Es ist wohl so, wie man sich erzählt: Der liebe Gott muss ein Zeller sein. Am Morgen des Fasendsonntag war es noch kalt und neblig. Zur Erweckung des Narro klarte das Wetter auf, zum Start des Zugs strahlte dann sogar die Sonne vom Himmel. Das Motto in diesem Jahr lautete »Jahrmarkt, Zirkus, bunt und grell, Zeller Fasends-Karussell«.
Begleitet von der Stadtkapelle erreichte der Narrenrat wie geplant kurz nach 14 Uhr den Storchenturm, um die Narros endlich aus ihrem Schlummer zu erwecken. Dem Ruf gemäß alter Tradition vom Zunftmeister Clemens Halter folgte das Geläut der Storchenturm-Glocken, welches unzählige Gestalten vom »Grab« am Storchenturm ins fasendliche Getümmel trieb. Nicht zuletzt den frühlingshaften Wetteraussichten war es wohl zu verdanken, dass der Strom der Zeller Fasendfiguren nicht abreißen wollte. Erst kamen die kleinen Bändele hervor, dann die großen, dazu Spielkarten- und Welschkorn-Narros. Sogar zwei Zeitungs-Narros ließen sich blicken und zum guten Schluss noch knapp ein Dutzend der seltenen Schneckehüsli-Narros. Über 15 Minuten dauerte es, bis sich das Narrengrab am Storchenturm geleert hatte. Nach Schätzungen des Narrenrats nahmen zwischen 500 und 800 Narros dieses Jahr am Umzug teil. Eine riesige Zahl! Die musikalische Begleitung zum Narroerwecken wurde von allen drei Musikkapellen übernommen.
Moderatoren in Bestform
Die Zeit, bis der Zug starten konnte, vertrieben anschließend den Zuschauern in Rathausnähe die Moderatoren Berthold Damm und Manfred Lehmann mit lustigem Geplauder, prominente Gäste und eine erste musikalischen Kostprobe der Basler Grachsymphoniker. Ein besonderes Willkommen galt der Freien Narrenzunft Wolfach, die nach fünf Jahren wieder am Zeller Umzug teilnahm, und der Bundestagsabgeordneten Kordula Kovac, ebenfalls aus Wolfach. Der Zeller Bürgermeister Pfundstein begrüßte das Narrenvolk mit »hoorig« und ließ es sich nicht nehmen, ein besonderes Paar aus Wiesbaden zu begrüßen, das er nicht nur letztes Jahr trauen durfte, sondern das auch – nach vielen Jahren der Urlaubstreue – endlich einmal die Zeller Fasend kennenlernen wollte.
Gegen 14.45 Uhr erreichte der Umzug die Rathaus-Tribüne. Berthold Damm und Manfred Lehmann lobten die Veranstaltung als ein »zu Herzen gehendes Gesamtkunstwerk«, bei dem Spontaneität wichtiger sei als ein konstruiertes Bühnenprogramm und hießen alle willkommen zu dem »deutschlandweit einzigartigem Spaßprogramm«, das folgen sollte.
Vorneweg die Tradition
Den Anfang machte wie immer die Narrenzunft Zell am Harmersbach in eindrucksvoller Stärke. Ein toller Auftritt, wie hunderte Bändele minutenlang ihre Saublodere schwangen und die Spielkarten-Narros die Zuschauer mit ihrer Schere neckten! Dazu spielte die Stadtkapelle die Evergreens der Zeller Fasend. Es schloss sich die Freie Narrenzunft Wolfach an mit ihren Schellen-, Rösle- und Mehlwurmhansel, Nussschalenhansel und wie sie alle heißen. Sie ist mit den Zellern seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden. Ebenfalls fester Bestandteil der Wolfacher Narretei: die Alde Rungunkeln – die, wie mehrmals betont wurde, keine Hexen darstellten, sondern alte Frauen. In Fall der Zeller Fasend 2017 waren es zugegebenermaßen recht fitte alte Weiber, denn sie schlichen kreuz und quer durchs Publikum, um die Zuschauer zu erschrecken. Eine Rungunkel kletterte mühelos auf den »Logenbalkon« über dem »Trendhaus«, um den Zuschauern dort einen unerwarteten Besuch abzustatten. Der Spielmannszug mit Landsknechten und Burgfrauen führte anschließend den in ein rotes Samtgewand gehüllten »Graf Konrad zu Wolfach« ein, dessen Kommen nicht zuletzt durch lautes Kanonenkrachen unüberhörbar war.
So ein Zirkus!
Löwen und die Feuersteins
»Mit Gebrüll und Yabba Dabba Doo, Zeller Kinderfasend juhuu« ging es weiter. Der Narrennachwuchs aus dem »Dörfle« hatte Familie Feuerstein als Thema gewählt, die Entersbacher Minis mussten hinter Gitter. Sie waren als Löwen verkleidet, die es zu zähmen galt. Die Entersbacher Musik gab nicht nur traditionelle Lieder zum Besten, sondern zeigte auch, dass sie heiße Percussion-Einlagen nicht scheuen muss.
