Die 2. Ausstellung der Malerei am Zeller Kunstweg zeigt im Kulturzentrum »Obere Fabrik« Werke vom Künstler Borris Goetz. Sie ist vom 4. Juni bis 12. Juni 2022 täglich geöffnet von 16 bis 19 Uhr.
Die gezeigten Bilder stammen aus dem Nachlass der Familie Lauermann an die Stadt Zell sowie aus einer Leihgabe von Prof. Walter Sauer/Tübingen. Laudatoren der Vernissage am 3. Juli 2022 um 18 Uhr sind Dr. Florian Lauermann/Dietzenbach und Prof. Dr. Walter Sauer/Tübingen.
Wolfgang Hilzensauer und Prof. Walter Sauer fassen den künstlerischen Werdegang von Borris Goetz für die Leser der »Schwarzwälder Post« in einem Porträt zusammen:
Vita und künstlerischer Werdegang
Geboren wurde Borris Goetz am 23. Juli 1915 in Frankfurt am Main. Seine Kindheit und Jugend fielen in Kriegs- und Notzeiten und später in die Jahre der Weltwirtschaftskrise und Inflation. Im Alter von etwa zwölf Jahren trat er der Gruppe der bündischen Jugend bei, dem späteren Grauen Corps. Diese Gruppenzugehörigkeit prägte Borris Götz sein Leben lang. Dieses Graue Corps mit seinem Führer Prof. Dr. Alfred Schmid, gehörte zu den elitären Bünden der Jugendbewegung, um die sich manche Legenden rankten. Fred Schmid bestärkte den Jugendlichen in seinem Entschluss, ein Kunststudium aufzunehmen.
Seine ersten Arbeiten spiegeln die Welt des Bündischen. Es entstanden erste Linienschnitte in Holzschnittmanier. Die Motive zeigen, Fahrt und Lagerleben mit sportlich-musischen Aktivitäten, auch Szenen freundschaftlicher Verbundenheit in bündischer Gemeinschaft. Auch christliche Motive, wie zum Beispiel die Gestalt des Heiligen Sebastian und der Corpus Christ waren Motive, die auch in seinem Spätwerk Thema war.
Von der Kunst zur Grafik
1933 beginnt Borris Goetz ein Studium an der »Städelschen Kunstschule« in Frankfurt bei den Professoren Cissarz und Delavilla. Durch die politischen Rahmenbedingungen litten die künstlerische Freiheiten. Dies war dem angehenden Künstler zuwider. Er wendete sich deshalb dem Gebiet gebrauchsgraphischer Arbeiten zu und volontierte in Schriftgießereien, Druck- und Verlagsanstalten. Er bewegte sich auch für kurze Zeit in Berliner Künstlerkreisen, wo er sich den Aktstudien zuwendete.
Lehr- und Wanderjahre
Aus gesundheitlichen Gründen wurde er vom Militärdienst befreit. 1937 reiste ins nahe Ausland und lernte die Schweiz, Italien und Südfrankreich kennen. In Cannes war er Gast bei dem Maler Jean Villeri. Dieser führte ihn in die französische und zugleich internationale Kunstmoderne ein. Auf diesem Wege kam es zu Begegnungen mit Künstlern wie Matisse und Picasso.
Er erlebte in dieser Zeit eine so andersartige Welt als in Deutschland mit seiner beherrschenden NS-Kunst. Mit dem Krieg endete aber der Aufenthalt für Borris Goetz im Ausland. Es war das Ende seiner Lehr- und Wanderjahre. Sein Werk war zu diesem Zeitpunkt schon beachtlich und vielseitig.
Die Muse leidet
Mit Beginn des Krieges kehrte Borris Goetz nach Deutschland zurück. Nach der Rückkehr erfuhr sein künstlerisches Schaffen eine Art Lähmung. Selbst sagt er dazu: »Im Krieg schweigen die Musen.« Es war seine Erklärung dafür, warum er in den letzten Jahren so viel begonnen und wieder verworfen hatte. In dieser Krisenzeit begleitete und stützte ihn sein Mentor und Freund Fred Schmid. Dieser glaubte an die Berufung von Borris Goetz zum Künstler.
Kriegszeiten und Gefangenschaft
1942 heiratete Borris Goetz. Dies war ein Moment in seinem Leben um auch die Schaffens- und Lebenskrise zu bewältigen. 1943 kam er an die Front in Russland und später nach Nordfrankreich, wo er 1944 in britische Kriegsgefangenschaft gerät. Dort entstehen Bleistiftzeichnungen, Kameradenporträts, aber auch aquarellierte, surreal anmutende kleinformatige Tuscharbeiten, in denen sich Nöte und Ängste der Lagersituation spiegeln.
1946 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen. Mit allerlei Hilfsarbeiten sicherte er danach sein Überleben. Er porträtierte so manchen Musiker eines ansässigen US-Orchesters in Öl. Die Bezahlung erfolgte in Form von Zigaretten und Kaffee. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für ihn mit der Währungsreform. Auch der Kunstbetrieb begann wieder aufzuleben.
