Mit einem einstimmigen Beschluss hat der Zeller Gemeinderat in seiner öffentlichen Sitzung am gestrigen Montagabend den Auftrag für die Sanierung der L 94 in der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach vergeben. Der Zuschlag ging an das Bauunternehmen Reif aus Rastatt, das mit 9.664.892 Euro brutto günstigster Bieter war. Der Beschluss wurde vom Gemeinderat um den Zusatz ergänzt, dass sich die Stadt Zell als Auftraggeber in Abstimmung mit dem ausführenden Bauunternehmen und dem Planungsbüro Wald & Corbe verpflichtet, alle möglichen und notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine ganztägige Durch- bzw. Umfahrung der Baustelle durch das Tal für Fahrzeuge aller Art zu gewährleisten.
Mit dem Zusatz im Beschluss reagierte der Zeller Gemeinderat auf rechtliche Schritte, die von der Gemeinde Oberharmersbach, vertreten durch Bürgermeister Huber, und fünf bevollmachteten Unternehmen, hauptsächlich aus Oberharmersbach, eingeleitet wurden, um auf die Auftragsvergabe zu verzichten.
Bürgermeister Günter Pfundstein informierte in einer persönlichen Stellungnahme zu Beginn der Sitzung darüber, dass am Freitag ein entsprechendes Schreiben von einer Freiburger Rechtsanwaltskanzlei bei der Stadt Zell eingegangen sei. Die Stadt Zell wiederum habe das Schreiben über das Wochenende von einem Anwaltsbüro prüfen lassen und man sei zum Ergebnis gekommen, dass »einer Auftragsvergabe in der heutigen Sitzung nichts entgegen steht«.
Ein- und Ausfahrt in das Tal ist sichergestellt
In seiner Stellungnahme erinnerte Bürgermeister Pfundstein an die Pressemitteilung vom 11. Mai 2017, in der zum Ausdruck gebracht wurde, dass während der Bauarbeiten an der L 94 der Schwerlastverkehr grundsätzlich durch die Baustelle fahren kann. In einer Mail habe sein Oberharmersbacher Amtskollege Siegfried Huber daraufhin erleichtert reagiert, dass nun »der Dampf aus dem Kessel« und eine Kehrtwende eingeleitet sei. Einzelne Unternehmer würden noch nicht daran glauben. Da müsse man daran arbeiten, um auch diese zu überzeugen. Bürgermeister Huber habe sich bei ihm persönlich und dem Besprechungsteam für das Ergebnis bedankt.
»Angesichts der Pressemitteilung und der klaren Kommunikation ist das Rechtsanwalts-Schreiben vom Freitag schwer nachvollziehbar«, zeigte sich Bürgermeister Pfundstein verwundert, zumal die Ein- und Ausfahrt ins Tal durch die Beschlüsse im Mai sichergestellt worden seien. Pfundstein bedauerte, dass es zur Schwerlastverkehr-Diskussion gekommen sei, zumal schon im April auf die Möglichkeiten der innerörtlichen Umfahrung hingewiesen wurde. Die Aufhebung der Höhenbegrenzung der L94-Strecke über den Löcherberg und eine Einbahnstraßenreglung über das Schäfersfeld Richtung Nordrach würden weitere Fahrrouten ermöglichen.
Bürgermeister Pfundstein erläuterte den Zeitplan für die Sanierung der L 94. Am Baubeginn im Juli soll festgehalten werden. Erste Bautrupps werden in Höhe der Esso-Tankstelle und in Höhe »Schwarzer Adler« zum Einsatz kommen und sich dann Abschnittsweise vorarbeiten. Beim Gasthaus »Ochsen« wird eine Ampelanlage eingerichtet, um den Abbiegeverkehr zu regeln. »Bis Mitte 2018 sind keinerlei Schwierigkeiten zu erwarten«, stellte Bürgermeister Pfundstein fest. Er rief dazu auf, im Sinne des Gemeinwohls miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten. Als einzige Alternative bliebe: keine neue Straße und keine neue Infrastruktur. »Das kann ernsthaft keiner wollen«, bezog Bürgermeister Pfundstein Stellung und bedauerte, dass zurzeit zu viel Energie für Auseinandersetzungen verloren gehe, die an anderer Stelle fehle.
Erneut Zweifel an den Planungen geäußert
Erneut waren gestern Abend viele Oberharmersbacher und Unterharmersbacher Unternehmer und Landwirte in die Sitzung gekommen, um im Rahmen der Bürgerfrageviertelstunde nochmals ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Auch Bürgermeister Siegfried Huber hatte im überfüllten Zuhörerraum des Zeller Bürgersaals Platz genommen.
Betont wurde, dass die Passtrecken über den Löcherberg und das Schäfersfeld sowohl für große Lkws als auch für Landwirte, die in Zell und im Kinzigvorland Flächen bewirtschaften, keine funktionierenden Alternativen seien. Im Winter sei die Nutzung ganz undenkbar. Darauf hingewiesen wurde, dass über die fünf Betriebe hinaus, die das Rechtsanwaltsschreiben mit Vollmacht unterzeichnet haben, 30 weitere Betriebe hinter den Forderungen stehen. Bedenken wurden wegen der Ampelanlage beim Gasthaus »Ochsen« geäußert. Auch die geplante Dauer der Baumaßnahmen über einen Zeitraum von drei Jahren wurde kritisiert.
