Brunnen als Himmelstore und Treue bis zum Tod

In Stendal trifft Gottfried Zurbrügg auf Frau Haake und den Roland

Gottfried Zurbrügg ist pensionierter Lehrer, Buchautor – und Prädikant. Bei seinen Einsätzen in anderen Kirchengemeinden lernt Gottfried Zurbrügg viele Menschen und besondere Orte kennen. Seine Erlebnisse in Jerichow teilt er gerne mit den Lesern der »Schwarzwälder Post«. Er schreibt …

Gestern war ich in Stendal, um einige Dinge zu erledigen. Es tut gut, einmal der Enge des Klosters zu entkommen und wieder Menschen, Geschäfte und Cafés um sich zu sehen. So einfach ist das nicht, in einem Kloster Dienst zu tun. Natürlich habe ich mir einen Stadtplan besorgt und mir einiges angesehen. Zwei wichtige Figuren stehen an zentralen Orten: einmal der Roland und zum zweiten der Haake-Brunnen. Der Roland steht in allen norddeutschen Städten am Marktplatz. Er symbolisiert das Recht auf eigene Gerichtsbarkeit. Die eigene Gerichtsbarkeit löste die Städte aus dem Einfluss der territorialen Fürsten. Die gewählten Räte und Richter der Stadt entschieden vor einem eigenen Gericht ihre Streitfälle und konnten bei schweren Vergehen auch die Todesstrafe aussprechen.

Roland ist eine Sagenfigur aus der Zeit von Karl dem Großen. Er war ein Ritter und seinem Herrn bis in den Tod treu. Mit seinen Getreuen gerät er in den Pyrenäen in den Hinterhalt und warnt den Kaiser mit seinem Horn. Er gibt seine ganze Kraft in den gewaltigen Ton und stirbt daran, aber der Kaiser ist gewarnt.

Am Ende der Fußgängerzone steht der Haake-Brunnen. Eigentlich dem Ehrenbürger Haacke geweiht, aber auch ganz anders verstanden. Frau Haake ist Frau Holle, eine wohl keltische Wettergottheit. Wie kann man ihr Opfer bringen, da man doch nichts in den Himmel senden kann? In den Brunnen spiegelt sich der Himmel und weltweit wurden die Brunnen als Zugang zum Himmel verstanden und Opfergaben hineingeworfen. Auch Gold- und Pechmarie gelangen so zu der Frau Holle. Auf dem Brunnen steht die Statue einer jungen Frau mit Sperlingen, denn Vögel galten als Himmelsboten. Nicht umsonst helfen die Tauben Aschenbrödel bei den schwierigen Aufgaben. Der Brunnen steht auf dem Sperlingsberg, deshalb nennen die Einwohner die beliebte Figur Sperlingsda.

Frau Holle eine Wettergottheit? Damals wie heute waren die Menschen vom Klima abhängig. Früher nannte man es Wetter, heute fasst man all die Erscheinungen als Klima zusammen. Man hat gelernt, dass das Klima sich ändern kann und wird, wenn wir nichts unternehmen, um das aufzuhalten. Denn für kommende Generationen wird es schwer werden. Frau Holle ist mehr als ein hübsches Märchen. Sie ist Mahnung und Hilfe zugleich: Mensch gewordenes Klima. Ich denke natürlich auch an Greta Thunberg. Wir brauchen solche Menschen oder Figuren, damit nicht alles zu theoretisch ist.

Übrigens war ich heute an der Alten Elbe, die jahrelang trocken lag. Es ist ein herrliches Naturschutzgebiet geworden. Das Werk von computergestützten Maßnahmen? Nein, die Biber kamen und wussten genau, wo man einen Damm bauen muss, um den Wasserkreislauf richtig zu beeinflussen. Ein Hoch auf die Nagetiere, die das sofort gesehen haben!