Gleich anschließend waren die »Großen« aus Entersbach dran. Unter dem Motto »De verrückte, bunte Artist us de Entersbacher Narrenkist« präsentierten sie als Jongleure, Stelzenläufer, Artisten und Akrobaten, Seilspringer, Ballonverkäufer und Seifenblasenbläser ihre Talente.
Der »Bruch« lud zum Affenzirkus ein. Als Affen und Bananen verkleidet tanzten durch die Straße, die »Bruch«-Kinder waren zum Teil auf Skate- und Hoverboards unterwegs. Überhaupt: Tiere waren das große Thema in diesem Umzug, denn auch das »Städtle« setzte das Motto tierisch um. Der Slogan »Im Städtle läuft de Bär om Gaukler hinterher« war Programm. Bei dieser Gruppe gab es tanzende Bären und Gaukler zu bestaunen.
10 Jahre Grachsymphoniker in Zell
Die »großkopferten« Grachsymphoniker aus der Schweiz nahmen mit ihrer Kostümierung diesmal die Machenschaften des Fußball-Weltverbands aufs Korn. Bandleader »Sepp Blatter« dirigierte seine »Ma-FIFAs«, gut zu erkennen am Bestechungsgeld am Hut. Kurz wurde es rührig, als die Moderatoren Berthold Damm und Manfred Lehmann zum 10. Jubiläum der Guggenmusiker in Zell Medaillen der Basler verliehen bekamen. Viel Zeit blieb jedoch nicht. Es ging gleich weiter mit der nächsten Gruppe.
Bunter Jahrmarkt
Die Neuhausener inszenierten mit viel Liebe zum Detail »Bunt und grell der chinesische Jahrmarkt gastiert in Zell«. Es gab Glückskekse und Reisschnaps, aus »hoorig, hoorig« wurde »hoolig, hoolig«, und natürlich durfte das Symbol für das Glück und Friede schlechthin, der Drache, in dem Auftritt nicht fehlen. Den Mittelpunkt vom »Klein Pariser Jahrmarkt anno dazumal« bildete eine Schänke, die von Tänderinnen begleitet wurde. Ein Jahrmarktstand versprach »Brustvergrößerung durch Handauflegen«, selbst an einem mobilen Pranger, Marke »annodazumal«, mangelte es nicht. Das »Dörfle« war als Schießbudenfiguren unterwegs. Die Themenwahl gab viel Raum für lustige Kalauer der Moderatoren, wie »Lernen Sie schießen – treffen Sie Freunde«. Bürgermeister Günter Pfundstein und Bundestagsabgeordnete Kordula Kovac mussten am Dosenwurf-Wagen ran, wo es Lutscher und Plastikrosen zu gewinnen gab.
»Mancher Zirkus ist wie ein Märchen«
Als im Vorfeld das Thema der »Lohgass« bekannt wurde, gab es Verwirrung. Ihr Thema lautete »Rotkäppchen«. Wie die Gruppe das Märchen wohl auf Zirkus trimmen wollte? Der Dreh: Die Grundidee des Märchens wurde in eine Geschichte eingebettet, bei der ein Zirkus eine Rolle spielte. »80 Jahre Zigeunerkarusell. Rotkäppchen gastiert in Zell« hieß es schließlich, was die Moderatoren kommentieren ließ »Mancher Zirkus ist wie ein Märchen«. Kurz vor Schluss war es dann Zeit für etwas Süßes. Bei »Zuckerstange und Lollipop, hier kommt der Insel Candyshop« war die Umsetzung bereits im Motto enthalten: Es regnete Bonbons, die Outfits waren in Rot und Weiß gehalten – ganz wie Zuckerstangen. Den musikalischen Abschluss der ersten Runde markierte die Hombacher Musik mit einem kleinen Platzkonzert vor der Rathaus-Tribüne. Ihnen folgten die Eckwaldhexen, die mit ihrem rauchenden Hexenhaus auf Rädern für eingeschränkte Sicht im Veranstaltungsbereich sorgten. Kurz vor vier war dann der erste Durchlauf abgeschlossen und Runde Zwei konnte aus der Grabenstraße startend beginnen.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand den Umzug am Sonntag nicht gesehen hat – Schätzungen des Festkomitees sprechen von 8.000 bis 10.000 Besuchern – bietet sich am Dienstag ab 14 Uhr die Gelegenheit, den Besuch nachzuholen. Und auch alle, denen das bunte Treiben bereits am Sonntag viel Freude bereitet hat, sind eingeladen, am Dienstag noch einmal die mit viel Liebe zum Detail gestalteten Wägen und Kostüme zu bestaunen. Nicht umsonst heißt es »Der Applaus ist des (Zirkus-) Künstlers Brot«.

































































































































































































