Vier Jahrzehnte lang hat Luitgard Siegesmund ihr Stoff-Mode-Geschäft erfolgreich geführt. Zum 1. Januar geht sie in den Ruhestand und übergibt das Fachgeschäft an Schneidermeisterin Simone Armbruster. Sie ist schon seit acht Jahren Mitarbeiterin von Luitgard Siegesmund. Mit dem Inhaberwechsel ändert sich auch der Name: Aus »Stoff-Mode Siegesmund« wird »Stoffe & Zwirn«.
Mit großem fachlichem Können und noch mehr Herzblut hat Luitgard Siegesmund ihr Stoff-Mode-Geschäft geführt und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht. »Es war eine spannende und tolle, manchmal auch eine anstrengende Zeit«, blickt die Firmengründerin auf die lange Zeit ihrer Selbstständigkeit zurück. Oft gingen die Kontakte zu den Kundinnen und Kunden weit über das Geschäftliche hinaus und es entstanden wertvolle, persönliche Beziehungen über Generationen hinweg. Viele der heutigen Kundinnen, die schon wieder mit ihren Babys ins Geschäft kommen, durfte sie schon beraten, als sie selbst noch kleine Kinder waren. »Diese Begegnungen haben meinen Kunden und auch mir gut getan«, kann Luitgard Siegesmund ein zufriedenes Fazit ziehen.
Als Aushilfe in einem Stoffgeschäft angefangen
Früher hat es in Unterharmersbach eine kleines Stoffgeschäft geben. Der Inhaber Edmund Heil war schon ein älterer Mann. Bei ihm hat Luitgard Siegesmund aus geholfen, als sie nach ihrem 1. Staatsexamen zum Lehramt im Mutterschutz und in dieser Zeit zuhause war. Als Edmund Heil sein Geschäft aus gesundheitlichen Gründen aufgab, hat sie ihm die Stoffe abgekauft und den Laden in der Filiale der ehemaligen Bäckerei Welle weitergeführt.
Im Jahr 1981 hat Luitgard Siegesmund ihr Gewerbe angemeldet. Trotzdem schloss sie noch das 2. Staatsexamen ab und unterrichtet drei Jahre lang an der Berufsschule in Achern. In dieser Zeit hat sie in ihrer Schwiegermutter eine hilfreiche Unterstützung gehabt. Als dann das zweite Kind unterwegs war, gab sie ihren Lehrerberuf auf, widmete sich fortan dem eigenen Geschäft.
Räumliche Stationen waren 1985 der Umzug in die Fabrikstraße 2 und später in größere Räume im ehema ligen Schuhhaus Willmann. Seit 2008 befindet sich Stoff-Mode-Siegesmund im Geschäftshaus der Familie Bruder in der Hauptstraße 102.
»Karierte Maiglöckchen« nachgefragt
Dank der großen Auswahl und der hervorragenden fachlichen Beratung wurde das Geschäft von Luitgard Siegesmund weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Nähbegeisterte Kundinnen und Kunden aus der ganzen Ortenau kommen heute nach Zell. Die Geschäfte sind immer gut gelaufen. Heute mehr denn je, da das Nähen sehr beliebt ist und gerade für Kinder sehr viele Kleidungstücke selbst angefertigt werden.
Ein großes Thema ist natürlich die Fasnacht. »Normalerweise wäre jetzt Hochkonjunktur. Aber nun schon im zweiten Jahr in Folge hat Corona die Narren ausgebremst«, berichtet Luitgard Siegesmund. Dennoch bringen derzeit Zünfte und Gruppen ihre Kostüme in Ordnung oder nähen teilweise neue Narrenkleider. Zur Kundschaft von Stoff-Mode-Siegesmund gehören Zünfte aus dem Renchtal, vom Schuttertal und aus dem gesamten Kinzig- und Harmersbachtal. Gerade zur Fastnacht sei immer viel Kreativität gefordert. »Da werden schon mal karierte Maiglöckchen nachgefragt«, schmunzelt Luitgard Siegesmund. Nicht alle, aber sehr viele Wünsche konnten stets erfüllt werden.
Seit dem Jahr 2018 hat Stoff-Mode-Siegesmund sogar eine eigene Stoffkollektion mit Schwarzwald-Motiven. Die Gemälde stammen von Künstlerin Marianne Treier. Diese wurden von Alfred Siegesmund grafisch für die Stoffproduktion aufbereitet. Aber nicht erst für dieses Projekt war Alfred über vier Jahrzehnte an der Seite seiner Frau der gute Geist im Hintergrund des Fachgeschäftes. Die Schwarzwald-Stoffe übrigens haben inzwischen nicht nur in der Region viele Liebhaber gefunden, sondern es schon ins Ausland bis nach Kanada und Kalifornien geschafft.
»Es hat sich gefügt, dass ich eine Nachfolgerin gefunden habe«, blickt Luitgard Siegesmund mit etwas Wehmut zurück und freut sich gleichzeitig auf die kommende Zeit, die nun der Familie, den drei Enkelkindern und den Hobbys gehört. Auch die Frage steht schon im Raum, ob sie ab und an im Fachgeschäft ihrer Tochter Julia aushilft, die in Offenburg das »Glückskind« betreibt.
Nahtloser Übergang des Geschäftes
Die Firmengründerin weiß ihr Lebenswerk in guten Händen. Simone Armbruster hat bereits acht Jahre stundenweise im Geschäft mitgearbeitet. Sie hat eine Ausbildung zur Damenschneiderin absolviert und als Gesellin in einer Maßschneiderei gearbeitet, wo vor allem Kleinserien hergestellt wurden. Dann hat sie die Meisterschule Müller & Sohn in München besucht und dort im Jahr 1995 erfolgreich die Meisterprüfung abgelegt. Simone Armbruster wurde Schnittdirektrice für Damenoberbekleidungen.
Der Liebe wegen zog die gebürtige Fränkin im Jahr 2002 aus der Nähe von Ansbach ins Kinzigtal nach Biberach. Nach der Babypause arbeitet sie im Braut- und Abendmoden-Bereich und sammelte erste Erfahrungen im Einzelhandel. Vor acht Jahren ist sie in das Stoffgeschäft von Luitgard Siegesmund gewechselt und hat als zweiten Job im Verkauf beim Bächle-Beck in Biberach gearbeitet. Nicht zuletzt als aktives Mitglied der Reiherhexen ist sie hier verwurzelt und kennt Land und Leute.
So sind die Weichen für einen nahtlosen Übergang gestellt. »Luitgard schließt am 31. Dezember ihr Geschäft ab und ich schließe es am 3. Januar wieder auf«, blickt Simone Armbruster mit viel Vorfreude auf ihren neuen Lebensabschnitt als selbstständige Unternehmerin.