Bunt ging es im Kulturzentrum Obere Fabrik am gestrigen Donnerstag zu, bunt und lebendig. Die Stimmung passte zum Anlass: Horst Koller wurde verabschiedet. Der SBBZ-Rektor geht zum Schuljahresende in den Ruhestand.
Geradlinig, einfühlsam, verständnisvoll – mit Humor, mit Ideen und mit einer gewissen Lässigkeit ausgestattet, wo sie hilfreich ist. So charakterisierten alle, die einen Beitrag bei der Gestaltung der Feier leisteten, den Bald-Ruheständler. Am Wohlergehen aller interessiert, nahm er sich selbst bei seiner Verabschiedung zurück und kürzte seine Abschlussrede kurzerhand auf wenige Sätze ein. Fast zwei Stunden Programm waren bis zu diesem Zeitpunkt bereits vergangen – genug wie er fand. »Wenn sich Kinder weiterentwickeln sollen, dann darfst du viel fordern. Manche musst du mehr an die Hand nehmen, manchen kannst du die lange Leine geben. Aber du darfst nie die Achtung vor ihnen verlieren,« legte er kurz und knapp sein pädagogisches Credo dar.
Er ging zurück zu dem Tag vor 16 Jahren, als er Schulleiter wurde. Bei seiner Einführung habe er ein Lied gesungen, das für ihn eine besondere Bedeutung habe. Und genau dieses Lied kam wieder auf die Bühne. Es war »Kinder« von Bettina Wegner. Er sang es noch einmal – zusammen mit seinem Nachfolger Matthias Demmel.
Besondere Momente
Die knapp zwei Stunden zuvor waren prall gefüllt mit Rückblicken, guten Wünschen in die Zukunft und Geschenken und natürlich hatten auch die Schülerinnen und Schüler des SBBZ jede Menge Unterhaltsames für ihren Schulleiter auf die Bühne gezaubert. Die »Orff Rock Allstars« bewiesen Rhythmusgefühl und der Zirkus Karambolage begeisterte das Publikum mit Akrobatik so mitreißend, dass der zu Verabschiedende selbst auf die Bühne kam und sein Können am Diabolo präsentierte. Es waren Feuerspucker und Fakire zu sehen, es wurden Balance-Akte und Jonglagen gezeigt.
Die Schulsprecherinnen Jennifer Zilch und Alisa Breig zeigten Verständnis für ihren Rektor: Sie haben letzten Freitag ebenfalls die Schule beendet. Das Ziel ist erreicht, aber die Schule fehlt schon jetzt ein bisschen. Die Schüler erinnerten an besondere Momente. Sie überreichten Koller eine Urkunde für den »allerbesten Skilehrer der Welt«, krönten ihn zum »König im Zahlenland«, schenkten ihm ein Bild, das an den Kunsttagen entstanden war und einen gerahmten QR-Code, damit er jederzeit schnell und einfach auf die Schulhomepage kommen kann. Weil er bei der Fahrrad-Tour nach Baume-les-Dames immer vorne gefahren war, gab’s – wie in Frankreich üblich – ein gelbes Trikot. Sogar ein Glückwunsch auf Chinesisch wurde ausgesprochen, ein Novum in der Geschichte der Schulleiterverabschiedungen in Zell und Umgebung.
Weitblick bewiesen
Schulamtsdirektorin Gabriele Weinrich gewährte den Anwesenden einen Blick in die Personalakte. Dort ist unter anderem der Titel der Zulassungsarbeit aus dem Jahre 1977 vermerkt, die sich mit der pädagogischen Problemorientierung hinsichtlich der Gewissensentscheidung auseinandergesetzt hatte. »Schulisches Handeln anzubinden an die Notwendigkeiten einer verantwortungsvoll gestalteten und gelingenden moralischen Haltung im Leben war somit von Beginn im Fokus Ihres beruflichen Denkens und Handels«, würdigte sie Kollers Weitblick. Die Fragestellung sei heute integraler Bestandteil der Dilemma-Methode. Mit ihrer Hilfe wird die ethische Entscheidungskompetenz gefördert. Einige Bemerkungen zum Schmunzeln finden sich ebenfalls in der Akte. Zum Lob – etwa der vorbildlichen Lehrer-Schüler-Beziehung oder der vorbildlichen Unterrichtsvorbereitung – gesellt sich auch Tadel – zum Beispiel verursacht durch einen »lässigen Tafelanschrieb mit wenig Vorbildcharakter«. Engagiert habe Koller seinen Schülern vielfältige Lernbegegnungen ermöglicht. Besonders heraus stellte Weinrich zudem das gemeinsam mit dem Kollegium erarbeitete Schulkonzept zum personalisierten Lernen unter der Einbeziehung von digitalen Möglichkeiten und das Engagement Kollers bei der Einführung des Bildungsplans und der Umsetzung des Sonderschulkonzepts der Individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung. Sie sprach ihm Dank aus für seine sinn- und beziehungsstiftende Arbeit und wünschte, nicht zuletzt bezogen auf die große Reiselust des scheidenden Schulleiters, eine lange und schöne Strecke in die Zukunft.
