Carl Schaaff – einstiger Retter der Zeller Keramikfabrik

Sein Geburtstag jährt sich am 31. Dezember 2019 zum 170. Mal – Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 stockte die Lieferung der Porzellanerde – Der Unternehmer verstand es, die Geschäftsbeziehungen wieder aufzunehmen

Derzeit wird mit einem mehrstöckigen Rundofen ein bedeut­sames Relikt der Zeller Industriegeschichte saniert. Das eindrucksvolle Bauwerk diente von 1842 bis 1942 der Herstellung von hochwertigem Porzellan. Das dafür notwenige weiße Kaolin kam aus Limoges in Zentralfrankreich. Nach der kriegsbedingten Insolvenz steigerte 1874 der 24-jährige Carl Schaaff aus Lahr die Firma und führte sie zu neuer Blüte.

Begonnen hat die Geschichte der Zeller Keramik mit Joseph Anton Burger. Im Stadtpark erinnert ein Grabstein an den Pionier. Zur Welt gekommen ist J. A. Burger 1760 in Unterentersbach. Sein Vater war Händler für allerlei Kleinkram. Der Sohn erlernte in Zell das Hafnerhandwerk. Seine Wanderjahre als Geselle führten ihn nach Frankreich und in die Schweiz.

Unternehmensgründung mit Kredit

Aus der Fremde zurückgekehrt erlaubte der Zeller Stadtrat 1790 Joseph Anton Burger die Herstellung von dekorativen »Fayenzen«. Die Stadt gewährte ihm für sein Fortkommen sogar ein Darlehen in Höhe von 100 Gulden. Der Rat war überzeugt, dass Burger »dem hiesigen gemeinen Wesen nützlich werden könne«. Burgers erster Brennofen stand im Stadtgraben. Bereits zwei Jahre später errichtete er vor der Stadt einen größeren Brennofen. 1794 mietete er von Färber Vetter dessen Werkstatt (heute Haus Kopp, Karl-Schöner-Weg 1) und baute sie für seine Zwecke um.

Entgegen der Zunftordnung durfte Burger nicht nur einen Gesellen und einen Lehrjungen, sondern mehrere Arbeiter beschäftigen; der Anfang einer Manufaktur. Burger gibt sich damit aber nicht zufrieden. Er denkt an die Errichtung einer »Steinguth-Fabrick« auf der angrenzenden Matt- und Ackerfläche von Vetter. Zur Finanzierung des Vorhabens holt sich Burger 1805 die »Handelsmänner« Lenz und Schnitzler aus Lahr als Mitgesellschafter ins Boot.

Genehmigung von höchster Stelle

Für die Genehmigung einer Fabrik war das Plazet des Landesherrn Karl Friedrich erforderlich. Dass ein Fürst nicht nur für Recht und Ordnung, sondern für die Belebung von Handel und Industrie sorgen soll, gehörte zu seinem Staatsverständnis. Als der Antrag gestellt wurde, kam er eigens nach Zell, um sich über die geplante Fabrik zu informieren. Zum Besuch in Zell brachte er als Geschenk sein Bildnis mit, das heute im Sitzungssaal des Zeller Rathauses hängt.

Mit der Genehmigung der Fabrik ließ sich Karl Friedrich jedoch Zeit. Als erstes achtete er darauf, dass die angestrebte Produktion sich nicht mit dem Angebot einer Keramikfabrik in Rotenfels bei Rastatt überschnitt. Brisanter Weise war dort seine Gattin Luise Eigentümerin. Weil in Rotenfels jedoch graues Steinzeug mit Salzglasur hergestellt wurde, war von Zell keine Konkurrenz zu erwarten. Steinzeug-Töpfe dienten zum Beispiel zur Haltbarmachung von Sauerkraut, Steingut-Geschirr kam auf den Tisch.

Nachdem ein von der Regierung beauftragter Apotheker die Temperaturfestigkeit des Zeller Steinguts bestätigt hatte, kam die offizielle Erlaubnis für eine Ausweitung der Produktion. Der Großherzog sicherte der Zeller Fabrik das Schürfrecht von geeignetem Ton in einem größeren Umkreis zu. Der Leimen in Zell genügte zwar für die Herstellung von Hafnergeschirr, Ofenkacheln und Dachziegeln, nicht aber von feinerem Steingut. Hierzu mussten die Lagerstätten am nahen Gaisberg angestochen werden.

