Der Countdown läuft. Brände, Bombenfunde, Trinkwasserverunreinigungen oder andere Gefahrenlagen – um die Bevölkerung im Notfall bestmöglich zu schützen, ist es wichtig, dass neben Einsatzkräften auch die Bevölkerung schnell informiert ist und weiß, was zu tun ist. Ziel des ersten bundesweiten Warntags am Donnerstag, 10. September 2020, ist es daher, die Menschen für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren und die technische Infrastruktur zu überprüfen.
Am gemeinsamen Aktions- und Testtag von Bund und Ländern sind auch der Ortenaukreis und seine Städte und Gemeinden beteiligt. Zukünftig soll er jährlich an jedem zweiten Donnerstag im September durchgeführt werden.
Am Warntag wird um 11 Uhr eine Probewarnung von der nationalen Warnzentrale im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) durchgeführt. Sie wird an alle Warnmultiplikatoren geschickt, die an das Modulare Warnsystem MoWaS angeschlossen sind. So erhalten etwa App-Server und Rundfunksender die Probewarnung und versenden diese wiederum in ihren Systemen und Programmen an Endgeräte wie Radios und Warn-Apps. Auch im Ortenaukreis werden bei Schadensereignissen oder Gefahrenlagen auf diesem Weg Informationen verbreitet, welche zum Beispiel durch die kostenlose App »NINA« des BBK empfangen werden können. Die Entwarnung durch das BBK erfolgt um 11.20 Uhr über MoWaS.
Sirene hat Weckeffekt
»Damit die Ortenauerinnen und Ortenauer auf Notfälle und Katastrophen vorbereitet sind und auf verschiedene Szenarien richtig reagieren, ist es sinnvoll, die Alarmabläufe regelmäßig zu proben und sich zu informieren«, appelliert Urs Kramer, Leiter des Amtes für Brand- und Katastrophenschutz. Auch wenn die von früher bekannten Sirenensignale heute durch digitale Warn-Apps wie beispielsweise NINA, Katwarn oder BIWAPP ergänzt werden, so gelten sie auch weiterhin als wichtige Warnmöglichkeit, vor allem weil der Heulton einer Sirene einen Weckeffekt hat, erklärt der Experte. Die unterschiedlichen Signaltöne von Sirenen stehen für verschiedene Schadensereignisse. Gerade nachts seien Radio, Fernseher oder Internet ausgeschaltet und das Mobiltelefon sei lautlos gestellt, weshalb Sirenen, die in den letzten Jahren eher als Auslaufmodell gesehen wurden, in jüngster Zeit wieder aktiviert werden.
Ein auf- und abschwellender, einminütiger Heulton kündigt Gefahr an. Ertönt dieses Signal, sollte man geschlossene Räume aufsuchen, Türen und Fenster geschlossen halten. Da bei akuten Gefahren über Hörfunk weitere Informationen und Verhaltenshinweise gegeben werden, sollte man Radio oder Fernseher einschalten. Wenn möglich, können Informationen auch über die Internetseiten der regionalen Medien abgerufen werden. Bei Stromausfall ist dies nur über Mobilfunkgeräte mit GSM-Karte möglich. Wichtig auch: Die Notrufnummern 110 und 112 sind nur in Notfällen zu wählen! Die Entwarnung erfolgt durch einen einminütigen, gleichbleibenden Heulton.
Sache der Kommunen
Auch wenn man die Sirene schnell mit der Feuerwehr in Verbindung bringt: Die Aufgabe der Bevölkerungswarnung ist keine Aufgabe der Brandschützer, sondern obliegt als unterste Einrichtung der Stadtverwaltung. »Im Ortenaukreis existieren aktuell insgesamt 77 Sirenen, meist auf öffentlichen Gebäuden wie Rathaus- oder Schuldächern«, fasst Kramer zusammen. Diese können heute teilweise auch digital ausgelöst werden. Die Warnungen im Ereignisfall werden in der Regel von den vor Ort zuständigen Kommunen oder deren Einsatzleiter der Feuerwehr ausgesprochen. Sie können darüber hinaus auch von Behörden von Bund, Ländern und Landkreisen gesteuert sein. So ist der Ortenaukreis etwa für Gefahrenabwehrmaßnahmen wie zum Beispiel bei Großschadensereignissen, das heißt bei Stromausfall, Hochwasser oder Sturm, bei Bombenentschärfungen oder bei Trinkwasserverunreinigungen zuständig. Die ausgesprochenen Warnungen werden über die Integrierte Leitstelle Ortenau an das Modulare Warnsystem (MoWaS) des Bundes weitergeleitet.
