Die 80er-Jahre waren das Jahrzehnt von Neonfarben und Seifenopern, von Hollywood-Klamauk und Videospielen, von unvergessenen Musicals und von deutschsprachiger Musik, die die Welt eroberte. Die 80er sind und bleiben hip. Warum? Weil es die Zeller Fasend gibt. Das unverhohlene Motto in diesem Jahr: »Zeller Fasend isch schuld, die 80er sin widder Kult.« Das wollten auch die Besucher sehen, die dicht gedrängt in mehreren Reihen den Umzugsweg säumten.
Weiter zurück als in die 80er-Jahre reicht die Zeller Fasendtradition. Von der wurde auch gestern trotz Motto selbstverständlich nicht abgewichen. Der Narrenrat traf mit allem Zipp und Zapp pünktlich um 14 Uhr am Storchenturm ein, wo nach einjährigem tiefen Schlummer die Narrengestalten unter Zuhilfenahme ausdauernden Gebimmels vor unzähligen neugierigen Augenpaaren aus ihrem Schlaf geweckt wurden. Ein gutes Dutzend Mal spielten die Kapellen den Zeller Narrenmarsch, bis rund 700 Bändele und Schneckenhüsli, Spielkarten- und Welschkornnarros ihrer Gruft entstiegen waren. Besonders schön: Man sieht wieder mehr Bändele aus Zeitungspapier. Ebenfalls ein gutes Dutzend Mal stimmte Narrenrat Mathias Damm mit bemerkenswerter Ausdauer den Text zum »rhythmischen Lärm« an. Die Zeilen singt man seit 1956 bei der Zeller Fasend.
Umzugsmotto umgesetzt
Jedem zur Freud, keinem zum Leid übernahmen die Umzugsmoderatoren Berthold Damm und Manfred Lehmann an der Rathausbühne die Aufgabe, die Besucher kurzweilig durch die kommenden zwei Stunden zu führen. Bei ihrer Kleiderwahl bewiesen sie – ganz 80er – ausgewiesen guten schlechten Geschmack. Auch die Zeller First Lady Heike Pfundstein hatte sich ins 80er-Outfit geworfen und machte aus ihrer heimlichen Liebe zur harten Rockmusik keinen Hehl. Guns n’Roses-Superstar Axl Rose hatte ihr als Inspirationsquelle gedient. Ihr Gatte ließ es in Sachen Kostümierung deutlich gemütlicher angehen und setzte auf den klassischen Look mit Narrenhut.
Texthänger beim Schunkeln
Die Zeit, bis der Umzug den Weg von der Zeller Oberstadt in die närrische »Hauptstadt« absolviert hatte, fabrizierten die Basler Grachsymphoniker vor dem Rathaus ihre Art von »rhythmischen Lärm«, unter anderem eine Guggenmusik-Version des Zeller Narrenmarsches. So waren alle gut aufgewärmt, als der Umzug schließlich am Rathaus ankam. Vorneweg der Narrenrat, gefolgt vom Zeller »Stardirigenten« Stefan Polap mit der Stadtkapelle. Bei einem Ständerle vor der Bühne ließ es sich prächtig schunkeln. Macht nichts, dass der Text zum »Vogelbeerbaum« quasi komplett fehlte, denn schon sah man hunderte Narros die Straße runterhopsen. Ein herrlich buntes Bild mit abwechslungsreichem Anschluss. Gleich zwei Umzugsgäste konnten nämlich 2020 begrüßt werden. Die Althistorische Narrenzunft war mit ihren Narrengestalten und der lautstarken Ranzengarde zu Gast. Sie schoss und böllerte, nicht nur was das Zeug hielt, sondern auch viel lauter als die Zeller Bürgerwehr. Hat sich da etwa eine Alternative für den Silvesterempfang angedient? Mindestens ebenso willkommen war der zweite Gast. Er macht sich an der Fasend normalerweise eher rar. Im Jahr des 100-jährigen Bestehens war es dem ZFV jedoch ein besonderer Wunsch, aktiv am Umzug teilzunehmen. Der Auftritt wurde auch gleich für Schleichwerbung genutzt. Jetzt wissen mehrere tausend Menschen, dass das Jubiläumsfest vom 21. bis 24. Mai steigt.
