Für einige Wochen übernimmt Prädikant Gottfried Zurbrügg gerade wieder die Vertretung in Jerichow. Er berichtet für unsere Leser von seinen Erfahrungen und Erlebnissen in Sachsen-Anhalt:
Die Zeit im Kloster ist leider schon um. Heute fahren wir nach dem Gottesdienst nach Hause. Vor uns liegen 710 Kilometer. Wir werden wohl an die zehn Stunden brauchen, wenn hoffentlich kein Stau uns aufhält. Hat sich das gelohnt, so weit zu fahren und hier für nur wenige Menschen Andachten zu halten? Man muss die richtigen Fragen stellen, um das zu wissen. Wie war die Zeit? Meine Antwort: Erholsam, stresslos, man kam zur Ruhe, hatte Zeit nachzudenken, mit Leuten zu sprechen, ob über das Wetter, die Blumen im Garten oder den Sinn des Lebens. Es war kein Urlaub im üblichen Sinn, aber trotzdem Urlaub vom Alltag. Ja, es hat sich gelohnt. In der Mittagsandacht gibt es im vorgeschriebenen Gebet so eine schöne Zeile:
Ach Herr, lass mich danach trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern das ich tröste,
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe,
nicht das ich geliebt werde, sondern dass ich liebe …
Die Zeit hier war eine Möglichkeit einmal den Blickwinkel zu verändern oder zu korrigieren.
In der Dorfkirche Scharteucke hängt ein Taufengel. Früher wurden die Figuren zur Taufe von der Decke heruntergelassen, um den Menschen mit allen Sinnen erfahrbar zu machen, was eigentlich geschieht. Heute glauben wir mit virtuellen Bildern auf dem Handy mit allen Sinnen die Welt zu erfahren, aber das ist ein Irrtum. Die Bilder auf dem Handy sind zweidimensional, wie ein Schatten, aber nicht greifbar. Informierend und unterhaltsam, aber nicht mehr. Sie erreichen nur einen ganz kleinen Bereich unseres Seins. Es lohnt sich, die Welt wieder mit allen Sinnen zu erfassen: beim Wandern im Wald, beim Betreten einer Kirche, bei einer Rast auf dem belebten Marktplatz oder bei der staunenden Besichtigung einer Dorfkirche.
Dienst oder Urlaub – es war schön und bereichernd. Bis zum nächsten Jahr in Jerichow.