Die Bürgerfrageviertelstunde der öffentlichen Gemeinderatssitzung wurde am Montag zum Protestforum von Unternehmern aus Unter- und Oberharmersbach. Sie wollen die geplanten Einschränkungen für den Schwerlastverkehr ab 7,5 Tonnen während der Sanierung der L94 nicht hinnehmen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, waren sie in so großer Zahl gekommen, dass die Sitzplätze im Rathaussaal längst nicht mehr ausreichten.


Bereits am 27. April war es zu einer internen Sitzung zwischen den Vertretern der Stadt Zell und den betroffenen Unternehmen von Unter- und Oberharmersbach gekommen. Dabei wurde deutlich, dass während der Kanalbauarbeiten im zweiten Bauabschnitt ab dem Gasthaus »Ochsen« aufgrund der geltenden Arbeitsstättenrichtlinien die Durchfahrt für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen eingeschränkt werden muss. Die Verkehrsbehörde des Landratsamtes Ortenaukreis hat eine entsprechende straßenrechtliche Anordnung erlassen. Als Zeitfenster für die Sperrung wurde während der Arbeitszeiten vom morgens 7 Uhr bis abends 18 Uhr genannt. Als alternative Zufahrten nach Oberharmersbach wurden die Strecken über Nordrach-Schäfersfeld und die Nillhöfe vorgeschlagen.
Alternativangebot für die Umfahrung Sportstättenstraße übergeben
»Die vorgeschlagenen Strecken über Nordrach und die Nillhöfe sind nicht machbar«, stellte Geschäftsführer Markus Lehmann von Tannengrün-Lehmann als Sprecher der versammelten Unternehmer fest. Man habe inzwischen selbst mit dem Landratsamt in Offenburg Kontakt aufgenommen und sei in dieser Einschätzung bestätigt worden. Auch in Sachen alternative Umfahrungsstrecke vom Fürstenberger Hof über die Sportstättenstraße bis zum »Schwarzen Adler« waren die Unternehmer schon aktiv geworden. Den Aussagen, dass der Ausbau der 1.200 Meter langen Strecke ohne Rückbau mit 360.000 Euro veranschlagt werden müsste, stellten sie ein Angebot des Bauunternehmens Schöpf entgegen. Dieses Angebot beläuft sich auf brutto 193.105 Euro. In diesem Betrag ist der spätere Rückbau der Strecke bereits enthalten. Das Angebot wurde am Montagabend an den Zeller Stadtbaumeister Keifel übergeben.
Für die Oberharmersbacher Landwirte ergriff Stefan Lehmann das Wort. Diese seien auf die Durchfahrt mit ihren Schleppern und Arbeitsgeräten angewiesen, um die Futterversorgung ihrer Tiere sicherstellen zu können. Auch die Abholung der Milch erfolge zu festgelegten Fahrtrouten und Zeiten. Die geplante Sperrung sei nicht umsetzbar.
»Wir sind auf die Befahrbarkeit der Hauptachse angewiesen«, stellte Bürgermeister Siegfried Huber fest, der ebenfalls an der Diskussion im Zeller Gemeinderat teilnahm. Grundsätzlich stehe die Verwaltungsgemeinschaft zu den geplanten Sanierungsmaßnahmen. Die vorgeschlagenen Beschränkungen für den Schwerlastverkehr und vor allem die Umleitungsstrecken bezeichnete er als »praxisfremd«.
Bürgermeister Huber schlug vor, die laufenden Ausschreibungen nochmals neu zu fassen. Die Alternativstrecke über die Sportstättenstraße würde den Verkehr aus der Baustelle bringen, eine schnellere Bauabwicklung ermöglichen und so möglicherweise sogar Kosten reduzieren. Da sich die geplanten Einschränkungen über einen langen Zeitraum erstrecken, hätten diese für die betroffenen Unternehmen »existenzielle Auswirkungen«.