Revanche fürs Rathaus
Mit Clowns, Akrobaten und Löwenbändigern fing dann der Umzug der heimischen Fasendgemeinschaften an. Die Dörfle-Kinder durften mit ihrem »Zirkus Maximum« den Anfang machen.
Es schloss sich der Starlight-Express von den Entersbachern an, dessen Zugfahrzeug mit Knatterantrieb, aber ohne Umweltplakette die Weltmeisterschaft der Züge anführte. Die Kleinsten waren der Junior-Express und weil das mit dem Rollschuhlaufen so eine Sache ist, schossen die großen Entersbacher nur zum Teil auf Rollen durch die Hauptstraße. Ortsvorsteher Christian Dumin hatte sich die hypermoderne E-Lok Electra als Figur ausgesucht.
Auf Petro-Dollars aus war das Dörfle. Dallas und Denver-Clan – wer erinnert sich nicht noch an die Straßenfeger-Serien der 80er-Jahre, in denen geliebt, gehasst und intrigiert wurde wie selten danach. Auch im Dörfle gibt es Grund, Revanche zu fordern: Die Wiedergutmachung für das für immer verlorene Dörfle-Rathaus steht aus.
Fahrgelegenheit für Verliebte
Ihrem Naturell entsprechend hatte »die Zeller Vorstadt der Liebe« einen Wagen mit einem großen Herz und Konfettidusche gebaut. Amors Pfeile sollten bei den Klein-Parisern so oft wie möglich ins Schwarze treffen. Verliebte konnten ein Stück auf dem Wagen mitfahren und Erinnerungsfotos schießen. Schließlich gab es noch eine Schachtel Schokolade für den Bürgermeister, der seine zart-schmelzenden Herzen gerne mit den Narren teilte.
Die 80er-Jahre als Jahrzehnt des Hardrocks hatten die Neuhausener Narren musikalisch auf den Anhänger gebracht. Ganz barock im Rock-me-Amadeus-Style beglückten sie mit ihrer fahrenden Bar-Rock-Bar die Besucher und sorgten für musikalische Abwechslung.
Der Bruch präsentierte sich »Enorm in Form«. In Neonfarben wurde die Fitnesswelle aus der Kiste gekramt und »Fitnessgetränke« verteilt. Wer Männer in leuchtenden Leggins in den letzten Jahrzehnten vermisst hatte, kam beim Mega-Gruppenworkout auf seine Kosten.
Die Ghostbusters von der Insel jagten den Narrengeist. Die Bekämpfungsstrategie: Seifenblasen-Pistolen und Farbe fürs Gesicht.
Vorschnell eingebuchtet
Dass der einsame Lohgass-Zigeuner Lucky Luke schneller als sein Schatten zieht, wurde anschließend deutlich. Der Bürgermeister wurde ins Gefängnis abgeführt, kam aber noch vor Umzugsende wieder frei. »Ein Missverständnis« …
Bevor die Grachsymphoniker erneut vors Rathaus kamen, konnte man mit dem Städtle analoges »Jump and Run« mit Seilspringen und Reifenhopsen im Stil von Super Mario spielen. Ernüchternd: Seilspringen scheint schwieriger zu sein, als man denken mag, wenn man sich so die Versuchspersonen betrachtet hat. Alle Figuren des Videospiels waren dabei. Mario und Luigi, die Schildkröte, die Kraftpunkt-Pilze und sogar die Bombe.
Über herzliche Glückwünsche zum 22-Jährigen durften sich zum Ende hin noch die Eckwaldhexen freuen.
Musik? Top!
Musikalisch waren die 80er Jahre ein äußerst abwechslungsreiches Jahrzehnt. Die Entersbacher Musik stimmte unter anderem Roland Kaisers »Joanna« an, es gab Melodien aus »Starlight Express«, deutschen Pop von Purple Schulz, Welthits von Europas ersten weißen Rapper Falco, Filmmusik aus Ghostbusters und vieles mehr. Die Evergreens wie die »Schwarzwald-Marie« von den Unterharmersbacher Musikern durften auch nicht fehlen.
Bleibt zum Schluss nur noch eine kleine Geschichte vom Umzugsrand. Augen auf bei der Wahl des Urlaubsziels will man Gästen vom Niederrhein am liebsten raten. Sie wollten eigentlich dem Karnevalstrubel zu Hause entkommen – und sind mitten im närrischen Zell gelandet. So kann‘s gehen…






























