»Die Tätigkeitsschwerpunkte unseres Vereins in diesem Jahr werden nach wie vor den Rundofen betreffen sowie den Historischen Bahnhof Zell als Begrüßungsportal.« Dies erläuterte Bertram Sandfuchs, Vorsitzender des Historischen Ortsvereins in Zell, auf der Mitgliederversammlung, die am vergangenen Dienstagabend mit 29 Anwesenden im großen Saal des Zeller Kultur- und Vereinszentrums stattfand.




Unter den Gästen begrüßte er unter anderem Ralf Müller als Geschäftsführer der Zeller Keramikfabrik sowie Zells Bürgermeister Günter Pfundstein. Letzterer blickte mit großer Vorfreude auf das Ende der Sanierung des historischen Rundofens als außergewöhnliches Industrie-Denkmal, das am 14. und 15. Mai mit feierlichem Programm eröffnet wird. »Ich bin ganz gespannt, was uns der Rundofen in Zukunft alles bieten wird«, dankte er dem Historischen Ortsverein für »all das, was er leistet.« Der kleinen 8000-Einwohner-Stadt selbst wäre das in dieser Form keinesfalls möglich, betonte der Rathauschef, »wir sind hier auf das Ehrenamt angewiesen.«
Besagtem Industrie-Denkmal war auf der Mitgliederversammlung ein Vortrag des Vorsitzenden Sandfuchs gemeinsam mit Vereinsmitglied Johann B. Schreiber gewidmet. Das in der Schweiz lebende Vereinsmitglied mit tiefen Zeller Wurzeln ist ein Sprössling einer Hafnerfamilie, die über fünf Generationen hinweg Geschirr töpferte.
Beim Peterlistag-Springen war der heute 80-Jährige in den 1950er-Jahren stets dabei, »um am großen Tor zur oberen Fabrik das obligate Bibeligeschirr entgegenzunehmen – einen Becher, eine Tasse, einen Teller, meist in dritter Qualität.« Da er sich als gelernter Kachelformer und Töpfer sowie Meister im Keramiker-Handwerk bestens auskennt, berichtete er dem hoch interessierten Publikum in Wort und Bild davon, wie der Produktionsprozess in der Oberen Fabrik um die Mitte des 19. Jahrhunderts ablief.
Auf deren Areal standen neben dem Fabrikgebäude insgesamt fünf Rundöfen. Erhalten blieb der letzte in der Reihe, die Nummer Fünf, der »Fünfer Ofen« – »als Monument keramischer Brenntechnik und einer der wenigen erhaltenen Öfen mit drei Brennkammern und begehbar über vier Stockwerke.«
Die Befeuerung der Rund öfen mit Holz und Kohle an insgesamt neun Feuerstellen sowie der gesamte Brennvorgang vom Befüllen des Ofens über das Brennen hin zum Abkühlen und Entleeren stellte eine hohe Kunst dar – »ein Meisterwerk, das etwa eine Woche dauerte.« Hierbei hob Johann Schreiber hervor: »Die alten Hafner haben nach der Glutfarbe gebrannt: Bei 850 Grad Celsius beispielsweise ist die Glut dunkelrot.«
Neue Erkenntnisse und unerwarteter Zeitzeuge
In einem zweiten Vortragsteil stellte Bertram Sandfuchs die neuen Erkenntnisse zu Brenntechnik im Zeller Rundofen vor, die im Zuge von dessen Sanierung gewonnen werden konnten. Das Fazit: Zum einen weiß man nun, dass es sich um einen Ofen nicht mit aufsteigender, sondern mit sogenannt überschlagender Flammenführung handelt. Da diese Brenntechnik erst ab 1860 in deutschen Ländern eingeführt wurde, kann der Zeller Rundofen – entgegen bisheriger Annahmen – kaum vorher gebaut worden sein. Zum anderen jedoch »legen die Feuerungen nahe, dass diese und das Kellergeschoss älter sind«, so Bertram Sandfuchs.
