Wie eine Mischung aus Marionette und Roboter dreht sich eine Ballerina auf dem Podest, zu den Lautsprecher-Klängen einer Spieluhr. Diese stoppt, und das kleine Mädchen verkündet energisch: »Wenn ich groß bin, werde ich eine erfolgreiche Sportlerin!«
Mit dieser Szene beginnt »Show!« – jenes Ein-Frau-Schauspiel, das am vergangenen Freitagabend vom Theater Eurodistrict BAden ALsace im Zeller Kultur- und Vereinszentrum aufgeführt wurde. »Show«, das ist eine mit Witz, Dramatik sowie enormem sportlichen Können dargebrachte Geschichte einer blutjungen russischen Sportlerin, auf Höchstleistung getrimmt und dadurch ihrer Kindheit beraubt. Dass sie im Alter von 13 Jahren schließlich gegen ihren Willen mit der Mutter nach Deutschland auswandern muss, bedeutet für sie zunächst eine Katastrophe.
Das Stück trägt autobiografische Züge – die von Mitverfasserin und Darstellerin Yaroslava Gorobey. Die 1992 Geborene wuchs in Russland auf, war dort als Kind als professionelle Eiskunstläuferin erfolgreich, im Show-Dance gar Weltmeisterin, gewann auch in Deutschland noch zahlreiche Meisterschaften.
Als nun studierte Schauspielerin stellt sie mit großer Intensität und immer wieder liebeswert komödiantisch den Lebensweg der Protagonistin des Theaterstückes dar: den eines »russisch-ukrainisch- karelischen« Kindes, das von einem zukünftigen Olympiasieg träumt. Und das seinen Traum bis zur Erschöpfung verfolgt. Ein Traum, der ihr von der Mutter – einer einst auf internationaler Ebene kämpfenden Leistungssportlerin – eingeimpft wurde. Ein Traum, für den die Mutter sich aufopfert, und für den sie die Protagonistin antreibt. Unablässig.
In der Heimat fremdbestimmt
Jeden Tag Training, jedes Wochenende Auftritte. Dazu das immer unerbittlichere Regiment der Trainerinnen, gnadenlos. Die sportliche Karriere geht steil bergauf, doch nie ist die Mutter zufrieden mit ihrer Leistung, obendrein der Vater dem Kind innerlich entfremdet. Über all dem geht die Ehe der Eltern in die Brüche, auch die Beziehung zwischen Mutter und Tochter leidet.
Wie anders dagegen das, was sie in einem Theaterkurs erlebt: Da gibt es kein Richtig und kein Falsch, keinen Druck zur Perfektion, da zählen Intuition und pure Spielfreude. Hier fühlt sie sich so leicht! Nach einem Jahr jedoch lassen ihr Schule, Training und inzwischen auch Klavierunterricht keine Zeit mehr dafür. Denn das Credo der Mutter lautet: Wenn man etwas macht, dann nicht aus Spaß, sondern professionell!
Ausgerechnet die Mutter aber sorgt für das Ende der Eiskunstlaufkarriere: Sie heiratet einen Deutschen und wandert aus, von St. Petersburg in die deutsche Provinz. Trotz heftigen Sträubens bleibt der Protagonistin nichts anderes übrig, als mitzugehen. Der Start in der Fremde ist schrecklich. Sie vermisst ihre Freunde, den Vater, das Eiskunstlaufen, einfach alles. Erst, als sie einen Theaterkurs besuchen darf, legt sie ihre Weigerung ab, die deutsche Sprache zu erlernen.
In der Fremde das eigene Wollen gefunden
Bei der Theaterpremiere schließlich erfährt sie erstmals rückhaltlose Anerkennung seitens der Mutter. Von nun an geht sie nie mehr aufs Eis. Konzentriert sich stattdessen – zusätzlich zum Theaterspielen – aufs Tanzen, »um es mir selbst zu beweisen.« Vor allem Show-Dance hat es ihr angetan, kann sie hier doch ebenfalls in Rollen schlüpfen. Und sie erkennt: »Bis jetzt war mein Leben von Disziplin und Struktur geprägt. Aber hier in Deutschland habe ich endlich verstanden, wer ich bin und was ich will.«
Für ihr tief berührendes, sich mit erzählenden Passagen abwechselndes Szenenspiel reichen Gorobey einige wenige zu einem Quader zusammenschiebbare Elemente sowie das eine oder andere Kostümteil. Zum Vergnügen aller wusste sie zudem geschickt mit dem Umstand zu spielen, dass im Publikum einige der russischen Sprache mächtigen saßen.
Stets von kräftigem Applaus begleitet waren Yaroslava Gorobeys sportliche Auftritte, mit denen sie die Protagonistin – mal komödiantisch, mal professionell – beim rhythmischen Turnen zeigte, beim Ballettunterricht, als Tänzerin und vor allem: als Eiskunstläuferin.
Letzteres wurde ermöglicht durch Kunsteis: eine glatte weiße Kunststoffplatte, die das Bühnenbild beherrschte. Verglichen mit einem Eisstadion war diese Fläche winzig – doch groß genug, um nicht auf die Bühne des Zeller Kultur- und Vereinszentrums zu passen.
So kam es, dass das Publikum die Bühne im Rücken hatte. Denn das rund zweistündige Spielgeschehen fand unten im Zuschauerraum statt, an dem der Bühne gegenüber liegenden Ende des Saals. Mit dem Nachteil jedoch, dass die hinteren Plätze schlechte Sicht hatten. Nach der Pause verfolgten die betreffenden Zuschauer das Geschehen von der Empore aus.