Vom »beglückenden Gefühl«, wieder Live-Konzerte in der Evangelischen Kirche erleben zu können, sprach Joachim Groß, Vorsitzender des Kirchengemeinderats, als er am Mittwochabend die Gäste zur zweiten »Sommermusik« begrüßte. Gespannt waren die zahlreichen Besucher auf das Trio »Candaya«, dessen Repertoire im Vorfeld als eine »Musik aus dem Nirgendwo« beschrieben wurde.
Was in Verbindung mit »Sommernachtsträumen« und »Sternenfunkeln« auch für rührselige Schlagerromantik gelten könnte, eröffnete einer zunächst verblüfften, nach und nach faszinierten Hörerschaft einen ganz anderen musikalischen Kosmos – einer, der Kulturen und Zeiten verwebt. Katharina Mlitz-Hussain (Violine und Bratsche), Eva Toball (Harfe) und Gemma Wagner (Gesang) präsentierten gediegene Eigenkompositionen und selten gehörtes sephardisches Liedgut.
Das Konzert begann mit perlenden Harfenklängen, die den melodiös phrasierenden Gesang geradewegs zu stimulieren schienen: »Tautropfen« betitelt, weckte der von der Viola akzentuierte melodische Fluss Assoziationen an unzählige Wassertropfen in der Morgensonne. Das klang entrückt und vertraut zugleich.
Inspiriertes Zusammenspiel
»En el jardin de la reina« ist ein traditionelles Lied der Sepharden, der jüdischen Bevölkerung Spaniens, die ab 1492 von der Iberischen Halbinsel vertrieben wurden. Sie ließen sich vorwiegend im Maghreb nieder, vereinzelt auch in Amsterdam und in Hamburg. Ihre Kultur und Sprache behielten sie bei. Gemma Wagner sang ausnehmend gefühlvoll und auch ohne Kenntnis des Sephardischen berührte die ebenso schlichte wie harmonisch interessante Weise ungemein.
Beim instrumentalen Stück »Dämmerung« entpuppten sich Katharina Mlitz-Hussain und Eva Toball als hervorragende Interpretinnen ihrer Eigenkomposition. Das allzeit inspirierte Zusammenspiel von Harfe und Violine überzeugte, war expressiv und partnerschaftlich.
»Furáhas« steht für Lebensfreude und stammt aus der Feder von Eva Toball und ihren musikalischen Partnerinnen. Der von Gesten begleitete Gesang Gemma Wagners lebt von einer fast kindlichen Freude am Klang mit den Silben, die wie rhythmische Bausteine zu Patterns zusammenwachsen. Die Geige nimmt die Töne der Stimme auf und führt sie virtuos weiter. Das Ganze entwickelt einen fast trancehaften Groove. Die Hörer applaudierten anhaltend.
Wechselnde Temperamente und Gemütslagen brachten dem Publikum einen zusätzlichen Genuss, etwa bei den dezent schwebenden Klängen im »Lied der Sterne« und dem kraftvoll und farbig kontras tierenden »Walzer im Nirgendwo«. Vom entspannten und gekonnten Spiel der drei Musikerinnen perfekt in Szene gesetzt.
Glanz und Timbre der Stimme
Reiches Melos ziert »Durme querido hijico« und verleiht dem sephardischen Schlaflied durch den Klang der Nay, einer orientalischen Flöte, und dem pizzicato der Viola einen fremdartigen, gleichwohl volkstümlichen Klang. Das Lied, das die Mütter an der Wiege sangen, erzählt von den Lebensabschnitten eines Menschen, aber auch von den Verlustängsten einer Mutter. Beides vermittelt Gemma Wagner mit dem Glanz und dem Timbre ihrer Stimme.
Während »Danza del Bosco«, komponiert von K. Mlitz-Hussain, entfernt an die Tanzmelodien der Renaissance erinnert, deutet »Pendulum« die Weite des Universums an und simuliert in diesem flirrenden Klangraum der Harfen arpeggien und der farblich fein abgestimmten Tönung der Viola einen breiten Assoziationsstrom. Fraglos ein musikalischer Höhepunkt des Abends.
Fantasievoll und spannungsgeladen duettierten sich orientalische Flöte und Violine in den ersten Takten von »Düne«, das sich abwechslungsreich und rhythmisch pointiert entfaltete. Eine packende Erzähldramaturgie prägte zum Schluss des Konzerts den reizvoll kolorierten »Schmetterlingstanz«, der mit begeistertem Beifall gefeiert wurde. Mit einer von Spielfreude dominierten Zugabe klang der Sommermusikabend mit »Candaya« nach einer guten Stunde aus.