Zwar wurde der Grundstein für das Zeller Kapuzinerkloster erst 1920 gelegt, »vor ziemlich genau 100 Jahren aber ließen sich die ersten Brüder in Zell nieder«, erzählt Guardian Bruder Markus Thüer. Diesem Umstand wird bei einem Festgottesdienst am 4. Oktober gedacht.




Vor wenigen Tagen erst ist Bruder Markus aus Rom zurückgekommen. Dort befindet sich die Zentrale seines Ordens: Die Gemeinschaft der Kapuziner ist ein weltweiter und auch in Deutschland sitzender katholischer Männerorden franziskanischer Gesinnung, der sich in der Bildung, für Notleidende und Bedürftige sowie in der Seelsorge engagiert. Gegründet wurde er 1525.
Zum inzwischen 85. Generalkapitel – dem höchsten Entscheidungsgremium der Kapuziner – hatten sich in jüngst in Rom 188 Kapitulare aus der ganzen Welt drei Wochen lang beraten und die Richtlinien für die nächsten sechs Jahre festgelegt.
Während dieser Zeit war der Guardian – der Leiter – des Zeller Kapuzinerklosters als Übersetzer aus dem Englischen ins Deutsche tätig. Da Bruder Markus sein Studium der Theologie in Münster wie auch im britischen Canterbury absolvierte, »bin ich vom Englischen her gut beschlagen«, schmunzelt er. Seit rund 16 Jahren ist der 53-Jährige immer wieder als Übersetzer zugange – für jenen Orden, dem er vor 32 Jahren beitrat. Und für den er sich im Advent 2016 als Kopf des Zeller Kapuzinerklosters zur Verfügung gestellt hat, im Zuge eines Personalwechsels.
Orts- und Funktionswechsel sind Programm bei den Kapuzinern, deren Name sich von der markanten Kapuze des Franziskanerhabits ableitet. Jenes Gewandes eines Ordensgründers, für den in Bruder Markus’ Worten klar war: »Man soll sich im Letzten nichts aneignen. Auch keinen Ort oder eine Stelle.« Und eben diese Itineranz bedeutet, dass man nirgendwo für immer bleibt. Denn das große Ideal des Heiligen Franziskus – so der Zeller Klosterobere – seien die Jünger gewesen, »die gemeinsam und ohne jeglichen Besitz mit Jesus durch die Welt ziehen und jeweils dort das Evangelium verkünden, wo sie denn dann gerade sind.«
In Bezug auf das Ordensleben hat das zwei Aspekte: Zum einen bleiben die Brüder geistig wie auch sonst beweglich – Strukturen fahren sich nicht fest, »so dass immer wieder etwas Neues kommen kann.« Am eigenen Leib hat Bruder Markus das erfahren, als er mit zehn Jahren Aufenthaltsdauer seine mit Abstand längste Zeit in Stühlingen verbracht hatte, im »Kloster zum Mitleben«. »Da habe ich gemerkt: Es ist Zeit zu wechseln, sonst wirst du zu eingefahren. Es gibt gute Gewohnheiten, aber man wird auch ganz schnell betriebsblind.«
Gemeinschaft leben
Weniger leicht dagegen fiel dem aus der Nähe von Hamm Stammenden der letzte Wechsel. Denn der bedeutete für ihn – nach nur drei Jahren – den Abschied von Münster, den Abschied von der Rückkehr in die alte Heimat also. Aber Zell rief. Oder anders gesagt: Da für Bruder Markus die Belange des Ordens an erster Stelle stehen, leistete er einer entsprechenden Wechselbitte seines Provinzialministers und damit seines »Chefs« Folge.
Der zweite Aspekt der beständigen Veränderungskultur der Kapuziner ergibt sich mit dem Blick auf das Ganze. In Deutschland »haben wir zur Zeit 14 Häuser«, erklärt Bruder Markus, »und die müssen alle besetzt werden – mit Leuten, die die jeweils anstehenden Aufgaben übernehmen können.« Schon alleine aufgrund der Tatsache, dass eine Klosterleitung stets nur auf drei Jahre gewählt wird, gibt es immer wieder Wechsel, die eine Neuverteilung von Aufgaben und somit zusätzliche personelle Umschichtungen erfordern.
