Seit dem Schuljahr 1988/89 fanden gewitzte Bücherwürmer und schlaue Leseratten dort das passende »Lesefutter«, seien es interessante Sachbücher oder spannende Erzählungen und Romane. Jetzt wurde die Bücherei im Bildungszentrum »Ritter von Buß« nach 33 Jahren überraschend geschlossen.
Die Präsenz-Ausleihe war corona-bedingt ausgesetzt worden und sollte nach Aufhebung der Beschränkungen wieder anlaufen. Doch die Schulleitung entschied anders: Ein Teil des rund 4.000 Exemplare umfassenden Bestands wurde an die Fachbereiche vergeben, der Rest Schülern zum Tausch mit eigenen Büchern angeboten oder im Altpapier entsorgt. Wozu der Bibliotheksraum künftig genutzt wird, war nicht zu erfahren.
Mehr als ein Raum für Bücher
Wie im Curriculum zur Leseförderung in Baden-Württemberg vermerkt, war die Schülerbücherei zugleich ein »Rückzugs- und Arbeitsraum«. Neben Büchern gab es Jugendzeitschriften und Brettspiele. Alljährlich wurde im Rahmen des Vorlesewettbewerbs des Deutschen Buchhandels ein »Lesekönig« respektive eine »Lesekönigin« gekürt. Die Zeller Buchhandlungen waren zu Gast, um Neuerscheinungen auf dem Markt vorzustellen. Mit einer »Bücherei-Rallye« erkundeten die Fünftklässler der Werkrealschule oder Realschule Aufbau und Funktion »ihrer« Bibliothek.
Wie alles begann …
»Zu dick und zu langweilig – Bücher haben bei Teenies keine Chance« war nach einer »infas«-Umfrage anno 1986 unter 4.500 Schülern aus 41 Schulen zu lesen. Die Fachschaft »Deutsch« am Bildungszentrum war der Meinung, dass man neben dem »normalen« Unterrichtsstoff den Schülern etwas Zusätzliches anbieten sollte – zumal Zell a. H. über keine Stadtbücherei verfügte.
Der damalige Schulleiter Franz Elischberger stellte einen Klassenraum zur Verfügung. Da dem Schulträger eine Bibliothekseinrichtung zu teuer war, bauten die Fachlehrer für Werken und Technik eine stabile Regalwand. Durch großzügige Spenden konnten neue Bücher erworben werden. Entsprechend der Vorgaben des Kultusministeriums wurde der Bestand nach dem »System für Kinder- und Jugendbibliotheken« mit farbigen Etiketten und Karteikarten gekennzeichnet. Eine Schüler-AG besorgte die Ausleihe.
Die »offizielle« Eröffnung der Schülerbücherei nach dem Amtsantritt von Bernd Antes als Rektor 1988 rief weitere Förderer auf den Plan. Sparkassen-Vorstand und Hobby-Historiker Josef Heisch regte die Einrichtung des »Ritter von Buß«-Archivs an, das Schriften von und über den Namensgeber der Schule beherbergen sollte und schenkte der Bibliothek mehrere Originalwerke von Franz Joseph Buß. Die Einrichtung der Werkrealschule im Jahr 1992 und die Integration der Spätaussiedler in neuen Förderklassen bewirkte eine Erhöhung des Bücherei-Etats und die Anschaffung weiterer Sachbücher und Jugendromane.
Lesen als »Schlüssel zur Kultur …«
Als zum 25-jährigen Bestehen der Realschule 1998 Regierungsschuldirektor Wulf-Michael Kuntze vom Kultusministerium dem »Bize« einen Arbeitsbesuch abstattete, bei dem auch Vertreter der Schulbehörden und die Ausbilder verschiedener Zeller Betriebe teilnahmen, sprach er bei der Besichtigung der Bücherei vom Lesen als »Schlüssel zur Kultur und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben«. Die Realschule müsse zudem mehr Wert auf das projektorientierte Lernen legen, betonte Kuntze.
Rektor Hans Spathelf regte daraufhin an, die Bücherei – auch räumlich – in einen Grundschul- und einen Sekundarbereich zu trennen. Für die Werkrealschule und die Realschule wurden einzelne Büchergruppen nach Themenbereichen geordnet, um einen schnelleren Zugriff für den Unterricht zu gewährleisten. Die Schülerzeitung »Logo« veröffentlichte regelmäßig Buchtipps von Schülerinnen und Schülern.
Insofern war das Bildungszentrum »Ritter von Buß« gewappnet, als nach dem ersten »Pisa-Schock« 2001 mehr Öffnung und Transparenz schulischer Arbeit gefordert wurde. Organisiert wurden weiterhin Buchpräsentationen, Autorenlesungen (einer der ersten war der Zeller Autor Gottfried Zurbrügg), »Promis lesen für Kids« (zum Beispiel der damalige Bürgermeister Hans-Martin Moll oder der Verleger und Herausgeber der »Schwarzwälder Post«, Hanspeter Schwendemannn). Mehrfach zu Gast war die Ortenauer Märchenerzählerin Sigrid Voigt.
50 Jahre Zeller Bildungszentrum
Unter Rektor Martin Teufel wurde die Bibliothek 2015/16 aufwändig renoviert. Schülergerechte Stühle und Tische für den Aufenthalt in der Bücherei wurden angeschafft.
Vehement wird heute die Digitalisierung der Schule gefordert und betrieben.
Anno 2023 ist es 50 Jahre her, dass in Zell am Harmersbach die erste Realschulklasse eingerichtet wurde. 2025 wird das Bildungszentrum Ritter von Buß »offiziell« ein halbes Jahrhundert alt.
Kommentar
Aus dem aktuellen Bildungsplan Deutsch für die Werkreal- und Realschule zur Leseförderung:
»Auch eine stärkere Einbindung der Bibliothek ist sinnvoll. Die Schüler sollen lernen, dass die Bibliothek Rückzugs- und Arbeitsraum sein kann, für die verschiedenen Fächer recherchiert werden kann, sie Bücher für den schulischen und privaten Bereich ausleihen können.«
Erst im Mai dieses Jahres hatte der Lehrerverband VBE auf eine Studie verwiesen, die belegt, dass gerade in der Altersgruppe ab 14/15 Jahre Mädchen und Jungen weniger zum Buch gegriffen und stattdessen vermehrt elektronische Medien konsumiert haben. Wäre es da nicht angemessen, gerade diesen Jugendlichen in der Schule ein Angebot für das »gute Buch« zu machen?
Sicherlich ist es müßig, von einem Gegensatz der »alten« und »neuen« Medien zu reden. Dennoch gilt, was der Autor und Kritiker Martin Ebel sagt: »Bei den sozialen Verwerfungen (…) helfen uns Informations-Ingenieure mit ihren Mega- und Gigabytes wenig. Wissen hat etwas mit Weisheit zu tun und die ist auf den ältesten Festplatten der Welt gespeichert: den Büchern.« Wäre es nicht wünschenswert, dass die Mädchen und Jungen der Werkrealschule und Realschule auch noch in einigen Jahren eine Bücherei in ihrer Stadt und ihrer Schule besuchen könnten?