In der Geschichte der Zeller Keramik wird ein neues Kapitel geschrieben. Keramik-Geschäftsführer Ralf Müller möchte die Karlsruher Majolika mit Fokus auf Kunst übernehmen. Das gaben Vertreter der Stadt Karlsruhe, der Majolika-Stiftung und der Zeller Keramik am vergangenen Mittwoch in Karlsruhe bekannt. Zells Bürgermeister Günter Pfundstein informierte bei der Einwohnerversammlung am Freitagabend über den Schritt des Zeller Traditionsunternehmens, von dem er aus der Presse erfahren habe. Er zeigte sich zuversichtlich, dass ein Standbein der Zeller Keramik in irgendeiner Form in Zell bleiben werde.
»Es wird in Zell am Harmersbach auch weiterhin einen Werksverkauf und Produktion geben«, informierte Keramik-Pressesprecher Ulf Tietge auf Nachfrage unserer Zeitung. Über Art und Umfang könnten zum jetzigen Zeitpunkt aber noch keine Aussagen getroffen werden.
Bereits vier Tag vor dem Pressetermin in Karlsruhe habe Geschäftsführer Ralf Müller die Mitarbeiter am Standort in Zell über die Pläne informiert. Die Zeller Keramik und die Dorotheenhütte beschäftigen insgesamt rund 60 Mitarbeiter. An Entlassungen werde nicht gedacht, so Ulf Tietge weiter. Nach der Übernahme habe das Unternehmen nicht weniger Mitarbeiter.
Zunächst müsse die Entscheidung des Karlsruher Gemeinderats abgewartet werden. Erst danach könne man in die Detailplanungen für den Standort Zell gehen. Ob die Zeller Keramik am jetzigen Standort in der Unteren Fabrik bleibt oder neue Räumlichkeiten sucht, sei noch nicht entschieden. »Wir haben mehrere Möglichkeiten«, ließ der Pressesprecher diese Fragen offen.
Die Zustimmung des Karlsruher Gemeinderats vorausgesetzt, könne es aber durchaus sein, dass die Zeller Keramik in Zukunft freie Produktionskapazitäten in Karlsruhe nutzt, unter anderem um dort Gebrauchskeramik zu brennen. Insgesamt sehe man im Unternehmen eine steigende Nachfrage nach Produkten der Zeller Keramik. Vom Schritt nach Karlsruhe rechnet man sich aus, noch mehr Kunden zu erreichen.
Neuer Glanz für die Majolika
»Wir wollen nicht vor Asche sitzen und sie anbeten, sondern das Feuer neu entfachen, der Majolika ihren alten Glanz zurückbringen«, stellte Keramik-Pressesprecher Ulf Tietge in Aussicht. Wir, das seien die Zeller Keramik Manufaktur in Zell am Harmersbach mit der Glasbläserei Dorotheenhütte in Wolfach. Eigentümer Ralf Müller wolle die einzige Kunstkeramikwerkstätte Deutschlands übernehmen, sofern der Karlsruher Gemeinderat am 20. und 21. November zustimmt.
Alleingesellschafterin der 1901 gegründeten Manufaktur ist die Majolikastiftung, die Liegenschaft gehört der KVVH, informierte Aufsichtsratsvorsitzende, Erste Bürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz. Die Pressestelle der Stadt Karlsruhe berichtet, dass die Stadt und der Gemeinderat nach vielen Diskussionen an einem nachhaltigen, zukunftsorientierten Konzept für die Majolika interessiert seien.
Keramisches Zentrum mit Fokus auf Kunst
Ein Workshop habe im Frühjahr als Ziele den Erhalt der traditionellen Keramikproduktion und des handwerklichen Könnens sowie die Suche nach geeigneten Kooperationspartnern herausgearbeitet, so die Stadt Karlsruhe weiter. Ralf Müller wolle, so der »optimistisch, freudige« Kulturbürgermeister Dr. Albert Käuflein, die Majolika als national und international ausstrahlendes keramisches Zentrum mit Fokus auf Kunst ausbauen.
