Einfach nur reinpusten und Ventile drücken,« erklärt Dirk Helwig das Prinzip des Schalmeienspiels, »und Notenlesen muss man auch nicht können.« Die 2008 von ihm gegründeten Zeller Phantom-Schalmeien zählen über 20 Mitglieder.
Dass als Schalmeienklänge schmeichelhafte oder verlockende Worte bezeichnet werden, an deren ehrlicher Absicht man Zweifel hegt – das dürfte vielen ein Begriff sein. Verbunden vielleicht mit dem Wissen, dass die Schalmei ein Musikinstrument aus grauer Vorzeit ist. Dies aber soll noch immer in Gebrauch sein?
Nun: Die im Zeller Verein gespielten Blechblas-Instrumente haben – im Unterschied zu den modernen Oboen – mit den ursprünglichen, trichterförmigen Holzschalmeien orientalischen Ursprungs kaum etwas gemein. Stattdessen gehen die heutigen Schalmeien auf den Erfinder und Tüftler Max Bernhard Martin (* 1874) und das nach ihm benannte Martinshorn respektive die Martinstrompete zurück.
Denn: Das rein funktionale Signalinstrument mit der breiten Anwendung im militärischen wie im zivilen Bereich entwickelte sich zu Hupen für das 1886 erfundene Auto – und ab 1905 zu einem Musikinstrument aus gebündelten Einzelhupen, mit denen man statt bloßer Warnfanfaren richtige Melodien spielen konnte.
Ab 1920 dann begannen viele Turn- und Radfahrvereine sowie Freiwillige Feuerwehren »Martin-Kapellen« zu gründen. Viele von ihnen wurden nach der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 aufgelöst, entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch wieder neu. Zwar gibt es deutschlandweit inzwischen nicht wenige Schalmeienkapellen, besonders auch im Südwesten, dennoch sind die Instrumente der breiten Masse unbekannt. »Wie Phantome«, erläutert der Vorsitzende Dirk Helwig, warum sich der Zeller Verein den Namen »Phantom-Schalmeien« gegeben hat.
Wobei der Rohrleitungsbauer schwärmt: »Als ich das erste Mal eine Schalmei gehört hatte, war ich sofort fasziniert.« Umso mehr, als man zum Spielen keine besondere Anblastechnik wie beispielsweise bei der Trompete benötigt. »Man pustet einfach rein, und schon kommt ein Ton.« Und statt nach Noten wird nach Zahlen gespielt.
Zunächst hatte der gebürtige Hesse in einem Haslacher Verein musiziert. Als der sich auflöste, wollte der Wahlzeller sein neues Hobby jedoch keinesfalls an den Nagel hängen. Also scharte er im hiesigen Städtle Gleichgesinnte um sich. Auch aus dem alten Verein sind einige mit dabei, wenn jeden Montag und Freitag Abend im kleinen Saal des Zeller Kultur- und Vereinszentrums geprobt wird.
Jeder Becher einen Ton
Jeweils acht Schallbecher weisen die Instrumente auf. Die spielt man in den drei Stimmen Sopran, Alt und Bariton. »Und es gibt verschiedene andere Tonlagen«, erklärt Helmut Wolber. Der gebürtige Wolfacher, der als Konditor und Fernfahrer berufstätig war, fungiert als musikalischer Leiter, fährt von seinem jetzigen Wohnort Oberkirch regelmäßig zu seinen Zeller Schützlingen.
Zudem gibt es eine »Akkord« genannte tiefe Begleitung, legt er dar, »die kann nur Bass spielen, als Rhythmusinstrument – so wie eine Tuba im Musikverein.« Gleiches gilt für – sogenannt chromatische – Schalmeien mit 16 Schallbechern. Die haben den Vorteil, dass man mit ihnen Halbtöne spielen kann. Denn während bei Instrumenten mit acht Schallbechern jeder Becher einen Ton produziert, kommt bei der chromatischen Version »immer aus zwei Schallbechern ein Ton.«
Einerseits bringen die 16 Schallbecher »doppelte Power«, sprich Klangvolumen. Andererseits braucht man aber »doppelte Luft« – das weiß Helmut Wolber, der die achromatische Schalmei in einer Kapelle gespielt hat, aus 30-jähriger Erfahrung. Weil man statt acht gleich 16 Schallbecher auf einmal blasen muss.
Darauf allerdings haben sich die Phantom-Schalmeien – noch – nicht verlegt. Weil die Kapelle noch recht jung ist und die chromatischen Schalmeien überdies um einiges kostspieliger sind als die einfacheren Instrumente. Doch schon das Spielen von acht Bechern bringt ein gutes Lungenvolumen. Und zwar um so mehr, je langsamer man spielt, weil es die Töne dann lange anzuhalten gilt.
»So gesehen ist das schnelle Spielen angenehmer«, meint Helmut Wolber. Was sich gut trifft. Denn die bei acht Schallbechern fehlenden Halbtöne »überbrücken wir mit einer anderen Note – und damit das nicht so auffällt, spielen wir die Musik mit Zunder und die Melodie ein wenig schneller als normal«, erklärt der Musiker. Dies sorgt für einen ganz eigenen Klang, der sich versuchsweise mit »leicht schräg doch um so fröhlicher« umschreiben lässt.
Komplette Familie dabei
»Man kann mit acht Schallbechern trotzdem alles spielen«, betont der musikalische Leiter, »vom Kinder- bis zum Kirchenlied.« Wobei die Schalmeien durch diverse rhythmusgebende Schlagwerke unterstützt werden, inklusive Pauken bzw. Snare-Drums, von denen Helmut Wolber selbst eine schlägt. Schon alleine, um das Tempo vorzugeben. Ein schweißtreibender Kraftakt im wahrsten Sinne des Wortes, schließlich wiegt Wolbers Pauke inklusive Tragegut mehrere Kilo. Was ihn nicht davon abhält, bei jedem Musikstück im Takt hin- und her zu marschieren, unablässig, um jedes Kapellenmitglied im Blick zu haben.
Sogar eine komplette, sechsköpfige Familie ist begeistert mit von der Partie. Und der jüngste im Bunde? Der zählt gerade einmal drei Jahre und schwingt die Schlagstöcke nicht nur mit Feiereifer, sondern auch mit viel Rhythmusgefühl. »Wir lassen ihn mitmachen, wie er Lust hat,« freut sich Helmut Wolber über das Talent des Kleinen und orakelt: »Aus dem wird mal ein ganz Großer«,
Groß beziehungsweise größer werden will auch der Verein. »Je mehr Spieler wir sind, desto mehr Klangvolumen haben wir«, erläutert Vorstand Dirk Helwig das Anliegen des Vereins. Der sucht daher Nachwuchs jeden Alters – sowohl bei den Schalmeien als auch am Schlagwerk. »Solange wir noch Instrumente haben, werden sie vom Verein gestellt«, betont Dirk Helwig, der noch einen weiteren Wunsch hat: einen größeren Übungsraum.
Weitere Infos unter www.phantomschalmeien.com.