Auch Eberhard Müller warb als weiterer Bürger in der »Frageviertelstunde« für die Sportplatzstrecke. Diese bringe so viele Vorteile, dass es dazu keine Alternative gebe. »Haben wir die falschen beratenden Ingenieure?«, fragte Unternehmer Josef Lehmann von Umweltreinigung Lehmann kritisch. In Höhe der Schreinerei Schmider würde der jetzige Kanal mitten in der Straße liegen. Wenn dort gebaut wird, dann sei wahrscheinlich kaum eine Durchfahrt möglich.
»Wir sitzen alle in einem Boot«
»Das Projekt hat sich entwickelt«, stellte Bürgermeister Günter Pfundstein mit Blick auf die inzwischen eineinhalbjährigen Planungen fest. Mit den Arbeitsstättenrichtlinien und der damit verbundenen Schwerlastthematik sei man seitens der Stadt erstmals in Gesprächen mit der Polizei im Februar konfrontiert gewesen. Deshalb habe man unverzüglich reagiert und das Gespräch mit den betroffenen Unternehmen gesucht. »Wir sitzen in einem Boot«, betonte Bürgermeister Pfundstein. Auch die Stadt wolle eine gute Lösung finden. Der Druck, den die Unternehmer aufgebaut haben, sei inzwischen auch beim zuständigen Dezernenten im Landratsamt angekommen.
Bürgermeister Pfundstein informierte, dass sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema befasst – ein erstes Treffen hat bereits am gestrigen Dienstag im Zeller Rathaus stattgefunden. Am kommenden Montag, 15. Mai, sind alle Unternehmer zu einer weiteren internen Sitzung eingeladen. Diese findet um 18 Uhr in der Mensa des Zeller Bildungszentrums statt. Daran werden auch Vertreter der Straßenverkehrsbehörde teilnehmen.
Alle Möglichkeiten ausloten
Indes warb Bürgermeister Pfundstein um Kompromissbereitschaft. Schließlich handle es sich nicht um eine Totalsperrung. Von 18 bis 7 Uhr sei die Durchfahrt ohnehin möglich. Tagsüber sei die Einrichtung von Zeitfenstern denkbar. Wichtig sei nun, dass man zusammenarbeite und alle Möglichkeiten auslote. Pfundstein wehrte sich gegen die Vorwürfe seines Oberharmersbacher Amtskollegen, die Planungen seien nicht praxisnah. Viele erfolgreiche Grundstücksverhandlungen seien schon geführt worden, das Großprojekt gehe voran. Auch die Zweifel am Planungsbüro ließ er nicht gelten. Es werde eine sehr gute Arbeit geleistet. In Sachen der vorgeschlagenen Umleitungsstrecke über die Sportstättenstraße gab Bürgermeister Pfundstein zu bedenken, dass sich das Gelände im Privatbesitz befinde. Viele der vorgebrachten Argumente seien Spekulation und könnten nicht klar mit Ja oder Nein beantwortet werden. Man könne nicht nur in eine Richtung Dampf ablassen, sondern müsse alle Fakten abwägen.
Private Verkehrszählung durchgeführt
Schließlich griffen auch die Zeller Gemeinderäte in die Diskussion mit ein. Ludwig Schütze beklagte, dass der Gemeinderat nicht offiziell in die Diskussion mit einbezogen worden sei und über die Tonnage-Begrenzung nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Auch als Kreisrat, so Schütze, hätte er die Möglichkeit, auf der politischen Schiene einiges zu bewirken. Außerdem habe man in Unterharmersbach das Thema »Zweitentlastungsstraße« nie richtig verfolgt.
Gemeinderat Werner Dangl hatte sich am Montagnachmittag zwei Stunden lang die Mühe gemacht und selbst den Verkehr gezählt. In dieser Zeit befuhren knapp 1800 Fahrzeuge die Unterharmersbacher Hauptstraße, darunter seien 43 Lkws gewesen, zwanzig von ihnen über 7,5 Tonnen sowie sechs Omnibusse. Insgesamt konnte er die hohe Verkehrsbelastung untermauern.
Die Verkehrsbehörde haben einen Ermessensspielraum, den gelte es auszuschöpfen, bezog Gemeinderat Hannes Grafmüller Position. Aber man müsse auch den Arbeitsschutz beim Kanalbau berücksichtigen, denn niemand wolle, dass bei der Baumaßnahme Menschen zu Schaden kommen.