Nur wenige Stunden vor ihrer Abdankung genehmigte die badische Großherzogliche Regierung am 11. November 1918 mit einem der letzten Erlasse den Zuzug der Kapuziner nach Zell a. H. Seit 100 Jahren bilden nunmehr die Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten« und das angrenzende Kapuzinerkloster »St. Fidelis« eine Einheit.
In früheren Jahrhunderten kamen jeweils am Freitag zwei Patres aus dem damaligen Kapuzinerkloster Haslach nach Zell, um hier die Beichte zu hören und, wie auch an Marienfeiertagen, die Messe zu lesen. Sie übernachteten vorübergehend im »Kapuzinerstübchen« in der Mesnerwohnung. In einem Lexikon ist gar davon die Rede, dass von »1657 bis 1679 Kapuziner in Zell gewohnt haben«. Dafür ließ sich aber kein weiterer Hinweis finden.
Das Kapuzinerkloster Haslach wurde 1823 endgültig geräumt. Die Patres mussten sich andere Unterkünfte suchen; der letzte Haslacher Kapuziner, Pater Leopold, starb im Jahre 1851.
5.000 Pilger kamen zum Patrozinium
Kapuziner aus anderen Klöstern übernahmen später diese Aufgabe, vor allem aus dem nahen Elsaß, wo der Kapuzinerorden in dem Straßburger Vorort Königshofen eine Ordensschule unterhielt. Von hier kamen Patres regelmäßig in die Wallfahrtskirche. Vor allem an Wallfahrtstagen waren sie besonders gefordert. So wurden 1910 am Patrozinium »Maria Himmelfahrt« (15. August) an die 5000 Pilger gezählt, die zu Fuß und vor allem mit den bereit gestellten Sonderzügen der noch jungen Harmersbachtalbahn in die Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten« gekommen waren.
Das gewohnte klösterliche Leben in Königshofen war nicht mehr möglich, als in den ersten Kriegstagen 1914 die Franzosen für kurze Zeit das Klostergebäude besetzt hielten. Nach deren raschem Abzug unterhielt die Deutsche Militärführung ab dem 17. August 1914 hier ein Kriegslazarett. Bis zur Aufhebung am 19. November 1918 wurden hier 4933 Verwundete gepflegt.
Das Ende des Krieges führte in Baden zu einer Änderung der immer noch nachwirkenden »Kulturkampf-Gesetze«, durch die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Einfluss der katholischen Kirche, vor allem im Bildungswesen, zurückgedrängt worden war. Nicht zuletzt wegen des bevorstehenden Waffenstillstandes genehmigte die Großherzogliche Regierung die Wiedergründung von Kapuziner-Klöstern in Baden, wohl auch unter dem Eindruck, dass die deutschen Klosterleute wegen der Niederlage das Elsaß verlassen mussten, unter anderem auch die Kapuziner in Straßburg-Königshofen, Sigolsheim und Maria Dusenbach (in der Nähe von Colmar).
Eine neue Bleibe für »heimatlose« Kapuziner
Das bischöfliche Ordinariat in Freiburg hatte schon im Vorfeld gemeinsam mit der Ordensleitung mehrere Orte ausgewählt, um den »heimatlosen« Kapuzinern eine neue Bleibe zu ermöglichen. Sicherheitshalber fragte man vorab beim Zeller Stadtpfarrer Isidor Kayser an, ob die Kapuziner dort überhaupt erwünscht seien. Dieser begrüßte die geplante Niederlassung.
So kamen schließlich am 13. November 1918 Pater Bonaventura und Pater Paulinus in Zell a. H. an. Sie fanden vorerst Aufnahme bei Anna Zapf, die den beiden Patres in ihrer Villa bereitwillig eine Wohnung zur Verfügung stellte. Sie besorgte ihnen auch den Haushalt. Pater Kunibert fand vorübergehend im Pfarrhaus Unterkunft.
Weitere Ordensmitglieder kamen hinzu. Unterkunft fanden sie vorläufig im Mai 1919 im Wohnhaus der Therese Schmieder, die ihr Wohnhaus neben der Kapelle anbot und den Haushalt führte. Im Volksmund hieß das Haus bald nur noch das »Klösterle«. Den Hausrat für die Neuankömmlinge stifteten Zeller Familien.
Insgesamt vier Patres und ein Laienbruder bildeten Anfang 1919 die Keimzelle des späteren Klosters, das 1921 bezogen wurde. Die Kapuziner übernahmen 1923 die Wallfahrtskirche als Ordenskirche und knüpften mit der Gründung einer Missionsschule bzw. dem Internat »St. Fidelis« im selben Jahre an die im Elsaß so erfolgreich begonnene Bildungsarbeit an.
Anlässlich des Franziskustages am 4. Oktober 2018 wird im Gottesdienst um 10 Uhr in der Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten« an dieses Jubiläum erinnert.
Kapuziner in Straßburg
Nachdem das bischöfliche Ordinariat Straßburg in Königshofen eine Karthause »zur Gründung einer Kapuzinermissionsschule« gekauft hatte, zogen 1892 die ersten Ordensangehörige dort ein. Im damaligen »Reichland« jenseits des Rheins wurden jährlich bis zu 150 Internatsschüler unterrichtet, rund 300 Novizen wurden in den Folgejahren bis 1914 eingekleidet, zumeist in Sigolsheim, wo das Noviziat war.
Während der Kriegsjahre war Unterricht nicht mehr möglich. Einige der Internatsschüler wurden nach Bocholt und Sigolsheim (nordwestlich von Colmar) verlegt. Mit dem Ende des Krieges verlor die Kapuzinerprovinz ihre Klöster im Elsaß. Es war eines der Ziele, mit der Niederlassung der Kapuziner in Zell baldmöglichst wieder eine Missionsschule zu betreuen.
In Königshofen richteten die Elsässer ihr Provinzialat ein, die Schule dort bestand weiter. Von dort kamen viele Missionare für die französischen Kolonien. Aus Nachwuchsmangel wurde 2017 das Klostergebäude an das Bistum Straßburg übergeben.