Die Ruhe selbst
Dass an diesem Nachmittag viel gelacht wurde, stand keinesfalls im Gegensatz zum Anlass. Bürgermeister Pfundstein, als Stadtoberhaupt Vertreter des Schulträgers, hatte bei Wikipedia unter dem Stichwort »Koller« nachgeschaut. Dort steht der Begriff für »Ausbruch von Wut oder Ärger«. »Zwar habe ich Sie nicht direkt im Unterricht oder im Lehrerzimmer erlebt. So wie ich Sie bei dem einen oder anderen schulischen Termin kennen gelernt habe, kann das in Ihrem Fall allerdings nicht stimmen«, gab er augenzwinkernd zu bedenken. »Sie sind die Ruhe selbst, haben einen guten Humor und bringen eine gewisse Gelassenheit mit. Alles Eigenschaften, die als Sonderschullehrer sicherlich nicht hinderlich sind.« Seine Freude an der Schule habe Koller auch seinen Schülern vermitteln können.
Sozial kompetent
Hanni Schaeffer vom örtlichen Personalrat des Schulamts Offenburg merkte an, dass Wertschätzung und Zusammenarbeit die Voraussetzungen für den Erfolg seien. Koller sei auch das Wohlergehen des Kollegiums wichtig gewesen. Den Fakt, dass es kaum Fluktuation gegeben habe, fasste sie zusammen: »Deine Lehrer wollen auf Dauer bleiben.« Als kleines Abschiedsgeschenk hatte sie eine Leckerei aus Japanischen Weinbeeren mitgebracht.
Gerhard Maier begleitet das SBBZ Lernen schon seit dem Jahr 1999 als Vorsitzender des Fördervereins. Er merkte mahnend an: »Heute ist Deine Verabschiedung als Rektor, nicht als Schriftführer des Vereins«. Er habe Koller als unkonventionellen Pädagogen kennengelernt und mit dem Förderverein gerne dafür gesorgt, dass besondere Ausstattung Einzug in den Schulalltag haben konnte. Vielfach sei das SBBZ Vorreiter gewesen, der Rektor mit einer hohen Sozialkompetenz ausgestattet gewesen.
Die Elternbeiratsvorsitzenden bedankten sich für die hervorragende Zusammenarbeit und gaben Koller mit auf dem Weg, dass das Leben nicht immer gerecht sei. Ist man jung und unternehmungslustig, fehle das Geld. Ist das Geld da, habe man keine Zeit. Erst im Ruhestand komme beides zusammen.
Das »Wie« ist wichtig
Das Kollegium des SBBZ versah Horst Koller mit Schlagworten. Er bleibt ihnen als Genießer, als Organisator, als Unterstützer, als Gärtner, als Impulsgeber und als Tausendsassa in Erinnerung. »Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen«, zitierte Matthias Demmel Aristoteles, um zu beschreiben, was Kollers Leistung als Baumeister der Schule ausmacht. Gleichzeitig sei das Ganze mehr als die Summe seiner Teile – ebenfalls Aristoteles. »Es ist nicht nur, was Du getan hast, sondern auch das »wie«. Koller habe die Fähigkeit bewiesen, das Gleichgewicht immer wieder herzustellen, wenn etwas in Schieflage gekommen war.
Karten neu gewürfelt
Die Lehrerkollegen der Talschulen waren ebenfalls da. Sie hatten für den SC Freiburg-Fan eine schmissige Rede vorbereitet, die zahlreiche Sport-Metaphern und Spieler-Weisheiten beinhaltete. Ab 1. August »werden die Karten neu gewürfelt« (Oliver Kahn), denn das »Spiel fängt bei 0 an« (Lothar Matthäus). Die richtige Position für Koller sei im Mittelfeld, denn Spielgestaltung liege ihm im Blut. Koller nehme gerne »die Hand in das Heft« (Thomas Helmer). Die gefährlichsten Gegner im Ruhestand seien der FC Langeweile und die Spielvereinigung »Ich mach das gerne – ich hab ja jetzt Zeit«.
Nach dem offiziellen Teil waren alle Gäste noch zum Sektempfang eingeladen. Außer den Genannten saßen aktuelle und ehemalige Vertreter der Gemeinde, Vertreter der Kirchen und der Polizei, ehemalige Kollegen und Kollers Vorgänger, die Kindergartenleiterinnen, Vertreter der Sparkasse, des Musikvereins, aktuelle und ehemalige Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern, Wegbegleiter auf verschiedensten Ebenen und viele mehr noch lange in und um die »Obere Fabrik« zusammen und genossen einen Abend, der zwar ein bisschen Wehmut in sich trug, dessen Grundrauschen jedoch in die Zukunft gewandt war.
Stationen des Lehrerlebens von Horst Koller
1974: Abitur am Wirtschaftsgymnasium Sinsheim
1974 bis 1977: Studium an der PH Heidelberg, Mathematik und Theologie
1977: Erste Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen mit Stufenschwerpunkt Hauptschule
Januar 1978: Sonderschule für Lernbehinderte, Rheinau-Memprechtshofen
September 1978: Eichendorffschule, Offenburg
Schuljahr 1979/1980: Otto-Hahn-Realschule, Lahr
Nebenberufliche Tätigkeit in der Jugendvollzugsanstalt Offenburg
September 1980: Zivildienst an der Heimsonderschule für Verhaltensauffällige in Lahr
Lehrertätigkeit an der Abendrealschule in Lahr
1982: Albert-Schweizer-Schule für Lernbehinderte, Lahr
1984: Examen für Lehramt an Sonderschulen in Heidelberg; anschließend Diplomstudium Erziehungswissenschaften
Schule für Lernbehinderte, Wolfach
1996: Bildungszentrum Ritter von Buß/SBBZ Lernen Zell a. H.
2003: Bestellung zum Leiter des SBBZ Lernen