Rückzug des Gründers

Burger war nicht nur Handwerker, er hatte auch ein Händchen für öffentliche Verwaltung. Schon 1804 wurde er in den Stadtrat gewählt und war zuständig für die Bautätigkeit und die Bewirtschaftung des Waldes. Später wurde er sogar Stadtrechner. Es wundert daher nicht, dass der vielseitige Mann sich 1819 die Geschäftsanteile ausbezahlen ließ; vielleicht mit dem Gedanken, sich nur noch der kommunalen Verwaltung zu widmen. Jedenfalls zog er wenig später in das benachbarte Haslach, wo er zum Bürgermeister gewählt wurde. Als er im Alter von 64 Jahren starb, wurde er in Haslach begraben. Dass später sein Grabstein nach Zell gebracht wurde, macht im Blick auf seine Gründung der Zeller Keramikfabrik Sinn.

Jakob Ferdinand Lenz war als Unternehmer sehr erfolgreich. Als er 1828 starb, gab es einen Freundeskreis, der ihm unbedingt ein Denkmal setzen wollte. Es steht in der Jahnstraße. Sein ursprünglicher Platz war mitten auf der Waagmatt, die damals als Turn- und Festwiese diente. Bei der Bebauung musste das Denkmal weichen und kam an die Straße. Dass die Stelle unter dem kleinen Baldachin leer blieb, wird auf die Bescheidenheit von Lenz zurückgeführt, der in weiser Voraussicht seine Bildnisse habe vernichten lassen, so die Legende.

Weißes Gold

Da die Ehe von J. F. Lenz kinderlos geblieben war, holte seine Witwe Katharina Salome geb. Schnitzler, zwei Neffen in den Betrieb: Gottfried Ferdinand Lenz aus London und Wilhelm Schnitzler von Lahr. Die beiden scheinen sich einig gewesen zu sein, dass die Fertigung von Steingut um die Herstellung von hochwertigerem Porzellan erweitert werden sollte. Zu diesem Zweck begab man sich nach Limoges, wo die Herstellung des »weißen Goldes« in Blüte stand. Grund war die Entdeckung des Kaolins südlich der Stadt im französischen Zentralmassiv gewesen. Es gelang den Zeller Unternehmern nicht nur die Lieferung der hochwertigen Porzellanerde nach Zell zu organisieren, sondern auch Fachkräfte für die Herstellung von Porzellan abzuziehen. 1842 wurde in Zell mit dem Brennen von Porzellan begonnen.

Die Ära Carl Schaaff

1860 zog sich Wilhelm Schnitzler aus der Firma zurück, neun Jahre später auch sein Kompagnon Gottfried Ferdinand Lenz. Letzterer veräußerte den Betrieb an Bruno Prössel, einen ehemaligen Mitarbeiter der Königlich-Preußischen-Manufaktur in Berlin. In dessen Zeit fiel jedoch der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. Da Limoges von da ab keine Porzellanerde mehr liefern wollte, kam es in Zell bei der Herstellung von Porzellan zu erheblichen Problemen, die schließlich zur Zahlungsunfähigkeit führten. Dass Prössel ein erfahrener Techniker war, stellte er einige Jahre später, 1879, durch ein Fach-Buch über die Produktionsverfahren bei Porzellan und Steingut unter Beweis. Vielleicht hatte ihm ein Kompagnon für das Geschäft und die Finanzen gefehlt.

1874 wurde eine Zwangsversteigerung angesetzt. Ein junger Unternehmer aus Lahr namens Carl Schaaff stieg in das Geschäft ein. Ganz zufällig war sein Zugriff auf die Zeller Firma nicht. Carl Schaaffs Vater hatte zuvor die Zeller Firma finanziell unterstützt. Carl Schaaff gelang es, über einen französischen Freund die Verbindung mit Limoges wieder aufzunehmen. Nach einem Aufenthalt vor Ort brachte er nach Zell einige französische Werkmeister und Arbeiter mit. Neue Porzellanmaler holte er sich aus Böhmen.