Unerwarteter Weise meldete sich ein dem Verein zuvor nicht bekannter Zeitzeuge und schilderte seine Erfahrungen: Als 21-Jähriger hatte Konrad Isenmann in dem 1942 stillgelegten Rundofen der damaligen »Oberen Fabrik« gearbeitet, drei Monate lang. Beim Be- und Entladen des Ofens, in dem gleichzeitig auf drei Stockwerken gebrannt wurde, »sind jedem Mann je 600 Zentner durch die Hand gegangen«, erinnert er sich, »das war harte Arbeit.« Wobei für 100 Kilogramm Porzellan rund 500 bis 600 Kilogramm Kapselware benötigt wurden.
Ebenso erinnerte sich Konrad Isenmann daran, dass das »Köpfen« des Ofens, sprich dessen Öffnen am Ende des Brennprozesses, stets dem Brennmeister vorbehalten war.
Dem konnte Bertram Sandfuchs folgende verschriftlichte Erinnerung des Ofensetzers Hans Reinhard anfügen: »Der Kurt, der Heinrich und ich tragen die Kapseln in den Ofen und nach dem Brand auch wieder raus. Is ne schwere Arbeit. Wenn der Brand gut wird, also wenn wir wenig Fehlware haben, gibt es eine Prämie für uns alle. Dafür ist aber der Brenner verantwortlich. Prämie gibt’s aber auch, wenn der Ofen noch heiß is, wenn wir reingehen. Dann gibt’s Geld und Bier. Bei mehr als 50 Grad drei Liter. Haben wir mit den Chefs vereinbart. Was die nicht wissen: Wir haben unsere Kniffe, wie das Thermometer ein paar Grad mehr hat.«
Innengestaltung des Historischen Bahnhofs Zell
Der zweite Tätigkeits-Schwerpunkt des Historischen Vereins wird in diesem Jahr in der Innengestaltung des Bahnhofs liegen. »Unser in den letzten Jahren bewusst angesparter Kassenbetrag wird komplett hierfür eingesetzt«, erläuterte der Vorsitzende. Ein neues großflächiges Schild an der Wand der offenen Wartehalle wird die Überschrift »Herzlich Willkommen im Zeller Städtle« tragen – samt kurzer Stadtgeschichte, Stadtplan mit Hauptsehenswürdigkeiten sowie Zeller App mit jeweils aktuellen Links zur Geschäftswelt und zum touristischen Angebot.
Zum zweiten erfolgt eine Erneuerung und Erweiterung der bisherigen Dauerausstellung zum Historischen Bahnhof Zell. Das Prinzip »Historische Schaufenster« wird beibehalten. Für vier Räume mit insgesamt 72 Quadratmetern obliegt dem Historischen Verein die von ihm konzipierte Gestaltung. Weitere sieben Quadratmeter wird die Historische Bürgerwehr Zell gestalten.
Zwei Änderungen bei Neuwahlen
Nach einstimmig erfolgter Entlastung bestätigten Neuwahlen folgende Vorstandsmitglieder in ihren Ämtern: Vorsitzender Sandfuchs mit seinem Vize Horst Feuer, Schatzmeister Bernd Kähms sowie die Beisitzer Wolf-Dieter Geißler, Thomas Hoog, Annelies Saade, Heinz Scherzinger, Wolfgang Krämer und Hansjörg Wörner. Die beiden letzteren fungieren zudem als Kassenprüfer. Dieter Petri übergibt auf eigenen Wunsch sein langjähriges Amt des Schriftführers an Stefan Falk und agiert künftig als Beisitzer, neu in dieser Funktion ist zudem der Keramikfachmann Johann B. Schreiber.
Kontakt
Der 1910 gegründete Verein zählt aktuell 90 Mitglieder. Interessierte können sich bei Bertram Sandfuchs melden: Telefon 07835/3448, mailto vorstand@historischer-verein-zell.de., Homepage: www.historischer-verein- zell.de.