Musik ist Spiegel von Emotionen. Sie kann traurig sein, sie kann freudig jubeln. Die Musik der Renaissance- und Barockzeit kennt keine Extreme, setzt klare Grenzen.
Die von Gott gegebene Ordnung findet ihren Ausdruck in Kompositionen, die den Menschen etwas von den himmlischen Sphären vermitteln sollen. So verstanden sich die Komponisten und Musiker jener Epochen. Ihre Werke dienten also nicht in erster Linie der Unterhaltung eines Publikums. Gleichwohl sind es traumhaft schöne Klänge und Melodien, wie es die Hörer bei der 5. Sommermusik erlebten, als das Duo Kirchhof mit „O Pastorella cara“ das Konzert in der evangelischen Kirche eröffnete.
Beide Musiker spielen historische Instrumente: Lutz Kirchhof eine Renaissance-Laute, Martina Kirchhof verschiedene Instrumente aus der Familie der Gamben. Wie sehr sich beide Künstler mit der Intention der Komponisten jener Zeit, den Werken und der historischen Aufführungspraxis auseinandergesetzt haben, zeigte sich bei den Erläuterungen Kirchhofs vorab zu jedem Stück. Dies erleichterte auch den Hörern den Zugang zur Musik. Denn den subtilen, sehr leisen Tönen der Laute und den sonoren Klängen der Viola da Gamba musste man aufmerksam lauschen, um die harmonischen Feinheiten genießen zu können.
Die an die höfischen Tänze der Fürstenhöfe erinnernde Courante (»Aus dem Lautenbuch der Elisabeth von Hessen«) beeindruckte durch das rhythmisch akzentuierte pizzicato auf der Viola da Gamba. Auch Martina Kirchhofs sensibler Einsatz des Bogens auf dem Streichinstrument belebte das ohnehin perfekte Duospiel ungemein. Die polyphonen Kompositionen des schottischen Gambisten Tobias Hume bewiesen das mustergültig: Kontrastreiches Spiel mit dem Bogen bis hin zu dezent perkussiven Rhythmen, ohne dass der leichte Renaissanceklang mit weich schwebenden, beweglich gestalteten Harmonien verloren gegangen wäre.
Mit seiner historisch informierten Erfahrung exponierte das Duo auch den englischen Renaissance-Meister Thomas Robinson. Man erlebte, wie der heutzutage weniger bekannte Zeitgenosse des berühmten John Dowland in seiner variationsreichen, stets melodiösen und gefälligen Musik Ernst und Tanzidiom nebeneinander stellt. Vom Duo Kirchhof grandios interpretiert in den Sätzen »A Gigue« und »A Toye«.
Musik als geistreiches und kultiviertes Spiel
Bei Philippo Martinos »Suite g-moll« wechselte Lutz Kirchhof zur Barocklaute, die sich vor allem in Frankreich des 17. Jahrhunderts durchgesetzt hatte. Martina Kirchhof musizierte fortan mit der Pardessus de Viole, dem kleinsten und vom Klang her hellsten Instrument aus der Gambenfamilie. Man staunte, wie dialogisch dicht und zugleich federnd sich ein Menuett gestalten lässt und wie transparent und durchlässig das vielschichtige Arioso erklang. Bei allem Faible fürs Aufgeräumte wurde doch auch das Dunkle berührt. Wie überhaupt die getragenen Etappen des Vortrags zum emotionalen Zentrum wurden.
Könnte es sein, dass bei der Courante von Sylvius Leopold Weiss der Komponistenkollege Johann Sebastian Bach stilistisch »um die Ecke schaute«? Beide hätten oft und gerne miteinander musiziert, erfuhr man von Lutz Kirchhof. Der jedenfalls meisterte die anspruchsvolle Courante mit virtuosem Lautenspiel. Auch in den vier Sätzen des »Douetto g-moll« von Paul Charles Durant wurde die Laute ihrer tragenden Rolle gerecht. Kongenial im Zusammenwirken mit der Viola da Gamba. Musik als geistreiches, gewandtes und stets kultiviertes Spiel. Bei Durant durchaus mit einem Verweis auf die Frühklassik, souverän im Umgang mit den Mitteln seiner Kunst.
Ein exzellenter Abschluss des Konzerts in der evangelischen Kirche, einschließlich der Zugabe. Ob man von »einer besonderen Wirkung auf die Psyche und Gefühlswelt des Hörers« sprechen kann, wie es das Programm vorab verkündete, mag jeder für sich entscheiden, doch fest steht: Ein Konzert mit dem Duo Kirchhof ist in seiner Poesie und Klangschönheit bis zum kaum mehr hörbaren Pianissimo das vollkommene Gegenstück zu unserer lauten und hektischen Welt.