Bei Wiederöffnung des Storchenturm-Museums erwartet den Besucher eine erlesene Sammlung alter Briefe, Briefmarken und Postkarten. Die wertvollen Schätze stammen aus dem Nachlass von Maria Schwuchow.
Zusammen mit ihrem Mann hat sie keine Mühe und Kosten gescheut, auf Auktionen alte Brief und Ansichtskarten unserer Region ausfindig zu machen und zu erwerben. Der jetzt im Zeller Heimatmuseum gezeigte Auszug aus ihrer Sammlung konzentriert sich auf Briefe, die in Zell abgeschickt wurden. Der Zeitraum reicht über drei Jahrhunderte, vom 17. bis 19. Jahrhundert. Die Ansichtskarten von der Wallfahrtskirche und verschiedenen Gasthäusern reichen ins 20. Jahrhundert.
Das Highlight ist ein »Schnörkel«-Brief von 1611, den der Zeller Stadtrat an den Rat der Stadt Wolfach schickte. Die Anrede gefällt sich in barocker Ehrerbietung: »Den Ehrenfesten, Wohlgelehrten und Hochgeachteten Herren des fürstenbergischen Rates.« Die Probleme von damals ähneln den heutigen. Ein Bürger aus Hausach, das damals zum Stab Wolfach gehörte, hatte fünf Jahre zuvor eine Zellerin geschwängert und sich dann aus dem Staub gemacht. Der Zeller Rat hat daraufhin das Kind beim Vater der ledigen Mutter in Obhut gegeben. Der Wolfacher Rat solle nun bitteschön dafür sorgen, dass nach fünf Jahren der Vater das Kind zu sich nimmt.
1611 gab es zwar schon eine Post, aber nur für wichtigere Staatsgeschäfte. 1489 hatte Kaiser Maximilian das Fürstenhaus Thurn und Taxis mit der Reichspost betraut. Sie verkehrte jedoch nur auf eingeschränkten Linien. Die Stadt Zell a. H. konnte 1611 ihren Brief nicht auf die Post geben, sondern musste ihren Läuferboten nach Wolfach schicken. Neben dem Stadtboten, der die Mitteilungen des Rates entweder öffentlich ausschellte oder im Einzelfall persönlich überbrachte, gab es für entferntere Adressaten das Amt eines Läuferboten. Auch ein Brief von 1802 ist in diesem Sinne noch ein »Botenbrief«. Darin wendet sich der Zeller Schultheiß mit dem Rat an den Präfekten in der französischen Stadt Altkirch. Man kann sich vorstellen, dass ein Läuferbote gut zu Fuß sein musste, um
solche Aufträge zügig zu erledigen.
Stöcken wird Poststation
1690 hat sich der Rat der Stadt Zell dafür eingesetzt, dass der Postreiter der Reichspost, der wöchentlich von Schaffhausen bis Hornberg kam, ins Kinzigtal weiter reitet. Erfolgreich scheint die Eingabe aber nicht gewesen zu sein. Dafür verkehrte aber 1760 eine Postkutsche von Straßburg durch das Kinzigtal nach München und zurück. Und 14 Jahre später hielt diese dann endlich auch in Stöcken an. Der Wirt des Gasthauses Rebstock amtierte als Posthalter. Der hatte dafür zu sorgen, dass Briefe und Pakete zu den Adressaten kamen.
1811 übernimmt das Großherzogtum Baden in seinem Gebiet das Postwesen. Die Ausstellung im Storchenturm hält für diese badische Zeit einige Sammlerstücke bereit; so einen Brief von 1819, der von Zell über Stöcken nach Offenburg lief. Briefmarken gab es in dieser Frühzeit noch nicht. Deshalb sprechen die Briefmarkenliebhaber (Philatelisten) hier von einem »Vorphilabrief«. Doch ließ die Verwendung von Briefmarken nicht mehr lange auf sich warten. Die Ausstellung präsentiert eine Sammlung von 10 altbadischen Briefmarken aus der Zeit von 1851 – 1853. Dass sie gestempelt sind, lässt das Herz des Sammlers höher schlagen.
Ab 1823 amtiert Isidor Schweiß als Posthalter in Stöcken. Seine eigenwillige Amtsführung hat ihm den Beinamen »Postpascha« eingebracht. Den Pfarrer und Heimatschriftsteller Hansjakob reizte es, das Original in seine Erzählungen aufzunehmen. Das Gasthaus »Rebstock« zeigt in seiner Stube stolz das Portrait des populären Postlers. Immerhin muss er sich in seinem Metier bewährt haben. Als 1829 die Poststation nach Biberach in das Gasthaus »Sonne« verlegt wurde, wurde er auch dort Chef im Amt.
Post geht in Biberach ab
Die Auslieferung von der Biberacher Poststation zur Bürgerschaft in Zell wurde von einem Boten mit einem »Cariol«, einem stattlichen Handwagen, übernommen. Es dauerte noch bis 1847, bis Zell endlich eine eigene Poststation bekam. Im Haus Bechert wurde sie eingerichtet. Das Wappen an der Fassade erinnert heute noch daran. Erstaunlicherweise bietet auch in unseren Tagen die Post wieder ihre Dienste in diesem Gebäude an. Die Post-Ausstellung im Storchenturm ruft diese frühe Zeller Ära mit zehn Briefen in Erinnerung.
In Zell ging die Postgeschichte dann weiter. 1866 brachte die neue Schwarzwaldbahn nicht nur die Post, sondern vor allem Reisende ins Tal. Am Bahnhof Biberach stand ein Kutschwagen, der die Post und die Besucher nach Zell fuhr. Das Zeller Gasthaus »Löwen« stellte Gefährt und Pferdegespann bereit.
Post auf Wanderschaft
1892 zog die Zeller Posthalterei innerhalb der Hauptstraße um, vom älteren Fachwerkhaus in ein damals ganz modernes Gebäude (später Haus Nock, heute Reisebüro Oberfell). Das neue Haus im Stil des Historismus malte den Adler der Reichspost unübersehbar auf den hochragenden Giebel. Die schmucke Giebelspitze hat den späteren Umbau nicht überlebt. Freunde der Zeller Geschichte aber haben sie gerettet und am Gewerbekanal beim Haus Bären aufgestellt. Ab 1904 fährt dann von Biberach eine Nebenbahn ins Harmersbachtal. Die bis dahin von Pferden gezogene Postkutsche war damit Geschichte. Und die Post zieht erneut um, in ein eigenes neues Gebäude vis-à-vis vom neuen Bahnhof.
Der im Storchenturm-Museum gezeigte Nachlass von Maria Schwuchow bietet willkommene Anknüpfungspunkte an die bewegte Zeller Postgeschichte. Hubert Temme vom Kreis der Museumsfreunde und selbst Philatelist freut sich, dass der private Schatz mit 91 Sammlerstücken einem größeren Interessenten-Kreis zugänglich gemacht wird. Die farbigen Postkarten mit alten Zeller Ansichten sind für Neugierige ein echter Hingucker.
Die Öffnungszeiten stehen wegen der Corona-Pandemie derzeit noch nicht fest, werden aber in Kürze bekannt gegeben.