Der Stiftung könnte die Stadt für den künstlerischen Bereich weiter einen Zuschuss (aktuell jährlich 300.000 Euro) geben, diesen dann stufenweise reduzieren. Mit der Kunstakademie und der Hochschule für Gestaltung gebe es Stipendien für Gastkünstler, die Ateliers würden aktiviert. Entstehen sollen Unikate auf höchstem Niveau, Kunst am Bau, künstlerische Auftragsarbeiten und kleinere Serien für ein breiteres Publikum.
Produktion in Karlsruhe
Das ergänze gut die Zeller Produktion hochwertiger, handbemalter Gebrauchskeramik – wie die Dekore Hahn und Henne, Alt-Straßburg oder Favorite – erklärte Tietge. Beide Zweige sollten aber stets getrennt bleiben, ihre eigene Marke behalten. Allerdings, da es in Karlsruhe Flächen von bis zu 8000 Quadratmetern gebe, zurzeit aber nur 2000 genutzt würden, ergänzte Stiftungsvorsitzender Klaus E. R. Lindemann, könnten in Karlsruhe auch Zeller Keramik produziert und Synergieeffekte im Vertrieb (»unsere Schwachstelle«) genutzt werden.
Angedacht sind zudem eine »gläserne Keramikmanufaktur« zum Zuschauen und Mitmachen, um die Wertigkeit der Stücke zu verdeutlichen und die Ausbildung von Keramikern. Eingebunden wird das Landesmuseum. Notwendig sind Millionenbeträge, außerdem muss die verkehrstechnische Infrastruktur am Ahaweg in Karlsruhe ausgebaut werden.
Blick in die Geschichte der Zeller Keramik
Die Geschichte der Zeller Keramik Manufaktur begann vor weit über 200 Jahren. 1790 erhielt Joseph Anton Burger, der Gründer der Oberen Fabrik, von der Stadt Zell die Zulassung von bemaltem Steingut (Chronik der Stadt Zell, Dieter Petri). Die offizielle Gründung der ersten deutschen Fabrik, die dem berühmten englischen und
französischen Steingut in nichts nachstand, erfolgte am 22.10.1794 durch Josef Anton Burger.
Der Blick in die Chronik der Zeller Keramik informiert über eine wechselvolle Geschichte: In der, an der heutigen Fabrikstraße gelegenen, sogenannten »Oberen Fabrik« begann man 1842 mit der Porzellanproduktion, die auf Gewerbe- und Industrieausstellungen in den Jahren 1846 bis 1854 diverse Medaillen und Auszeichnun-
gen erringen konnte. Der Deutsch/Französische Krieg, 1870/1871, stürzte dann das Unternehmen in die Krise, da die Porzellanmasse nicht mehr aus Limoges bezogen werden konnte.
Am 08.02.1907 verkauft der Inhaber Carl Schaaf die Obere Fabrik an den Kaufmann Georg Schmider aus Zell, selbst Mitglied der Geschäftsleitung der in Zell a. H. seit 1760 ansässigen Hammerschiede, der sogenannten »Unteren Fabrik«. Die »Georg Schmider, Vereinigte Zeller Keramische Fabriken« entstehen. Seit 1864 wurden in der »Unteren Fabrik«, dem heutigen Firmensitz, feuerfeste Kochgeschirre, Blumentöpfe aus Majolika und Baukeramik hergestellt. Hier entstanden ab 1897 die traditionellen Dekore »Favorite« (Entwurf: Elisabeth Schmidt-Pecht), »Alt Straßburg« und »Hahn und Henne« (Entwurf: Karl Schöner).
1942 wird wegen Kohlemangel die Porzellanproduktion in der »Oberen Fabrik« eingestellt. Die Keramikherstellung in der »Unteren Fabrik« wird dagegen sukzessive ausgebaut. Wechselhafte Jahre folgen, 1989 übernimmt die Kerpener Kaufmannsfamilie Hillebrand den Betrieb und gründet die »Zeller-Keramik GmbH«. Billigimporte aus China belasten aber zunehmend das Geschäft und mehrere Umfirmierungen folgen. Am 1.1.2006 wird die Produktion in die Zeller Keramik Betriebs-GmbH ausgegliedert, die am 1.7.2006 von dem Unternehmer Ralf Müller und seinem Mitgesellschafter Martin Trenkle als Sanierungsfall übernommen wird. Die Produktion wird sukzessive wieder auf Handbemalung umgestellt.