Die Ankündigung des Solisten hörte sich vielversprechend an. Ein Musiker, der in St. Peter die »Staatliche Hochschule für Kultur« mit einem Diplom absolviert hat, heute in Mainz am Konservatorium unterrichtet und in Baden-Baden schon zweimal den Deutschen Akkordeon-Musikpreis abräumte, wie Kirchenältester Joachim Groß bei der Begrüßung verriet, machte neugierig. Und so kamen an dem lauen Sommerabend rd. 100 Musikfreunde, um sich überraschen und musisch verwöhnen zu lassen. Um es vorweg zu nehmen, sie wurden nicht enttäuscht, sondern spendeten immer wieder spontanen Beifall.
Eröffnet wurde das Konzert mit der bekannten Toccata & Fuge in D-Moll von Johann Sebastian Bach. Das Stück war eine passende Reverenz an den kirchlichen Raum, in dem es normalerweise von der Orgel erklingt. Das mit starken Bässen ausgestattete Akkordeon aus der Werkstatt Vignoni erwies sich als würdiges Pendant zum klassischen Kircheninstrument. Die Wucht der Bässe korrespondierte mit lieblichen höheren Tönen, bei deren Darbietung das virtuose Können des Künstlers gleich zu Beginn aufblitzte. Den Abschluss bildete dann später eine Interpretation eines Concerto grosso gleichfalls in D-Moll von Antonio Vivaldi. Mit dem barocken Rahmen, mit dem der Künstler das Programm einfasste, zollte er auf modernem Instrument den alten Meistern großen Respekt.
Im klassischen Rahmen bot sich dem Hörer dann ein sehr buntes musikalisches Bild. Unbeschwert fröhlich kam die Sonate in C-Dur von Domenico Scarlatti daher. So wie sie Alexandre Bytchkov interpretierte, versprühte sie pure italienische Lebenslust. Etwas melancholisch und verträumt klang dagegen eine Serenade des deutschen Romantikers Franz Schubert. Bei letzterem waren volksmusikalische Anklänge versteckt. Den Reigen führte ein russisches Lied von einer eilig dahin fahrenden »Postkutsche« fort. Yuri Peschkov hat es bearbeitet. Unweigerlich fallen dabei dem Hörer russische Tanzgruppen und Balalaika-Weisen ein. Bei den eingebauten Tremulos konnte der Künstler sein souveränes Können beweisen.
Nicht fehlen durften bei einem Akkordeonkonzert Kompositionen des argentinischen Künstlers Astor Piazzolla. Bytchkov gab zwei Titel von ihm zum Besten. Der »Libertango« mit seiner schnippischen Ansage und der dramatischen Widerrede sowie »Oblivion«, das die ruhige Stimmung bei einer Enttäuschung ausmalt. Von Südamerika ging die musikalische Reise nach Nordamerika weiter; zum Titel »Blue Moon« von Richard Rogers in der Bearbeitung des Jazz-Akkordeonisten Frank Marocco. Inzwischen war der Künstler bei leichterer Unterhaltungsmusik angekommen. Mit »Tico Tico« von Zequinha de Abreu setzte er noch eins drauf. Alexandre Bytchkov spielte, was gefällt. Das Publikum dankte es ihm mit Bravo-Rufen.
Schließlich lud der Solist zum Mitsingen oder wenigstens Mitsummen bekannter Lieder ein. Reinhard May mit seinem Song »Über den Wolken« und Hildegard Knefs »Für mich soll’s rote Rosen regnen« kamen dabei zu Ehren. Bei der musikalischen Reise war man so wieder in heimischen Landen angekommen. Das ganze Programm wurde, wie oben gesagt, von einem barocken Rahmen zusammengehalten. »Das ist ja Wahnsinn« meinte ein Ehepaar, das sich in der Freizeit gleichfalls dem Akkordeon verschrieben hat. Die Amateure wussten die hohe Kunst zu schätzen.