Man habe die Hoffnung, dass die Sanierung auch schneller abgewickelt werden kann, stellte Bürgermeister Pfundstein fest, was zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht genau abgeschätzt werden könne. Im Winter gebe es Zeiten, in denen die Baustelle ruhe. Dann ist ohnehin keine Umleitung notwendig. In Sachen Ampelreglung habe die Erfahrung der letzten Wochen gezeigt, dass es in Höhe der Lindenbrücke funktioniert und die Fahrzeuge schon bei der ersten Grünphase die Baustelle passieren können. Talaufwärts nehme die Verkehrsdichte weiter ab.
Zeller Gemeinderat reagiert auf die Einwände
Das Zeller Rastgremium reagierte auf die Einwände aus dem Nachbarort. Schon im Vorfeld hatte die SPD-Fraktion bei der Stadtverwaltung ihren Antrag schriftlich eingereicht, dass der Beschlussentwurf für die Auftragsvergabe mit der Vorgabe verknüpft wird, dass die Stadt Zell a. H. als Auftraggeber alle möglichen und notwendigen Umfahrungsstrecken einrichtet, um eine ganzjährige Durchfahrbarkeit des Tales für Fahrzeuge aller Art gewährleisten zu können. Fraktionssprecher Ludwig Schütze betonte, dass die Stadt Zell schon im unteren Bauabschnitt fast eine Million Euro investiert habe, um die Umfahrungsstrecke einzurichten. Auch im oberen Bauabschnitt müsse dies in Betracht gezogen werden. »Eine gute Nachbarschaft muss uns wichtig sein«, betonte Gemeinderat Ludwig Schütze.
Gemeinderat Martin Teufel signalisierte seine Zustimmung zu dem Zusatz, um den Druck aus der Diskussion zu nehmen. Die Erfahrungen des ersten Bauabschnitts haben gezeigt, dass eine halbseitige Sperrung schwierig sei, stellte Gemeinderat Hannes Grafmüller fest und warnte davor, zu viel zu versprechen. Allen könne man es nie Recht machen. Gemeinderat Lorenz Breig bedankte sich bei Oberharmersbach für die rechtliche Prüfung. Auch er persönlich lehne die Strecken Löcherberg und Schäfersfeld strikt ab. »Unsere Talstraße ist eine Sackgasse und auch Zell gehört dazu«, bezog Breig Stellung. Notfalls müsse auch akzeptiert werden, dass der Kilwiplatz für zwei Jahre außer Betrieb gesetzt werde. Auch das müsse zugunsten der Durchfahrbarkeit hinten angestellt werden. Die Zuhörer quittierten Breig’s Redebeitrag mit Applaus.
Europaweite Ausschreibung erbrachte drei Angebote
Die Diskussion über die Durchfahrbarkeit ließ die eigentliche Auftragsvergabe fast zur Nebensache werden. Gemeinderat Ludwig Schütze unterstrich die historische Dimension. »Es ist ein Meilenstein in der Geschichte der Stadt Zell. Eine Auftragsvergabe mit einer Rekordsumme.« Die Arbeiten für die Sanierung der L 94 wurden europaweit ausgeschrieben, acht Firmen haben die Unterlagen angefordert, drei Firmen haben ein Angebot abgegeben. Günstigste Bieterin war das Bauunternehmen Reif aus Rastatt mit einer Bruttosumme von 9.664.892 Euro. Die beiden weiteren Bieter lagen mit 12,6 und 13,5 Millionen Euro um drei bzw. vier Millionen Euro darüber.
Bauleiter Michael Wunsch vom Planungsbüro Wald + Corbe informierte den Gemeinderat, dass mit der Firma Reif ein Aufklärungsgespräch stattgefunden habe und dass es gegen das Angebot keine Einwände gebe. Die Firma Reif aus Rastatt sei bekannt und nachweislich für die ausgeschriebenen Leistungen qualifiziert. Anfang Juli soll mit den Bauarbeiten in Höhe der Esso-Tankstelle und bei der Abzweigung Hinterhambach begonnen werden.
Die Angebotssumme von 9,66 Millionen Euro verteilt sich auf insgesamt fünf Kostenträger. Der Hauptteil mit 5.459.741 Euro entfällt auf die Stadt Zell am Harmersbach. Das Regierungspräsidium Freiburg trägt 2.205.414 Euro, der Abwasserzweckverband 1.570.767 Euro, das E-Werk Mittelbaden 471.926 Euro und die Badenova 11.041 Euro. Das E-Werk Mittelbaden wird die Leistungen direkt übernehmen, so dass sich der Auftrag für die Stadt Zell auf 9.246.965 Euro reduziert. Für die weiteren Kostenträger wird die Stadt Zell die Aufträge abwickeln und im Zuge der Ausführung der Leistungen diesen sukzessive wiederum in Rechnung stellen.
Einstimmig befürwortet der Zeller Gemeinderat die Auftragsvergabe an die Firma Reif und verknüpfte damit den Zusatz, dass die Durch- bzw. Umfahrung der Baustelle für Fahrzeuge aller Art gewährleistet ist.