Im Storchenturm wird derzeit ein Sammler-Nachlass von Maria Schwuchow gezeigt. Er bietet willkommene Anknüpfungspunkte an die Zeller Postgeschichte. Der älteste Brief stammt aus dem Jahre 1611. Die ersten Briefmarken sind eine Kuriosität und die gefärbten Stadtansichten auf Postkarten malen ein liebliches Stadtbild.
Maria Schwuchow, geb. Müller, stammte vom »Bühl-Bauer-Hof« in Unterharmersbach. In ihrer Freizeit schloss sie sich gerne der Sammlerleidenschaft ihres Mannes Harald Schwuchow an. Bei den alten Briefen und Postkarten konzentrierte sie sich auf Zell und Umgebung. Kein Weg zu einer Auktion war dem Ehepaar zu weit, um seltene Stücke ausfindig zu machen und zu ergattern. Jetzt werden die kostbaren Unikate für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Der Brief von 1611 wird wegen seiner schwungvollen Verzierungen »Schnörkel-Brief« genannt. Abgeschickt wurde er vom Rat der Reichsstadt Zell. Adressat war der Rat der Stadt Wolfach. Die Anrede mutet barock an: »Den Ehrenfesten, Wohlgelehrten und Hochgeachteten Herren des fürstenbergischen Rates.« Das Anliegen klingt dagegen alltäglich. Ein Bürger aus Hausach, das damals zum »Stab« Wolfach gehörte, hatte sich verfehlt.
Die Zeller erinnerten daran, dass fünf Jahre zuvor ein Hausacher eine Zellerin geschwängert hatte. Danach hatte er sich aus dem Staub gemacht habe und die Frau mit dem Kind sitzen lassen. Der Zeller Rat gab das Kind rechtlich in die Obhut des Vaters der ledigen Frau. Nachdem das Kind aus dem Gröbsten heraus war, sollte es nun sein Vater zu sich nehmen. Ob der Wolfacher Rat sich hinter die Zeller Forderung gestellt hat, wissen wir nicht.
1611 gab es im »Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation« zwar schon eine Reichspost, die aber konzentrierte sich auf wichtigere Strecken. Zell und Wolfach waren noch ohne Postanschluss. Der Brief musste daher von einem eigens beauftragten »Läuferboten« in die Nachbarstadt gebracht werden. Das in der Ausstellung gezeigte Modell einer Postkutsche erinnert an den Postverkehr, den es immerhin ab 1760 im Kinzigtal gab. Das gelbe Gefährt verkehrte zwischen München und Straßburg und machte im Zeller Weiler Stöcken Station.
Ein weiteres Highlight in der Ausstellung ist ein Brief aus dem Jahr 1819. Damals hatte das Großherzogtum Baden für sein Gebiet die Postzustellung übernommen. Der Brief war von Zell über Stöcken nach Offenburg »gelaufen«, wie Sammler zu sagen pflegen. Doch sucht man darauf vergeblich eine Briefmarke. Die gab es damals noch nicht. Aber lange ließen diese bei Sammlern so begehrten Aufkleber nicht mehr auf sich warten. Gezeigt wird die Rarität von zehn altbadischen Briefmarken aus der Zeit von 1851-1853.
Für Zeitgenossen ist es nicht ganz einfach, die deutsche Schrift auf den Briefen zu entziffern. Solche Probleme hat der Besucher bei den zahlreichen Bild-Postkarten nicht. Maria Schwuchow hat aus Liebe zur Heimat keine Wege und Mittel gescheut, um an alte Ansichten von Zell und Umgebung zu kommen. Einen größeren Raum nehmen dabei die verschiedenen Aufnahmen der Zeller Wallfahrtskirche ein.
Museum animiert zur Bewegung
In der Ausstellung werden die Stationen der Zeller Postgeschichte festgehalten. Vielleicht reizt es, nach dem Besuch spaßhalber die einstigen Stand-Orte der Zeller Poststelle aufzusuchen. In der Hauptstraße ist es das Haus Bechert, wo ab 1847 die erste Zeller »Posthalterei« untergebracht war. Kurioser Weise ist die Post in unseren Tagen reumütig hierher zurückgekehrt. Am Gewerbekanal, östlich der alten Waschkuchi, erinnert eine verspielte Giebelspitze an die einstige Poststelle. Der markante Gebäudeteil zierte einst das Haus Nock in der Hauptstraße. Und schließlich wurde nach Zells Anschluss an die Bahn vis-a-vis des kleinen Bahnhofs ein riesiges Postgebäude errichtet, das heute unter anderem eine Praxis beherbergt.
Wer gerne größere Wege gehen oder mit dem Fahrrad zurücklegen will, könnte nach dem Museums-Besuch die ehemalige Post-Station in Biberach aufsuchen. Am (derzeit geschlossenen) Gasthaus »Sonne« erinnert ein farbenfroher Postillion an die einstige Poststelle. Sie war 1829 von Stöcken nach Biberach verlegt worden. Und natürlich freuen sich die Wirtsleute des Gasthauses »Rebstock« in Stöcken, wenn Besucher einkehren, die an der Postgeschichte des Hauses interessiert sind. Denn von hier mussten sich die Zeller zuerst ihre Post abholen.