
Elemente des Flamenco prägten »Sevillana« von Joaquin Turina. Der aus Sevilla stammende Komponist war eigentlich Klavierspieler und Kapellmeister, wandte sich jedoch während seines Studiums in Paris, wo er 1907 Isaac Albeniz kennen lernte, verstärkt der spanischen Folklore und der Gitarrenliteratur zu.
Mangold entzündete ein rhythmisches Feuerwerk mit machtvollem Akkordspiel, dehnte oder dämpfte die Saiten und entsprechend die Töne und setzte kunstvoll Pausen, aus denen heraus er pointierte Basslinien oder fließende Läufe entwickelte. Es war ein lebendiges, zugleich sehr präzises Spiel auf den Saiten einer Akustikgitarre, die aus der Werkstatt des Pariser Gitarrenbauers Daniel Fridrich stammt. Da Mangold ausnahmslos ohne Blattvor lage spielte, konnte er sich ganz auf sein Instrument konzentrieren.
Ohnehin setzt der Musiker hohe Ansprüche an sich selbst, lehnt deshalb den Trend vieler zeitgenössischer Gitarristen zum »Crossover« strikt ab: »Mir erscheint das als eine Verflachung des Anspruchs«, betont er im Interview mit dem Magazin »Akustik Gitarre«.
Mit kultiviertem und ausdruckstarkem Ton
Den hohen Maßstab legte Mangold auch an die Interpretation von »Marieta (Mazurka)«, »Danza Mora« und »Recuerdos de la Alhambra« – allesamt aus der Feder des legendären Virtuosen Francesco Tarrega. »Alhambra« ist heutzutage als »Pflichtprogramm« eines jeden einigermaßen fortgeschrittenen Gitarristen sattsam bekannt. Gerade deshalb lohnte sich an diesem Abend in der Kirche die Sichtweise Mangolds auf diesen »Hit« besonders: eine wunderbar leise, feinsinnige Darbietung mit einer bis ins Kleinste ausgefeilten Dynamik und einem rundum kultivierten und ausdrucksstarken Ton. Da zeigte der Interpret, dass er auch »zwischen den Zeilen lesen« kann. Ein verdient anhaltender Beifall des Publikums erfüllte den Kirchensaal.
Der Tarrega-Schüler und Starvirtuose Miguel Llobet hat kompositorisch fast nur Miniaturen hinterlassen, die oft bis an die Grenze des technisch Machbaren gehen. Für Maximilian Mangold offenbar kein Problem.
Wunderbare Glissandi und künstliche Flageoletts
Bei den drei Stücken aus den »Canciones Catalanes« zog der Gitarrist noch einmal alle Register seiner souveränen Saitenkunst: variationsreicher Anschlag beim Akkordspiel, perfektes Arpeggieren, mustergültige Bassläufe und Soli in den hohen Lagen. »El Testament D’Amelia« überraschte mit grandiosen Glissandi, rasantem Lagenwechsel und so genannten künstlichen Flageoletts (Dabei berührt der rechte Zeigefinger leicht die Saite 12 Bünde oberhalb des von der linken Hand gegriffenen Tons; angeschlagen wird der Ton vom Ringfinger der rechten Hand, wobei der Daumen gleichzeitig Basstöne spielt).
Am Schluss des Konzerts folgte Mangold noch einmal Albeniz’ Spuren auf der »Reise« durch Spanien: »Cordoba«, »Cataluna«, »Sevilla« schufen ein dem Interpreten eigenes musikalisches dichtes Gewebe mit hohem Wiedererkennungswert und fein abgestuften Ausdrucksmöglichkeiten. Ein faszinierender Mix aus melancholischer und expressiver Stimmung, den das Publikum mit Ovationen bejubelte. Mangold dankte seinerseits mit einem fulminaten »Vals op.9, Nr.4« des südamerikanischen Komponisten Augustin Barrios, dem »Chopin der klassischen Gitarre«. Die knapp anderthalb Stunden des »Espana Programms« in der Evang. Kirche vergingen wie im Flug.