Bei der Aktion »Offen für Kunst« am vorletzten Aprilwochenende kann jedermann auf Tuchfühlung mit Künstlern unterschiedlicher Couleur gehen. Wolfgang Hilzensauer, selbst Maler und Beirat im Kunstverein Mittleres Kinzigtal, gibt einen Einblick in die Hintergründe.
»In einer Art Rallye kann man an diesen beiden Tagen von Ort zu Ort und von Atelier zu Atelier fahren«, schmunzelt Wolfgang Hilzensauer, in dessen Atelier oftmals in farbenfrohen Formen sprechende Werke entstehen.
Die zahlenmäßigen Schwerpunkte der insgesamt zehn teilnehmenden Ateliers liegen in Hausach und Zell, doch mit einem Atelier in Steinach ist auch der Biberacher Mixed-Media-Künstler Hirschbiel vertreten. Und in Gengenbach gewährt Manfred Schlindwein Einblick in sein Holzschnitt-Atelier.
Zum vierten Mal in Folge bereits finden die Tage der offenen Ateliers im Mittleren Kinzigtal statt. Silvia Ehrlinger mit ihren zeitdynamischen Arbeiten aus Zeitungspapier sowie der Acryl- und Aquarellmaler Roland Mauch gehören sozusagen zur Zeller Stammbesetzung. Wolfgang Hilzensauer hingegen macht das erste Mal mit bei der Veranstaltung, die vom Kunstverein Mittleres Kinzigtal unterstützt wird.
Dessen Aufgabe bestehe in der Förderung zeitgenössischer Kunst und ihrer Macher, erläutert der im letzten Jahr in den Unruhestand gegangene Ingenieur: »Künstlern, die noch keine eigene Ausstellung hatten, geben wir die Möglichkeit, sich selbst und ihre Kunst in der Öffentlichkeit zu präsentieren.«
Förderung
Dazu gilt es, sich mit Kostproben seiner Werke zu bewerben. Wer von der Jury des gemeinnützigen Vereins prämiert wird, erhält den Zuschlag. Was bedeutet, dass der Verein die Kosten der Räumlichkeiten trägt, Werbemittel zur Verfügung stellt und sich um die Einladungen kümmert. Eine Bezahlung ist mit einer solchen Ausstellung zwar nicht verbunden, doch sie bietet die Möglichkeit zum Verkauf.
Die an »Offen für Kunst« teilnehmenden Künstler aber haben sich keiner Jury stellen müssen. Dennoch betrachtet sich der Kunstverein auch hier als ein Förderer von Qualität. Mehr noch: als Qualitätswächter. »Es gibt ja sehr viele Künstler, die ein Studium gemacht haben. Die sich sehr viele Jahre bemüht haben, sich selbst zu verbessern.« Auf jeden Fall eine tiefe Auseinandersetzung mit der Kunst macht den Unterschied zu Hobbykünstlern aus. So sieht es Wolfgang Hilzensauer, der selbst ein berufsbegleitendes Studium an der Kunstakademie in Lahr absolviert hat.
Aber: Es gebe auch sehr viele Künstler, die ein Studium abbrechen, so der ehemalige Manager. »Weil sie feststellen, dass es für sie nicht der richtige Weg bei der Entwicklung ihrer Kunst ist – siehe Picasso«, räumt er lachend ein, »zum Künstler autorisieren kann sich im Grund genommen jeder selbst.«
Qualität
Zunächst einmal habe das Thema »Qualität« nichts mit dem Betrachter zu tun, meint der Mischtechnik-Maler, denn Hobbykunst kann genauso gut gefallen wie »qualitativ hochwertige« Kunst – die Wolfgang Hilzensauer im Übrigen als »knallharte Arbeit« betrachtet, »bis hin zur Verzweiflung: weil man experimentiert, weil man sucht. Man hat’s im Kopf, kriegt’s aber nicht in die Hände rein.«
Was dann aber macht Qualitätskunst aus? »Es gibt keine direkt messbaren Merkmale«, gesteht der studierte Maschinenbauer. Doch wer sich intensiv mit Kunst beschäftigt hat – mit Bildharmonie, Sujet, Komposition, Symbolik et cetera – der hat ein Hintergrundwissen, ein gewisses Bewusstsein. »Diese Leute erkennen, wenn bestimmte Merkmale in Bezug auf die Ästhetik und das Handwerkliche bedient worden sind.« Auch die Frage, ob der Künstler den Zeitgeist wiederspiegelt, spiele bei einer Beurteilung durch den Kunstverein eine Rolle. Und Zeitgeist wiederum kann alles Mögliche sein, kann sich beispielsweise in der Art der verwendeten Materialien ausdrücken.