Die erfolgreichen Jahre
1949 ermöglichte eine Frankfurter Galerie eine Retrospektive seiner Arbeiten. Die Stadt Frankfurt stellte zudem Borris Goetz ein Atelier und Wohnräume zur Verfügung. 1951 wird er als Dozent an das städtische »Institut für Modeschaffen« berufen. Dort war er mit Unterbrechungen bis 1972 tätig. Er gesellte sich auch zu den avantgardistischen Malern der »Frankfurter Gruppe«, die mit ihren Ausstellungen damals auf sich aufmerksam machten. Aktiv war er auch auf dem Gebiet der Baugestaltung. Mit »Kunst am Bau«, fertigte er großformatige Wandbilder, Mosaiken und Glasfenster.
Ein neuer Leidensweg beginnt
In dieser erfolgreichen Schaffensphase scheitert seine Ehe. Durch diese Krise leidet sein künstlerisches Schaffen. Doch die Wiederverheiratung bringt wieder Ordnung in sein Dasein und In seinem künstlerischen Tun. Ein ihm 1964 zuerkannter Kunstpreis der deutsch-schweizerischen Stiftung »Fundus Artis« in Form eines Jahresstipendiums sollte ein völlig unbeschwertes künstlerisches Arbeiten ermöglichen. Geplant war ein Aufenthalt an der Nordsee auf der Insel Amrum. Es kam aber anders. Auf der Fahrt dorthin erleidet er unverschuldet einen schweren Autounfall mit lebensgefährlichen Verletzungen. Dieses Ereignis hinterlässt in seiner Künstlerexistenz nie ganz verheilende Narben.
Neuanfang und Spätwerk
Bei einem Genesungsaufenthalt auf der Bühlerhöhe im Nordschwarzwald bei Baden-Baden, entstanden Aquarelle, in denen die Stimmungen von Landschaft und Natur, von Jahres- und Tageszeiten auf besondere Weise dargestellt wurden. Es sind ungegenständliche Farbkonfigurationen die spontan mit dem Pinsel in subtiler Maltechnik geschaffen wurden. Ab diesem Zeitpunkt sehnt sich Borris Goetz nach überschaubarer, naturnaher Umgebung. In einem Zitat drückt es Borris Goetz so aus: »Für mich sind Natur und Kunst eine Einheit, und als Maler sollte ich eigentlich in der Landschaft stehen und in ihr leben«. Es folgt ein Umzug nach Bad Münster am Stein-Ebernburg, das nun zur neuen Heimat wurde. Abseits des Kunstbetriebs, dem er skeptisch gegenüberstand, weil Anpassungen an Moden und Trends, seinem künstlerischen Freiheitsverständnis zuwiderliefen.
Evangelische Kirche Zell
Seine schöpferischen Kräfte lassen nach. Sein Spätwerk weist wenige wesentliche Arbeiten auf. Es entstehen Pastell- und Ölkreidezeichnungen mit dem Titel »Jünglinge«, »Generationen«, »Schicksal« sowie das Porträt »In Memoriam Alfred Schmid«. Eine breite Resonanz erfährt das künstlerische Schaffen noch auf zwei großen Retrospektiven, einmal im Künstlerbahnhof Ebernburg 1984 und im Frankfurter Karmeliterkloster 1988.
Begegnungen die sich zu diesem Zeitpunkt ergeben, bedeuten ihm viel. Sie führten ihn zurück in die erfüllten Jugendjahre im Grauen Corps, und zu seinen künstlerischen Anfängen.
Herausragend ist das erstellte große »Triptychon«, gemalt für die evangelische Kirche in Zell am Harmersbach, in den Abmessungen 2,7 mal 7 Meter.
Über sein Werk und Ableben
Man schätzt stets wiederkehrende Chiffren und Zeichen, die ganz ausschließlich ein Werk bestimmen und zu einer Art Markenzeichen werden. Das Werk Borris Goetz weist eine stilistische Vielfalt auf, eine Vielfalt auch an Themen und Techniken. Zu den wiederkehrenden Themen zählen Selbstporträts, frühe wie späte. Bilder von Knaben und Jugendlichen, Anklänge an bündisches Erleben. Hinzu kommen auch männliche wie weibliche Akte, Madonnen, Porträts, Stillleben, Landschaften, herausgehoben jene Werke die auf der Bühler Höhe entstanden sind. Seine abstrakt-ungegenständlichen Bilder verschiedenster Art beginnend um 1940, Stilrichtungen die der Moderne zugeordnet werden können.
Scheinbar waren Tragik und Leiden bei Borris Götz die Grundlage seines schöpferischen Seins. In diesem Kontext ist auch das Zitat von Borris Goetz zu verstehen, wenn er sagt: »Wenn es so aussieht, als hätte ich das Leben ernst genommen und heiter die Kunst, so ist dies eine Täuschung. Für mich war die Kunst nie heiter, sie war in mir ein innerer Zwang und eine ewige Auseinandersetzung.«
Das Leben des Künstlers endete am 23. August 1998. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Friedhof in Zell am Harmersbach in unmittelbarer Nähe zur Kirche und seines monumentalen »Triptychon«.
Das Buch zum Künstler
Begleitend zur Ausstellung kann ein Buch über den Künstler im Rahmen der Ausstellung erworben werden. Borris Goetz oder der Weg eines Malers durch seine Zeit. ISBN: 97838825808446, Lauermann Dietmar, Sauer Walter





