Vor einiger Zeit hat die Zeller Keramik ihren Werksverkauf in die Stadtmitte verlegt. Wer an der Straße daran vorbei geht, dessen Blick wird vom mildgelben Geschirr mit dem grasgrünen Saum und dem tiefschwarzen Geflügelpaar angezogen. Nicht zuletzt ist es diesem tierischen Duo zu verdanken, dass es die Zeller Keramik heute noch gibt.
Weithin bekannt und immer noch gefragt, ist auch das Dekor Favorite, das Elisabeth Schmidt-Pecht entworfen hat. Die beiden Gestaltungen ergänzen sich. Während Hahn & Henne sich auf dem täglichen Frühstückstisch »wohlfühlen«, ziert Favorite die sonntägliche Tafel.
Bei Elisabeth Schmidt-Pecht handelt es sich um eine Künstlerin aus Konstanz, Carl Schöner ist dagegen ein heimisches Gewächs. Am 7. Juli 1856 erblickte er das Licht der Welt. Seine Eltern waren Franz Xaver Schöner von Zell, seine Mutter Theresia Hug aus Unterharmersbach. Der Vater bestritt den Lebensunterhalt für die Familie aus seiner Arbeit am Webstuhl.
Carl besuchte die Volksschule, damals in der Nachbarschaft der Kirche. Das erhaltene Fachwerkgebäude in der Kirchstraße wird heute im Volksmund »Strickschule« genannt. Am Ende der Volksschule war es üblich, die erste heilige Kommunion zu empfangen. Das religiöse Ereignis fiel mit dem Übergang von der Schule in die Arbeitswelt zusammen.
Nach der Schulzeit begann Carl Schöner in der Oberen Fabrik eine Lehre als Porzellanmaler. Nach dem Abschluss hat er die Firma verlassen. Vermutlich wurde er aus wirtschaftlichen Gründen nicht übernommen. 1869 hat sich Inhaber Gottfried Ferdinand Lenz entschlossen, die Firma an Bruno Prössel aus Berlin zu verkaufen. Aber der ehemalige technische Beamte der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur Berlin war nicht sonderlich erfolgreich in Zell. 1874 musste er Insolvenz anmelden. Mitschuldig an den Schwierigkeiten war der Krieg von 1870/1871. Damals brach die Lieferung der für das Porzellan notwendigen »weißen Erde« (Kaolin) aus Limoges (Zentralfrankreich) schlagartig ab.
Der Strebsame
Ersteigert wurde die obere Fabrik von Carl Schaaff, einem 24-jährigen Kaufmann aus Lahr. Dass der blutjunge Mann mitbieten konnte, verdankte er seinem finanzstarken Vater, der bereits mit den Problemen der Zeller Fabrik vertraut war. Mit Carl Schaaff ging es wieder aufwärts. Zur Blütezeit beschäftigte der Betrieb 365 Arbeiter und nicht weniger als 80 Porzellanmaler. Einer von ihnen war Carl Schöner, der hier ab 1880 Arbeit und Brot fand.
Dass er bereits sieben Jahre später wieder kündigte, verwundert, zumal ihm sein Chef Carl Schaaff im Abschieds-Zeugnis »volle Zufriedenheit«, sowohl mit seiner »Leistung« als auch mit seinem »Betragen«, bestätigt. Grund für die »Kündigung aus eigenem Willen« war wohl das Fortbildungsangebot der Konkurrenz. Die Untere Keramik-Fabrik von Haager & Hoerth versprach ihm den Besuch eines Halbjahreskurses (1887/1888) an der Gewerblichen Fortbildungsschule München. Diese Gelegenheit wollte sich der strebsame Maler nicht entgehen lassen.
In die Untere Fabrik zurückgekehrt, brachte es Carl Schöner nicht nur zum Obermaler, sondern genoss auch das Vertrauen der Belegschaft. 1890 wurde er zum Vertrauensmann der Alters- und Invaliditäts-Versicherung gewählt. Derart beruflich gesichert, konnte ans Heiraten gedacht werden. Im April 1896 schloss Carl Schöner mit Rosina-Maria Hofmeister aus dem schwäbischen Rottenburg-Echingen den Bund fürs Leben. Noch im November des Jahres kaufte Schöner von seiner Mutter, inzwischen Witwe, sein Elternhaus.
Das einstöckige Fachwerkhaus in der Nordracher Straße ist bis heute erhalten. Die Kaufsumme für Haus und zugehöriger Liegenschaft von 11 ar betrug 4.000 Mark. Mehr als die Hälfte der Summe musste Schöner bei der Zeller Sparkasse aufnehmen. Das Gebäude beherbergte nicht nur eine Wohnung, sondern auch eine Werkstatt, vormals für den Webstuhl, und eine kleine Stallung. Ein bisschen Selbstversorgung gehörte damals dazu.
