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Zum Artikel »Die ›Insel‹ ist jetzt unser Pfarrhaus« in der Ausgabe 47/2020
Ich nehme an, Pfarrer Monningers Beitrag soll zu einem Gespräch anregen. Daran möchte ich mich mit ein paar Zeilen beteiligen.
Zuerst, es scheint mir bedenklich, dass die Ev. Kirche so artig und »einsichtig« den staatlichen Vorgaben Folge leistet. Es ginge um Leben und Tod, lese ich in dem Beitrag. Ja, wobei geht es beim Evangelium? Um Kaffeeunterhaltung? Nichts ist so auf Reklame angewiesen wie der christliche Grund-Satz: »Der Herr ist auferstanden!« Klar, die Kollegen haben, vielen Dank, Internetverkündigung geleistet, wobei ich meine, es muss ja nun nicht jede »Klitsche« ihren Youtube-Kanal haben, zumal das Staatsfernsehen da seine Sache doch gut macht. Aber eine Gemeinde, die an Karfreitag und Ostern so einfach auf Kommando ihre Gottesdienste ausfallen lässt, beweist eine erschreckende Unmündigkeit. Jedenfalls lese ich im Neuen Testament von heftigen Auseinandersetzungen und wenn ich mir vorstelle, jemand hätte den Gemeinden ihre gottesdienstlichen Versammlungen verboten, das Geschrei wäre groß gewesen. Heute schreit keiner, nur Kopfnicken am PC. (Nur zur Information, im Osten, in Brandenburg fiel in vielen Kirchen der Gottesdienst Karfreitag und Ostern nicht aus, vielleicht weil man es noch in den Genen hat, Druck auszuhalten?) Der gottesdienstliche Totalausfall hätte auch in Zell nicht sein müssen. Die Kirche hat so viele Bänke, dass jeder Besucher eine halbe hätte haben können. Auf dem Friedhof hätte man mit 5-Meter-Abständen Ostern feiern können. Im TV kam die kurze Nachricht, eine Umweltgruppe hätte eine geplante Demonstration nach anfänglichem Verbot durchgesetzt. Und wir? Karfreitag, Ostern?
Zweitens. Das würde durchaus einigen gefallen „angesichts von Leben und Tod keine Sorge um Bürger-, Freiheits- und Religionsrechte“ haben zu müssen. So kann nur der ewige Bundesbürger reden, der von der Wiege bis zur Bahre grenzenlos leben konnte. Uns ist doch klar, dass es im Land starke Strömungen gibt, die sich ein staatlich kontrolliertes Land wünschen. Das wäre doch auch viel einfacher im Blick auf die Klimafrage, auf den Terrorismus, auf den Faschismus usw. Nein, gerade jetzt muss sich jeder/ jede darum sorgen und auch dafür sorgen, dass die Ansprachen der Bundeskanzlerin nicht die einzig öffentlichen Predigten bleiben.
Mit der so ausgeübten Staatstreue bestätigt die Kirche das, was die europäische Ideologie voraussetzt und durchsetzen will, dass der christliche Glauben für das Leben irrelevant ist.
Martin Brunnemann,
Zell am Harmersbach