Heulton als Auslaufmodell?
Längst verfügen nicht mehr alle Gemeinden über Sirenen, die die Bevölkerung warnen können. Ursprünglich wurden sie häufig auch zur Alarmierung der Feuerwehrleute eingesetzt. Weil die heute standardmäßig mit Meldeempfängern ausgestattet sind, wurden auch die Sirenen in manchen Gemeinden aus dem Alarmnetz genommen oder nicht mehr auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Sirenen kosten Geld. Sie müssen regelmäßig gewartet werden.
»Mit dem Ende des kalten Krieges hat man vielerorts die Vorhaltung von Sirenen für den ABC- und Fliegeralarm als überflüssig betrachtet. Wartungsverträge wurden nicht mehr verlängert beziehungsweise wurde kein Geld mehr in deren Unterhalt gesteckt«, erläutert der Zeller Feuerwehr-Kommandant Philipp Schilli die historischen Hintergründe. »Die Einführung der Alarmierung über Funkmeldeempfänger hat dann die Sirene auch für die Feuerwehr überflüssig gemacht. Somit sind die Sirenen in Zell nur noch stumme Zeitzeugen aus alten Tagen.« Zwar seien die Sirenen in Zell prinzipiell noch in der Lage auszulösen, sie müssten aber technisch komplett generalüberholt werden. Die einzige Sirene die »regelmäßig« im Betrieb ist, ist die auf dem Schlauchturm am Feuerwehrhaus in Zell. Sie wird zum Auftakt der Frühjahrsübung betätigt. Allerdings verfügt diese nur noch über die Dreitonfolge, welche das Alarmierungssignal für die Feuerwehr war. Weitere Sirenen in Zell gibt es an der Grundschule, im Entersbach am Dorfgemeinschaftshaus und in Unterharmersbach am Rathaus. Die Stadt Zell wird am Alarmtag keine der Sirenen auslösen.
Warnung bei Katastrophen
Anders sieht das in Nordrach aus. Dort werden gleich drei Sirenen am Donnerstagvormittag heulen. In Oberharmersbach gibt es zwei Sirenen, die Gemeinde oder Leitstelle auslösen können. Eine auf der Jauschbacher Schule (sie wird bald auch den Hochbehälter Jauschbach versetzt), eine auf dem Rathaus. Ihre Signale erreichen den größten Teil der Oberharmersbacher Bevölkerung. Feuerwehr-Kommandant Lehmann steht hinter dem multimedialen Warntag: »Die Technik entwickelt sich weiter. Mit der Sirene erreicht man viele Menschen, zum Beispiel auch nachts. Apps wie die Nina-Warn-App ist gut, weil man darüber unmittelbar über Gefahren informiert wird, zum Beispiel, wenn Leitungswasser verunreinigt ist. Es hat sich gezeigt, dass solche Systeme wichtig sind.« Dabei denkt Lehmann nicht zuletzt an Umweltkatastrophen wie Starkregen, Hochwasser und Sturm.
Patrick Dreilich, Kommandant der Biberacher Feuerwehr, kann sich nicht daran erinnern, dass die Sirene, die auf dem Dach seines Feuerwehrhauses sitzt, schon jemals aus »echten« Alarmierungsgründen ausgelöst wurde. Sie läutet aber jedes Jahr die Herbstübung ein. Weil die in diesem Jahr ausfällt, passe es ganz gut, dass es einen bundesweiten Probealarm gebe. Die Sirene in Prinzbach erklärt der Brandschützer weiter, habe eine Besonderheit. Sie ist von der Leitstelle auslösbar.