1897 kam Töchterchen Paula auf die Welt. Zu ihrem ersten Geburtstag bemalte der Vater aus Dankbarkeit ein Gedeck mit einem stolzen Hahn und einer nicht minder stolzen Henne. Sicher ahnte er damals nicht, dass dieses Dekor einmal zum Dauerbrenner werden würde. Der Grund für die Beliebtheit dieses so einfachen wie eindrücklichen Motivs dürfte in der kindgerechten Naivität und farblichen Klarheit liegen. Das Dekor spricht auch Erwachsene an, die ihre Kindheit nicht vergessen haben.
Der Künstler
Die alles überragende Bekanntheit von »Hahn & Henne« darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Carl Schöner eine Vielzahl anderer Entwürfe hinterlassen hat. Sie sind bei Sammlern begehrt und gelten ihnen als Raritäten. Häufig erscheint dabei das Schwarzwaldhaus, das mit seinem großen Dach Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt. Andere Beispiele beweisen, dass der Maler auch das Portrait beherrscht hat.
Carl Schöner hatte mit seiner Frau Rosina-Maria Hofmeister acht Kinder. Paula, die Erstgeborene, blieb ledig und pflegte ihre Mutter, die 1926 starb. Sie selbst zog im Alter in das Altenheim St. Gallus, wo sie 1987 mit 90 Jahren verstarb.
1898 kam Franz Xaver zur Welt. Er arbeitete wie sein Vater in der Zeller Keramik. Als junger Arbeiter schloss er sich dem Kath. Arbeiterverein an. 1929 referierte er im kath. Gesellenverein (Kolping) über die Ziele der »Christlichen Gewerkschaft«. Im selben Jahr zog er mit seiner Frau nach Weiden in die Oberpfalz. Hier war ihm die Stelle eines »Sekretärs der Christlichen Gewerkschaft« angeboten worden. Als Hitler 1933 an die Macht kam, wurden die Gewerkschaften verboten. Die Arbeiter sollten sich stattdessen in der nationalsozialistischen »Deutschen Arbeitsfront« mit den Unternehmern fügen. Franz Xaver gründete, der Not gehorchend, einen Tabakwaren-Großhandel. Weil er sich weigerte, sich der Partei Hitlers anzuschließen, wurde ihm die Belieferung von Kantinen verboten. 1939 wurde er zum Wehrdienst einberufen und geriet 1945 in amerikanische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung wohnte er mit der Familie in einem Behelfsheim, da die Wohnung durch eine Brandbombe zerstört worden war. Den Unterhalt bestritt er erneut mit einem Großhandel für Tabakwaren. Er gehörte zu den Gründern einer gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft, deren Aufsichtsratsvorsitzender er wurde. Von 1948 bis 1952 gehörte er als CSU-Abgeordneter dem Bayrischen Landtag in München an. Obwohl Franz Xaver mit seiner Familie Zell verlassen hatte, blieb er der Heimat doch stets verbunden. Dazu hat auch die gebürtige Zellerin Barbara Metzler beigetragen, mit der er seit 1923 verheiratet war. Besonders hatte es Franz Xaver die Zeller Fasend angetan, die er immer wieder gern besuchte. Auch zu seinen Schulkameraden hielt er Kontakt. Der rührige Mann starb 1967 an einem Herzinfarkt.
Der Familienvater
Weitere Kinder von Carl Schöner und Rosina-Maria Hofmeister waren Maria Theresia, geb. 1899, August Schöner, geb. 1902, und Karl Schöner, geb. 1904. Karl wurde Feinmechaniker, verstarb aber schon im Alter von 25 Jahren an einer Krankheit. Als sechstes Kind kam 1904 Fritz Schöner zur Welt. Er wurde 1934 zum Priester der Erzdiözese Freiburg geweiht und feierte in Zell seine Primiz. Es folgten noch die Kinder Elisabeth, geb. 1908, und Anna, geb. 1910.
Carl Schöner starb im Spätjahr 1929 an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Ein Motorrad hatte den 73-jährigen Spaziergänger unweit seines Hauses in der Nordracher Straße erfasst.
Die Zeller Keramik-Manufaktur hält mit dem beliebten Dekor »Hahn & Henne« die Erinnerung an den begabten Keramikmaler wach. Der Zeller Stadtrat hat im Baugebiet am Fuß des Lupfen eine Straße nach ihm benannt. Das städtische Verkehrsbüro schmückte einen besonderen Wanderweg durch das Hinterhambachtal mit dem Namen »Hahn & Henne«, und weckt so beim Wanderer immer wieder die Frage, wer wohl die Idee zu diesem heimeligen Dekor hatte.