Nachfrage steigt

Durch die Reparationen, die Frankreich von Deutschland nach dem Siebziger Krieg aufgebürdet wurden, prosperierte die deutsche Wirtschaft. Dies zeigte sich in Zell in einer wachsenden Nachfrage nach Steingut und Porzellan. Fünf Brennöfen am Fuße des Lupfen, zwei für Porzellan, drei für Steingut, brummten. Übrig geblieben ist von der einstigen Massenfertigung der sogenannte »Fünfer-Ofen« im Westen der Ofenreihe. Er wird derzeit aufwendig saniert. Von der einstigen Firma stehen auch noch der »Tellerbau« und die »Buchhaltung«, beide heute umgebaut zu einem Kulturzentrum. Carl Schaaff bewohnte wie seine Vorgänger das »Herrenhaus«, das heute von der Sozialstation für eine Tagespflege genutzt wird. Um 1886 hat Schaaff dem ursprünglichen Bau von 1815 mit einem Türmchen ein nobleres Outfit verliehen.

Auszeichnung für einen Wohltäter

Schaaff erwies sich als ein sozialer Unternehmer. 1889 richtete er eine »Fabrikwirtschaft« (Werkskantine) ein. 1892 ließ er für die Arbeiter ein Bad mit Wannen bauen. Auch einige Werkswohnungen standen auf seiner Agenda. An Weihnachten gab es für die Belegschaft regelmäßig eine Feier, bei der die Kinder der Beschäftigten mit Winterkleidung beschenkt wurden.

Als der Protestant nach Zell gekommen war, hatte er sich an die vielen katholischen Feiertage erst gewöhnen müssen. Bürgermeister H. Fischer bat ihn 1881, zu diesen Zeiten keine Pferdefuhrwerke durch die Stadt fahren zu lassen. Den evangelischen Christen gegenüber zeigte sich Schaaff besonders spendabel. Er überließ ihnen am nördlichen Rand des unbebauten Firmengeländes (heute Stadtpark) kostenlos ein Grundstück für den Bau einer kleinen Kirche. Schon vor ihm hatte Salome Lenz für den Kirchen-Baufond einen größeren Betrag gestiftet. Carl Schaaff stockte das Kapital für diesen Zweck auf. Zur Einweihung des Kirchleins 1901 übergab Schaaf sinnfällig einen Abendmahlskelch aus Porzellan. Er wird im Storchenturm-Museum aufbewahrt.

Ehrenbürgerwürde

Aus Altersgründen verkaufte Schaaff 1907 die »Obere Fabrik« an Georg Schmider, den Besitzer der »Unteren Fabrik«. Aus diesem Anlass würdigte die Stadt seine Verdienste mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft. Schaaff hatte eine Zeitlang dem Stadtrat angehört. Was aber vielleicht schwerer wog, war die Versorgung der städtischen Straßenbeleuchtung mit elektrischem Strom aus der Fabrik. 1894 waren 17 Petroleum-Lampen durch elektrische Laternen ersetzt worden. Später bekam auch das neue Rathaus elektrisches Licht von der Fabrik.

Schaaff zog sich im Ruhestand nach Freiburg zurück, wo er sich am Fuße des Schlossbergs in der Wintererstraße einen Alterssitz baute. Die Zeller Belegschaft hatte er jedoch nicht vergessen, sondern gründete eine Stiftung, aus der besonders schmale Renten aufgebessert wurden. Carl Schaaff starb am 23. März 1920. Im kommenden Jahr jährt sich daher sein Todestag zum 100. Mal. Geboren wurde Carl Schaaff in Kehl am 31. Dezember 1849, also vor 170 Jahren.

Literatur

• Zell am Harmersbach im Wandel der Zeit, 2010
• Josef Heisch, Zeller Keramik (Blaue Reihe) 1999
• Carl Fischer, Die Zeller Porzellanindustrie, 1907
• Ratsprotokolle der Stadt Zell a. H.

Ein Kommentar

  1. Roland Mazander-Nock
    Roland Mazander-Nock um |

    Zell am Harmersbach und die „Keramik“ mit dem bekannten Motiv „Hahn und Henne“ sollten mehr in den touristischen Mittelpunkt gestellt werden. Die ehemalige Keramikfabrik hat sich für die Stadt Zell a.H. soviel mehr verdient gemacht, daß eine große auffällige Skulptur, für alle zur Freude und Erinnerung daran, nur gerecht wäre. Zum Beispiel: Hahn und Henne.

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