Ab 1. Oktober ist die Kinderbetreuungslandschaft in Zell am Harmersbach um eine Nuance reicher. Mit der Arbeiterwohlfahrt als Träger macht sich eine Waldspielgruppe auf, das Leben und die Welt zu erkunden.
Zehn Kinder groß kann die Gruppe sein, in der Minis bis zum Alter von drei Jahren betreut werden. Verantwortlich werden mit Claudia Sapparth und Renate Buchholz zwei Fachkräfte sein, die bereits viel Erfahrung in der Betreuung von Waldspielgruppen haben. Seine Basis wird das naturpädagogische Angebot zwischen altem und neuem Hochbehälter am Eckwald auf städtischem Grund und Boden aufschlagen. Der Standort am Eckwald wurde nach strengen Kriterien gewählt. Er sollte gut erschließbar sein, Parkmöglichkeiten bieten und bewusst dort angesiedelt sein, wo durch Wander- und Walkingwege sowie schon relativ viel Bewegung im Wald herrscht. »Wir wollten nicht noch zusätzliche Unruhe schaffen«, erläutert Ludwig Börsig und sagt, dass der Standort auch in Hinblick auf jagd- und forstwirtschaftliche Belange ausgewählt worden ist.
Fortgeschrittene Planung
Die Weichen für die Waldspielgruppe und den im Herbst nächsten Jahr startenden Waldkindergarten wurden im Gemeinderat erst im April dieses Jahres gestellt. Damals gab es große Zustimmung, aber auch etliche Vorbehalte. Mittlerweile sind die Genehmigungsverfahren auf den Weg gebracht und die sonstigen Voraussetzungen geschaffen oder befinden sich in einem fortgeschrittenen Planungsstadium. Eine beheizbare Schutzhütte muss zum Start des Betreuungsangebots vorhanden sein, ebenso eine Toilette. Bei der Planung der Schutzhütte, so freut sich Börsig, brächten sich interessierte Eltern schon jetzt mit ein. Das zeigt auch, dass Bedarf für das neue Betreuungsangebot vorhanden ist. Der Bau des Häuschens sowie andere einmalige Investitionen werden mit
70 Prozent gefördert. Wenn der Unterstand nicht rechtzeitig zum 1. Oktober fertig wird, steht Plan B bereits in den Startlöchern. Claudia Sapparth hatte frühzeitig bei der Fa. Knäble wegen eines Bauwagens angefragt, den sie auch prompt geschenkt bekommen hat. Der müsste im Fall der Fälle nur noch ein wenig umgebaut werden, damit er die Anforderungen an die Unterkunft erfüllt. Bei drohendem Unwetter steht das Obergeschoss des Sportparks als Notunterkunft zur Verfügung – und dann gibt es dort ja auch noch die überdachte Tribüne, auf der man trockenen Fußes Zeit an der frischen Luft verbringen kann.
Stadt und AWO werden Partner
Hauptamtsleiter Ludwig Börsig begleitet das Projekt federführend mit und sieht gespannt in die Zukunft. Die vier städtischen Kindergarten seien an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Eltern und Erzieher hätten die Idee des freien Spiels in freier Natur an die Stadt herangetragen. Nach der Schaffung einer neuen Kleinkindgruppe in Unterentersbach sei es eine spannende Idee, in Richtung Waldkindergarten zu denken, so Börsig. »Das Projekt macht nur Sinn mit einem verlässlichen Träger, der sich länger engagiert als es Eltern tun können«, weiß Börsig ebenfalls und freut sich umso mehr, dass sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) für die Trägerschaft angeboten hat. Dabei begibt sich nicht nur die Stadt, sondern auch der AWO-Kreisverband auf Neuland. Beide sind bisher nicht in Sachen »Waldkindergarten« engagiert. Edmund Taller vom Kreisverband der AWO sieht das Ganze als große Chance und zeigt sich überzeugt, dass die Natur als Erlebnisraum jeden Tag wichtig ist, was seine Organisation mit der Trägerschaft fördern will. Ganz losgelöst vom »normalen« Kindergarten-Alltag soll das Waldkinder-Angebot nicht sein. Kooperationen mit den anderen Kindergärten seien wünschenswert.
Rund 75.000 Euro sind für die Waldspielgruppe veranschlagt, inklusive Aufwendungen für das Personal. Mit den Elternbeiträgen und Zuschüssen allein sind die Kosten nicht zu decken. Die Stadt übernimmt das Defizit – wie bei den anderen Kindergärten auch.
Jahreszeiten erleben
Mit Claudia Sapparth hat die Waldspielgruppe eine erfahrene Fachkraft. Die Erzieherin hat eine Weiterbildung zur Fachkraft für Elementarpädagogik im Naturraum absolviert und blickt auf zehn Jahre Erfahrung im Haslacher Waldkindergarten und in der Elzacher Waldspielgruppe zurück. Ihre Kollegin Renate Buchholz ist selbst vierfache Mama und freut sich sehr auf das neue Projekt, das nach der Elternzeit im Herbst auf sie wartet. Die beiden sehen im fast täglichen Aufenthalt im Wald viele Vorteile für die Entwicklung der Kinder. »Der Wald schult die Wahrnehmung«, wissen sie. Auf DIN-genormten Spielplätzen nehme die Konzentration der Kinder beim Spielen schnell ab. Das passiere weniger, wenn ständig anders gewachsene Wurzeln und zufällig angeordnete Steine das Spielfeld bilden. Auch dass alle vier Jahreszeiten hautnah erlebt würden, ist für die beiden ein echtes Plus. Das Jahr besteht nun mal aus Frühling, Sommer, Herbst und Winter, hat Sonne, Wind, Kälte, Schnee und Regen im Gepäck. Das mit allen Sinnen erleben zu dürfen sei der sehr lebenspraktische Ansatz von Waldkindergärten und Waldspielgruppen. Sapparth macht es an einem einleuchtenden Beispiel fest: »Wer im Sommer Anfeuerholz sucht, hat es im Winter warm. Das ist nachvollziehbares praktisches Leben für die Kinder und stärkt die Eigenverantwortung und das Erleben von Selbstwirksamkeit.« Und sie berichtet von Kindern, die viele Erfolgserlebnisse haben können – sei es, dass sie Gelände erklimmen, zusammen schwere Stöcke schleppen oder durch das Erwandern eines Bergs neue Perspektiven gewinnen. Das Freispiel, begleitet von Naturerfahrungen, habe hohe Priorität. Entschleunigung sei Teil des Konzepts. »Für Kinder ist der Moment wichtig«, sagt Sapparth, »Das wollen wir auch als Vorbild leben«.
Beiträge wie in anderen Kindergärten
Die Betreuungszeiten sind vorerst montags bis donnerstags von 9 bis 12 Uhr. Die Beiträge orientieren sich am Niveau der anderen städtischen Kindergärten, denn die Stadt betont, dass die Entscheidung pro oder contra »Waldkind« keine finanzielle, sondern eine pädagogische sein soll. Interessierte Eltern können sich bei der AWO unter waldkinder-zell@awo-ortenau.de melden.