Objektivität
Dennoch ist eine objektive Bewertung von Kunst nicht unbedingt möglich. »Das ist anders als in der Technik, aus der ich komme, wo es ganz klare – auch durch Dritte nachprüfbare – Kriterien gibt«, hebt Wolfgang Hilzensauer hervor. Umso wichtiger sei es, Anerkennung in der Kunstszene zu haben. Wenngleich es auch mit dieser so eine Sache ist. Denn auch sie ist relativ. »Ein richtiger Künstler malt beziehungsweise macht Kunst für sich selbst. Weil er sich das zu seinem Auftrag gemacht hat«, ist der 65-Jährige überzeugt, »allerdings muss er auch von etwas leben.« Und das bedeutet monetäre Anerkennung, die Notwendigkeit des Verkaufens also. Auch wenn nur drei Prozent aller Kunstschaffenden von diesem ihren Tun leben können, ihre Existenz nicht durch andere Einkünfte bestreiten müssen.
Begegnungen
Fazit: Kunst braucht den Betrachter. Oder wie der Vereinsbeisitzende es ausdrückt: »Sie lebt vom Estimieren.« Ungeachtet dessen, dass ein Künstler seine Werke zunächst für sich selbst erschafft, indem er sich beispielsweise ganz dem Prozess des Malens hingibt – »gerade in der Kunst sind die Dinge nie frei von Widerspruch«, Wolfgang Hilzensauer zuckt bedauernd mit den Schultern.
Besagtem »Estimieren« wollen die Tage der offenen Ateliers Raum, sprich Kunstinteressierten die Möglichkeit geben, mehr über den Künstler zu erfahren, mit ihm auf Tuchfühlung zu gehen. Ein Gespräch zu haben. Die Bilder anzuschauen und zu fragen: »Was haben Sie sich dabei gedacht, wie haben Sie das gemacht?« »Keine Maschine macht Kunst«, unterstreicht der im Malen Kreative, »Es ist die Persönlichkeit eines Künstlers, die da mit in die Waagschale geht.«
Info
Am 21. und 22. April jeweils von 11 bis 17 Uhr sind in Zell am Harmersbach folgende Ateliers geöffnet: Silvia Ehrlinger, Steinenfeld 22 (Rückgebäude)/Roland Mauch, Fabrikstraße 1/Wolfgang Hilzensauer, Am Bach 1 (unmittelbar bei der Schwarzwälder Post).
Weitere Adressen: in Gengenbach Manfred Schlindwein, Ecke Mersyscher Hof/Brenngässle; in Hausach: Beate Axmann, Hausacherstr. 23, auf dem Gelände der Zimmerei Armbruster; Martin Kempe, Marion Sokol und Jürgen Neumaier in der Eisenbahnstraße 38/Mostmaierhof; Jürgen Neumaier, Eisenbahnstraße 40; Gabriele Schuller, Vorlandstraße 8; in Steinach: Hans-Georg Hirschbiel, Hauptstraße 78.
Zusätzliche Informationen unter www.kunstvereinmittlereskinzigtal.de.