In Gemeinschaft zu leben, auch gemeinsam zu essen und zu beten, den Tag und das Leben daraus zu gestalten – das war es, was den heutigen Priester als 21-Jährigen mit abgeschlossener Gärtnerlehre dazu veranlasste, dem Orden beizutreten. Unter anderem die Art des Miteinanders von alt und jung hatte ihn tief beeindruckt, »das hatte ich vorher so nicht gekannt.« Nicht weniger berührte ihn, wie glücklich und zufrieden auch hoch betagte Ordensmänner waren.
»Hier kannst du alt werden«, dachte er sich damals. Genauso wichtig für seine Entscheidung für die Kapuziner aber war, dass diese nicht komplett zurückgezogen leben, wie Mönche das um ihres Ideales Willen tun: »Wir bleiben nicht nur in unserem Kloster, sondern wir arbeiten auch nach außen.«
Auch Bettelorden braucht Geld
Als Bruder Markus in den Orden eintrat, gab es 500 Ordensbrüder in Deutschland. Heutzutage sind es 125 – ein mageres Viertel. Dementsprechend mussten etliche Klöster geschlossen werden. »So etwas ist jedes Mal traurig«, bedauert der Guardian, »aber wir brauchen Konvente, in denen ein Gemeinschaftsleben möglich ist. Dafür braucht es eine gewisse Größe und auch gewisse Finanzen.« Denn so ein Haus zu unterhalten kostet viel Geld, »und das können wir nicht selber drucken«, lacht er. Gleich darauf wird er wieder ernst, »einfach nur aufgrund der Tatsache, dass es uns gibt, kriegen wir von der Kirchensteuer keinen Pfennig.«
Geld verdient habe der Orden in den letzten Jahren vor allem dadurch, dass er Ortspfarrer stellte und dafür vom Bischof das Pfarrersgehalt erhielt, »davon können ein paar Leute leben.« Da das Durchschnittsalter der Kapuziner jedoch unaufhaltsam steigt, »haben wir immer weniger Brüder, die für den Bischof oder für andere arbeiten können.« Umso mehr ist die Gemeinschaft auf Spenden angewiesen.
Der Standort in Zell ist von einer Schließung nicht bedroht: Die einstmals integrierte Schule mit Internat ist längst in ein viel gefragtes Haus der Begegnung umgewandelt worden, in dem sich Erwachsene in anregend ruhiger Klosteratmosphäre vielfältig weiterbilden können.
Zeller Standort bleibt
Überdies kümmern sich die Brüder um die nebenanliegende Wallfahrtskirche und widmen sich damit einer Aufgabe, die dereinst letztlich für die Ansiedlung des Klosters an diesem Ort gesorgt hatte. »Vor 100 Jahren ließen sich die ersten zwei oder drei Kapuziner dauerhaft in Zell nieder«, erzählt Bruder Markus, zwei Jahre später begann der Klosterbau.
Eine weitere Aufgabe des Standorts tritt – weil ordensintern – weniger nach außen: »Zell ist jetzt auch ein Konvent für ältere Mitbrüder«, erläutert der Guardian. »Hier ist ein Ort, wo man vielleicht noch ein bisschen mithelfen, aber ansonsten gut seinen Lebensabend verbringen kann.«
Dem 100-jährigen Jubiläum zur dauerhaften Kapuzinerpräsenz in Zell wird in einem Festgottesdienst in der Wallfahrtskirche am 4. Oktober gedacht werden, dem Festtag des Heiligen Franziskus, »unserem Ordensgründer.«
Für das Jahr 2020 dann, wenn 100 Jahre seit der Grundsteinlegung für das Kloster vergangen sind, ist ein großes Fest geplant. »Hoffentlich mit Bischof und allem Drum und Dran«, schmunzelt Bruder Markus.